Sozialrassismus: Auch Bundeskanzlerin distanziert sich von Sarrazin

(25.08.2010/dpa)

Vorab veröffentliche Passagen aus einem neuen Buch des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin über mangelnde Integrationsbereitschaft von Ausländern und eine angebliche Überfremdung Deutschlands haben in der Berliner Politik hohe Wellen geschlagen. Nachdem sich SPD-Chef Sigmar Gabriel von Sarrazin distanzierte und ihm den Parteiaustritt nahe legte, äußerte sich am Mittwoch auch die Bundesregierung. Die Äußerungen, die „für viele Menschen in diesem Land nur verletzend sein können“, hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „nicht ganz kalt gelassen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

In vorab veröffentlichte Auszüge aus seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ formuliert Sarrazin,  „aufgrund der üppigen Zahlungen des deutschen Sozialstaats ziehen wir eine negative Auslese von Zuwanderern an“, und fordert eine strengere Auswahl sowie höhere Anforderungen an hier lebende Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner sagte der taz (Donnerstagsausgabe): „Ich würde es begrüßen, wenn Thilo Sarrazin die Partei verlässt.“ Im März war Sarrazin bereits beinahe aus der SPD geflogen. Er hatte in einem Interview Arabern und Türken unterstellt, leistungs- und integrationsunwillig zu sein. Eine Landesschiedskommission urteilte, Sarrazin habe sich zwar „radikal und bis zum Tabubruch“ geäußert, allerdings nicht rassistisch, weil er auch Deutsche kritisiert habe.

Der Zentralrat der Juden empfahl Sarrazin am Mittwoch den Eintritt in die rechtsextreme NPD. „Das macht die Gefechtslage wenigstens klarer und befreit die SPD“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem Handelsblatt Online. Er forderte eine ernsthafte Debatte über Defizite bei der Integrations- und Zuwanderungspolitik.

Der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, nahm Sarrazin dagegen in Schutz. Der frühere Finanzsenator spreche die Integrationsprobleme in Deutschland zwar überspitzt an. Das müsse aber nicht falsch sein, um eine Diskussion über den richtigen Weg zu führen.

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