Sieg für Islamisten in Ägypten

(09.01.2012/dpa/hg)

Bei der Parlamentswahl in Ägypten zeichnet sich ein haushoher Sieg der Islamisten ab. Bei der dritten Wahlrunde gewann die als moderat-islamisch eingestufte Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ der Muslimbrüder in sieben von neun Provinzen die meisten Stimmen. Die radikale „Partei des Lichts“ sicherte sich in den restlichen beiden Provinzen eine Mehrheit. Das teilte das ägyptische Staatsfernsehen am Samstag mit.

Da über die Vergabe von 43 Sitzen für Direktkandidaten eine Stichwahl entscheiden muss, wird mit der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses erst Mitte des Monats gerechnet. Bereits in den ersten beiden Wahlrunden hatten sich die Islamisten rund zwei Drittel der zu vergebenden Sitze im Abgeordnetenhaus gesichert.

Zur ersten freien Wahl seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar 2011 waren rund 50 der 85 Millionen Ägypter aufgerufen. Zwei Drittel der insgesamt 498 Mandate sind für Listenkandidaten reserviert. Die restlichen Sitze gehen an Direktkandidaten.

Die unter Mubarak jahrzehntelang verbotenen, aber tolerierten Muslimbrüder sind von allen ägyptischen Parteien am besten organisiert. Sie könnten nach bisheriger Auszählung mehr als 40 Prozent der Mandate erhalten. Auch die radikal-islamische Partei des Lichts schneidet nach vorliegenden Ergebnissen überraschend gut ab. Drittstärkste politische Kraft könnte die säkulare liberale Ägyptische Allianz werden. Sie war als Gegengewicht zu den islamistischen Parteien in die Wahl gegangen.

Vertreter der rund acht Millionen Kopten, einer christlichen Minderheit des Landes, sehen die neue Entwicklung mit Sorge.

In den vergangenen Monaten war es zwischen Muslimen und Christen in Ägypten immer wieder zu Gewalt gekommen. Vor gut einem Jahr waren vor einer Kirche in der Hafenstadt Alexandria in der Silvesternacht mehr als 20 Menschen bei einem Bombenanschlag getötet worden. Im Oktober kamen bei blutigen Zusammenstößen zwischen Kopten und Muslimen in Kairo 26 Menschen, überwiegend Christen, ums Leben.

Aus Angst vor Anschlägen feierten die Kopten am vergangenen Wochenende Weihnachten unter massivem Polizeischutz. Eine zunehmende Gefährdung für das Zusammenleben von Christen und Muslimen dürfte aber durch den Wahlsieg der Muslimbrüder nicht gegeben sein.

Erstmals nahmen auch Repräsentanten der Muslimbruderschaft am zentralen Weihnachts-Gottesdienst der Kopten in der Markus-Kathedrale in Kairo teil. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Schenuda III., hatte sie zum Mitternachtsgebet eingeladen.

Die Muslimbrüder hatten schon vor der Messe eine Teilnahme an der Feier angekündigt. Der Islam verpflichte alle Muslime zur Toleranz der Christen und ihres Glaubens, hieß es in einer Erklärung. Gemeinsam zu feiern sei eine Chance, die gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. So überbrachte Parteichef Mohammed Morsi persönlich den Kopten die Grüße und Glückwünsche der Muslimbruderschaft.

In den vergangenen Jahren haben sich die Muslimbrüder immer mehr von einer radikalen Auslegung des Islams ab- und moderateren Positionen zugewandt. Die künftige Übernahme der Regierungsverantwortung dürfte diesen Trend verstärken. Im Schatten der Muslimbrüderschaft ist in den letzten Jahren aber der Einfluss der radikal-islamistischen Salafisten gewachsen, die mit der Partei des Lichts in zwei Provinzen nun als Wahlsieger hervor gingen.

Drucken

Drucken

Teilen