Schonungslose Abrechnung mit Schreiber

(05.05.2010/dpa)

Es ist ein ziemlich vernichtendes Urteil für Karlheinz Schreiber. Der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell kanzelt in seiner Urteilsbegründung den 76-Jährigen regelrecht ab, dem er zuvor eine überraschend hohe Haftstrafe von acht Jahren auferlegt hat. „Der Angeklagte gehört zu der Spezies, die nur auf ihren Vorteil bedacht ist und jeden und alles schmiert, was nicht rund läuft, und dabei den Fiskus betrügt, wo es nur geht.“ Schreiber sei „raffgierig und maßlos, ein ganz Großer, jedenfalls was die Steuerhinterziehung betrifft“.

Schreiber selbst sitzt blass auf der Anklagebank, den Blick meist demonstrativ vom Richter abgewendet. Hin und wieder lächelt er seiner Frau zu, die erstmals in dem seit drei Monaten dauernden Verfahren in den Gerichtssaal als Zuhörerin gekommen ist. Wenig später reagiert Schreiber wie ein Stehaufmännchen. Nach den harschen Worten des Richters wünscht er den zahlreichen Journalisten und deren Familien lauthals alles Gute in die Runde und bedankt sich: „Danke, dass Sie gekommen sind.“

Sein Münchner Anwalt Jens Bosbach erklärt nach der harten Urteilsbegründung: „Schreiber hat die Verurteilung kraftvoll mit geradem Rückgrat aufgenommen.“ Nein, Schreibers Schweigen vor Gericht sei nicht die „falsche Strategie“ gewesen. Mit einer Verurteilung habe der Angeklagte durchaus gerechnet – nicht aber in dieser Höhe.

Dieses Schweigen des Angeklagten hat Richter Weigell besonders geärgert. Im Laufes des Verfahrens hatte er Schreiber immer wieder gefragt, wozu das Schweizer Tarnkontensystem und die Scheinfirmen in Leichtenstein und Panama dienten und wohin der Angeklagte die millionenschweren Geldflüsse lenkte. Schreiber blieb alle Antworten schuldig.

Die Verteidiger rechtfertigten dieses Schweigen dann als Noblesse des Angeklagten, der andere nicht mit Schmutz bewerfen wolle. Dazu Richter Weigell: „Dieses Schweigen als ‘Ganovenehre’ zu begründen, das ist zu billig.“ Der Angeklagte habe alles darauf angelegt, Steuerhinterziehung in großem Stil gezielt zu verschleiern und dieses System bis zuletzt zu verteidigen. „Er hat die Heimlichtuerei mit den Tarnkonten auf die Spitze getrieben.“

Ziel der Geldtransaktionen sei nur Schreibers eigener Vorteil gewesen, um seinen aufwändigen Lebenstil zu finanzieren. Dazu gehörten ein „Schlösschen“ im oberbayerischen Kaufering mit einer Innenausstattung für sechs Millionen Mark (rund drei Millionen Euro), große Grundstücke und teuere Immobilien in der Schweiz und Kanada. „Dass sich der Angeklagte der Steuerpflicht entziehen wollte, leuchtet jedem, der einen gesunden Menschenverstand hat, ein“, zog Weigell sein Fazit zu Schreibers Machenschaften.

„Das ist die volle Härte des Gesetzes“, sagte der Augsburger Gerichtssprecher Karl-Heinz Haeusler zu dem hohen Strafmaß. Zurecht habe das Gericht darauf hingewiesen, dass man nicht die Kleinen hängen und die Großen laufenlassen könne. Die von der Verteidigung angekündigte Revision zum Bundesgerichtshof werde es schwer haben, dieses Urteil zu kippen, ist Haeusler überzeugt.

Chefankläger Reinhard Nemetz sagte: „Wir sind mit dem Urteil sehr zufrieden.“ Schreiber habe nur mit Nebelkerzen um sich geworfen. Bedauerlich aber sei, dass vom Gericht der Vorwurf der Bestechung als verjährt eingestuft worden sei. „Es gibt keinen geringsten Zweifel daran, dass Schreiber den früheren Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls bestochen hat“, hatte der Richter erklärt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass dafür die Verjährung bereits eingetreten sei. Pfahls hatte von Schreiber Schmiergeld kassiert und war wegen Steuerhinterziehung und Vorteilsnahme rechtskräftig zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

Mit dem Urteil gegen Schreiber ist einer der größten Schmiergeldkomplexe in Deutschland zunächst abgeschlossen, zu dem der CDU-Spendenskandal gehörte, den Schreiber ausgelöst hatte. Das letzte Wort wird jetzt wohl der Bundesgerichtshof haben.

Drucken

Drucken

Teilen