Spanien: Parlament wird gegen Proteste abgeriegelt

(26.09.2012/dpa)

Aufgrund angekündigter Proteste gegen die Sparpolitik der spanischen Regierung hat die Polizei das Madrider Parlamentsgebäude am Dienstag hermetisch abgeriegelt. Die Sicherheitskräfte boten nach Angaben der Behörden mehr als 1300 Beamte auf. Linke Gruppierungen und Anhänger der Bewegung der „Empörten“ hatten für den Abend drei Kundgebungen in der Nähe des Parlaments angemeldet und dazu aufgerufen, das Gebäude zu „umzingeln“.

Die Demonstranten wollten möglichst nahe an das Parlament herankommen. Die Veranstalter der Proteste wiesen aber darauf hin, dass eine Besetzung des Parlamentsgebäudes nicht geplant sei. Die Polizei wollte zur Abschirmung des Parlaments im Umkreis von 500 Metern drei Sicherheitsringe einrichten. Parlamentspräsident Jesús Posada äußerte die Zuversicht, dass die Abgeordneten ohne Störungen und ohne Druck von außen ihre Plenarsitzung abhalten können.

Die Präfektin von Madrid, Cristina Cifuentes, wies darauf hin, dass eine Umzingelung oder eine Besetzung des Parlaments ein Gesetzesverstoß wäre und von der Polizei in keinem Fall hingenommen werde.

Die Veranstalter der Proteste werfen Ministerpräsident Mariano Rajoy vor, mit seinen Sparmaßnahmen die Versprechen vor der Wahl im November 2011 gebrochen und damit die Wähler getäuscht zu haben.

Spaniens konservativer Regierungschef hatte bereits öffentlich erklärt, alle Wahlversprechen zu brechen, um das Land aus der Krise zu führen. Dazu zählte auch das Versprechen, die Mehrwertsteuer nicht anzuheben. Ein halbes Jahr nach der Wahl kündigte er die Anhebung der Steuer von 18 auf 21 Prozent an. „Die Umstände haben sich jedoch geändert, und ich muss mich dieser Realität anpassen“, erklärte Rajoy gegenüber der Öffentlichkeit.

Seitdem er im Juli die Reduzierung der Staatsausgaben um 65 Milliarden Euro verkündete, reißen die Proteste in dem iberischen Land nicht mehr ab. Ein immer größer werdender Anteil der Bevölkerung begreift, dass die Sparmaßnahmen nichts anderes als eine Umverteilung zugunsten des Finanzkapitals bedeuten.

„Madrid hat seinem Bankensektor bereits mit fast 60 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen, eine Maßnahme, die bei immer mehr Spaniern angesichts des brutalen Sparkurs’ immer größere Wut auslöst“, schrieb die Welt Anfang Mai. „Denn dieselbe Summe, welche die Banken bekommen haben, will Rajoy in den kommenden zwei Jahren einsparen, um sich dem von Brüssel vorgegebenen Defizitziel von drei Prozent wieder zu nähern.“ (1)

Das Springer-Blatt wies auch auf eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hin, die betont, dass die Sparmaßnahmen der spanischen Regierung volkswirtschaftlich kontraproduktiv seien und weder zu Wachstum noch zu einer Entspannung des Arbeitsmarktes führten.

„Die einseitige Betonung von Sparmaßnahmen zumal in den Euroländern vertieft die Beschäftigungskrise und könnte Europa erneut in die Rezession bringen“, so ILO-Direktor  Raymond Torres. (2)

„Diese geplante Drosselung der Ausgaben seitens des Staates entspricht fast 3,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) und dürfte in der Rückkopplung die spanische Rezession massiv verstärken. Die Priorität der Senkung der Staatsausgaben ist völlig kontraproduktiv und angesichts der wirtschaftlichen Lage völlig fehl am Platze“, schrieb Steffen Bogs, Betreiber des kritischen Wirtschaftsblogs Querschüsse, in Hintergrund. (3)

Spaniens Regierungschef sieht das anders:  „Wir arbeiten sogar für diejenigen, die gegen uns protestieren“, versicherte er nach Verkündung erneuter Sparmaßnahmen vor zwei Monaten.  

Offenbar schenken immer weniger Spanier seinen Worten noch Glauben. Die Proteste vermochten sie jedenfalls nicht einzudämmen.


Anmerkungen

(1) http://www.welt.de/wirtschaft/article106241141/Warum-die-Euro-Zone-vor-Spanien-zittert.html

(2) ebd.

(3) Hintergrund, 3. Quartal 2012

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