Strahlende Geschäfte: Lagert auch deutscher Atommüll illegal in Sibirien?

(14.10.2009/dpa/hg)

Die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ meldete am Mittwoch (1), dass eine große Menge radioaktiver Abfälle aus Deutschland illegal in Russland lagere. Seit 1996 seien etwa 22.000 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid (UF6) aus der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau nach Russland transportiert worden. (2)

Dort sei das UF6 nochmals angereichert worden. Aber nur etwa 10 Prozent davon sei zurück nach Deutschland gebracht worden. Der Rest lagere weiterhin in rostenden Behältern unter freiem Himmel, zum Beispiel im sibirischen Atomzentrum Sewersk.

Der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Jürgen Maaß, wies die Meldung am Mittwoch in Berlin zurück. Es gehe „definitiv nicht um Atommüll, sondern wir befinden uns dabei industriell auf einer Vorstufe der Atomkraftnutzung, nämlich der Brennstoffherstellung; das Thema ist Im- und Export von an- und abgereichertem Uran.“ Der Vorgang falle deshalb auch gar nicht unter das Atomrecht.

Die Anti-Atombewegung fordert dagegen, abgereichertes Uran als Atommüll einzustufen. Dann dürfte es nach der Baseler Konvention über den Export gefährlicher Abfälle nicht mehr nach Russland exportiert werden.

Jochen Stay, der Sprecher von “ausgestrahlt”, erklärte: „Erst Asse, jetzt Sewersk – einmal mehr ist bewiesen, dass die Atomindustrie ihren Müll genauso entsorgt wie die Mafia in Italien: Sie kippt ihn einfach irgendwo hin. Ein Endlager im undichten Salzstock Gorleben wäre in absehbarer Zeit der nächste Atommüll-Skandal.“ Den Stromkonzernen gehe es um knallharte Gewinninteressen, nicht um Sicherheit. Die Atomkraftgegner fordern Union und FDP daher auf, mit dem schmutzigen Geschäft endlich Schluss zu machen.

Die Auseinandersetzung um die illegale Lagerung von deutschem Atommüll in Russland setzte ein, nachdem die französische Presse und der Fernsehsender Arte am Montag berichtet hatten, dass 13 Prozent der französischen Atomabfälle, jährlich rund 108 Tonnen, nach Russland transportiert würden. “Frankreich überlässt Russland die Lagerung des Mülls, der eigentlich wiederverwertet werden soll, was aber nicht passiert“, schrieb „Libération“ in ihrer Montagsausgabe. Stattdessen lagere das schwach radioaktive Material in Sibirien unter freiem Himmel

Corinne Lepage, die von 1995 bis 1997 in Frankreich Umweltministerin war, zeigte sich überrascht von den Atommülltransporten. „Ich habe nichts davon gewusst“, erklärte sie einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge. (3)
Noël Mamère, Abgeordneter der Grünen, sagte dagegen, der Atommülltransport nach Sibirien sei seit Jahren ein offenes Geheimnis. Frankreich hat genauso wie Deutschland bislang keine endgültige Aufbewahrungsstätte für seinen Atommüll.

(1) http://www.ausgestrahlt.de/presse/artikel/a61b4f7181/auch-20000-tonnen-deutscher-atommue.html
(2) Uranhexafluorid ist radioaktiv und giftig. Werden die unter freiem Himmel in Russland rostenden Behälter undicht, kann es mit der Luftfeuchtigkeit reagieren, heißt es in der Presserklärung der Anti-Atom-Organisation. Dabei entstehe hochgiftige Flusssäure.
(3) http://www.sueddeutsche.de/G5138r/3095701/Zwischenlager-Parkplatz.html

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