Schäuble fürchtet Krise des demokratischen Systems

(17.10.2011/dpa)

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat „eine dauerhafte Lösung für Griechenland“ als Teil des EU-Gesamtpakets zur Lösung der Euro-Schuldenkrise gefordert. „Das wird ohne eine Reduzierung der griechischen Gesamtverschuldung nicht gehen. Die wird vermutlich höher sein müssen, als es im Juli ins Auge gefasst worden war“, sagte Schäuble am Sonntagabend im ARD-Bericht aus Berlin. Ob es konkret einen Schuldenschnitt für Griechenland in Höhe von 50 bis 60 Prozent geben werde, ließ Schäuble offen.

Er sagte, über Einzelheiten werde „im Augenblick noch verhandelt. (…) Nur das Prinzip muss klar sein: eine tragfähige Lösung für Griechenland mit einer Beteiligung des Privatsektors“. Zudem müsse Vorsorge getroffen werden, „dass die Ansteckungsgefahren in den Märkten bekämpft werden“, sagte Schäuble. „Und dann müssen die anderen Länder auch ihre Verpflichtungen erfüllen, denn letzten Endes ist die Ursache der Krise die zu hohe Staatsverschuldung.“ Dass Letztere zu einem nicht geringen Teil auf die Übernahme von Privatschulden „systemischer“ Banken zurückgehen, sollte dabei allerdings nicht vergessen werden.

Die Demonstrationen gegen das Bankensystem vom Wochenende beobachte er „mit großer Aufmerksamkeit – ich nehme das sehr ernst“, sagte Schäuble. EU und G20 müssten „überzeugend darlegen können, dass die Politik die Regeln setzt. Und dass wir nicht von den Märkten nur getrieben werden.“ Dies sei „der Eindruck, den die Menschen haben. Und diesen Eindruck müssen wir durchbrechen.“ Sonst komme zur Krise der Sozialen Marktwirtschaft und der Finanzmärkte noch „eine Krise des demokratischen Systems“, so der Minister.  

Die Proteste vom Wochenende sorgten auch für die üblichen Sprechblasen bei Vertretern der EU. Die weltweiten Proteste gegen Macht und Auswüchse der Finanzmärkte seien bei der politischen Spitze der Europäischen Union auf Verständnis gestoßen. „Der Finanzsektor muss verstehen, dass er ein Mindestmaß von ethischen Normen respektieren muss“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am heutigen Montag in Brüssel vor Journalisten. „Das ist jüngst nicht der Fall gewesen. Und der Finanzsektor muss einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten.“

Warum sollten „die Finanzmärkte“ – als würde es sich hier um ein lebendiges Subjekt handeln – „verstehen“, dass sie „ein Mindestmaß von ethischen Normen respektieren“ müssen, wenn die Politik den Spekulanten und Zockern auf dem Finanzparkett seit Jahren die eindeutige Botschaft zu verstehen gibt, dass sie bereit und willig ist, etwaige Verluste der Zocker durch Steuergelder aus den Taschen der Allgemeinheit auszugleichen? Geradezu zynisch ist Barrosos Formulierung, der Finanzsektor müsse einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, als hätte dieser in der Vergangenheit überhaupt einen Beitrag zum Gemeinwohl geleistet.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, er verstehe, dass Sparmaßnahmen nicht populär seien. Sie seien aber nötig. Eine „faire Verteilung der Anstrengungen“ sei aber „unverzichtbar“ für die gesellschaftliche Akzeptanz von Einsparungen. Auf Deutsch: Wenn die Finanzpiraten zur Abwechslung nicht auch mal einen Teil ihrer Verluste selbst tragen müssen – wie es in einer Marktwirtschaft eigentlich selbstverständlich wäre – dann akzeptiert die normalsterbliche Bevölkerung möglicherweise nicht mehr, dass sich ihr Lebensstandard aufgrund „alternativloser“ Einsparungen stets verschlechtert. Und kommt dann vielleicht auf die dumme Idee, sich an den Protesten zu beteiligen.

Wie wenig eine „faire Verteilung der Anstrengungen“ in Aussicht steht, zeigt alleine schon das Hickhack um die Finanztransaktionssteuer, die ohnehin wenig mehr als einen kosmetischen Eingriff in das bestehende Finanzsystem darstellt.

Zur Frage der Einführung einer Finanztransaktionssteuer sagte Schäuble: „Die wird sicherlich nicht am Wochenende kommen. Das geht nicht so schnell. Aber wir haben jetzt immerhin erreicht, dass die (EU-)Kommission dem Drängen Deutschlands und Frankreichs nachgekommen ist, einen Vorschlag vorgelegt hat. Jetzt müssen wir dafür arbeiten.“ Er werde „dafür werben, dass alle in Europa da zustimmen“. Im G20-Rahmen habe er dies am Wochenende „wieder vergeblich versucht. Aber wir brauchen eine europäische Lösung.“ In Europa wehrt sich vor allem Großbritannien vehement gegen eine Finanztransaktionssteuer.

Und solange Schäuble auf Einigkeit in dieser Frage besteht und nicht selbst Tatsachen schafft, solange kann Großbritannien die Einführung einer solchen Steuer verhindern. Dann bleibt alles, wie es ist und der deutsche Finanzminister kann Großbritannien den „Schwarzen Peter“ zuschieben. Arbeitsteilung à la EU.

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