Stuttgart 21: SPD für Bürgerbegehren

(08.09.2010/dpa)

Bisher gehörte die baden-württembergische SPD zu den Befürwortern des Milliardenprojekts Stuttgart 21. Gut ein halbes Jahr vor der Landtagswahl deutet die Oppositionspartei einen Kurswechsel an. Sie will nun die Bürger selbst über das Projekt für einen unterirdischen Hauptbahnhof entscheiden lassen.

SPD-Landeschef Nils Schmid wollte den vom früheren SPD-Vormann und Bundesentwicklungsministers Erhard Eppler unterbreiteten Vorschlag eines Volksentscheids am Mittwoch vorstellen.

Die Bahn, die CDU und die FDP sehen indes trotz der Proteste keinen Grund zum Einlenken. Bisher hatte es bei den Projektbefürwortern geheißen, ein Volksentscheid sei angesichts der geschlossenen Verträge zwischen Bahn, Land und Stadt unmöglich.

Schon 2007 hatten Gegner in einem Bürgerbegehren mehr als 60.000 Stimmen für eine Volksbefragung gesammelt – dreimal so viel wie nötig. Aber die Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat, eine Allianz aus CDU, FDP und SPD, schmetterte den möglichen Bürgerentscheid aus formalen Gründen ab, was gerichtlich bestätigt wurde.

Unterdessen haben die Grünen vor einer neuen Kostenexplosion bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21 und der Schnellbahnstrecke nach Ulm gewarnt. Nach einem Gutachten des Münchner Ingenieurbüros Vieregg & Rößler steigen die Kosten für die neue ICE-Trasse auf 5,3 Milliarden Euro. Die Strecke, die sich an das Bahnhofsprojekt Stuttgart21 anschließt, soll nach Bahnangaben rund 2,9 Milliarden Euro kosten. Das sind bereits 865 Millionen mehr als in den ursprünglichen Planungen.

Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann sagte am Mittwoch: „Stuttgart21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm drohen ein Fass ohne Boden zu werden.“ Nach dem neuen Gutachten, das die Grünen in Auftrag gegeben hatten, koste das Gesamtprojekt etwa zehn Milliarden Euro und damit fast das Doppelte von dem, was politisch beschlossen worden sei. „Der Bund muss die Reißleine ziehen.“ Er kritisierte die Annahmen der Bahn zu den Kosten hart. „Im Privatleben würde man von Betrug sprechen.“

Die Gutachter Karlheinz Rößler und Martin Vieregg erklärten, vor allem die Kosten für die Tunnelarbeiten beim Albaufstieg schlügen viel stärker zu Buche als die Bahn bisher annehme. Im ungünstigsten Fall könne die Trasse sogar zehn Milliarden Euro kosten. Die Ingenieure empfahlen, den Neubau komplett umzuplanen oder aber kleinere Korrekturen an der vorhandenen Trasse vorzunehmen, sodass dort Züge mit Neigetechnik fahren könnten. Dadurch verkürze sich die Fahrzeit fast genauso wie mit einer neuen Strecke.

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