Südostasien: Militärmanöver Ausdruck wachsender Spannungen zwischen USA und China?

(24.04.2012/dpa)

Ein umfangreiches chinesisch-russisches Seemanöver mit mehr als 20 Kriegs- und Versorgungsschiffen ist nach Angaben aus Moskau in die „aktive Phase“ übergegangen. „Am Morgen hat ein Verband der russischen Kriegsmarine den chinesischen Hafen Qingdao in Richtung offenes Gelbes Meer verlassen“, teilte ein Armeesprecher am Dienstag nach Angaben russischer Agenturen mit. Bei dem bis zum 29. April geplanten Manöver werde unter anderem geübt, Luftschläge abzuwehren sowie Vorräte auf hoher See aufzufüllen und einen U-Boot-gefährdeten Raum zu passieren. Dabei würden „gekaperte“ Schiffe befreit, Ziele vernichtet und auch Wasserbomben eingesetzt.

„Während der aktiven Phase werden sich Beobachter der chinesischen Marine an Bord der russischen Schiffe sowie umgekehrt auch russische Beobachter an Bord der chinesischen Kriegsschiffe befinden“, sagte der Armeesprecher in Moskau. Das Manöver diene „der Festigung und Entwicklung der russisch-chinesischen Beziehungen, der strategischen Partnerschaft und dem Zusammenwirken zwischen den beiden Ländern und deren Streitkräften“. Aus Russland nehmen an der Übung unter anderem ein Raketenkreuzer und mehrere U-Boot-Abwehrschiffe teil.

Besondere Brisanz erhält die Übung, da gleichzeitig ein gemeinsames Militärmanöver der USA und den Philippinen stattfindet. China befindet sich mit den Philippinen im Streit um die im südchinesischen Meer gelegenen Spratly-Inseln, die eine geostrategisch wichtige Rolle spielen.  Das seit dem 16. April unter der Bezeichnung Balikatan („Schulter an Schulter“) laufende  Manöver wird laut US-Militärquellen regelmäßig seit fast 30 Jahren durchgeführt. (1) Es sei daher auch keine Reaktion auf das russisch-chinesische Manöver, sondern eine „routinemäßige Übung ohne jeden Zusammenhang mit der politischen Lage in der Region“. (2)

In China wird aber die wachsende Militärpräsenz der Vereinigten Staaten in Südostasien zunehmend als Bedrohung der eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen betrachtet. Nicht ohne Grund: Gegen Ende vergangenen Jahres erklärte US-Präsident Barak Obama, er habe eine „strategische Entscheidung“ getroffen: „Als Pazifiknation werden die USA eine größere und langfristigere Rolle in der Gestaltung dieser Region und ihrer Zukunft spielen“. „Wir sind hier, und wir werden hier bleiben“, kündigte Obama mit drohendem Unterton an. (3)

Würde China mit ähnlicher Rhetorik Militär nach Kuba entsenden und dort Manöver abhalten, sich also vor der Haustür der USA militärisch engagieren, kaum ein US-Politiker und kaum ein US-Medium würde dies nicht als indirekte Kriegserklärung begreifen.  

Umgekehrt fasst man in China das wachsende militärische Engagement der USA als indirekte Kriegserklärung gegen das Reich der Mitte auf. Laut der Nachrichtenagentur Reuters warnte China die USA in „ungewöhnlich scharfer Form vor einer militärischen Konfrontation im Südchinesischen Meer“. Das Balikatan-Manöver trage „massiv zu einer Verschärfung der Lage in der Region bei“, zitiert Reuters aus einem Kommentar der offiziellen Zeitung der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Dies werde „unvermeidlich Einfluss auf den Frieden und die Stabilität in der Region haben“, so der Kommentar weiter. (4)

In einer bizarren Logik bezeichnete Spiegel-Online nicht den Weltmachtanspruch der USA, der mit einer militärischen Einkreisung Chinas einhergeht, als „Provokation“, sondern das als „Waffenschau“ bezeichnete Militärmanöver der Chinesen vor deren eigener Küste. Denn schließlich, so Spiegel-Online, habe es für die US-Regierung „oberste Priorität“, „ihren Einfluss im asiatisch-pazifischen Raum militärisch“ auszubauen. (5)

Die US-Regierung betrachtet es als selbstverständlich, den gesamten Globus als vor der eigenen Haustür liegend und dementsprechende Einflusssphäre zu betrachten. Wer sich den Hegemonie-Ansprüchen der USA in den Weg stellt, der „provoziert“ die Großmacht. 

Anmerkungen

(1) http://www.marines.mil/unit/mcbjapan/Pages/2012/0420-balikatan.aspx#.T5amwtlMiBM

(2) http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE83L01Q20120422

(3) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,798305,00.html

(4) http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE83L01Q20120422

(5) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,828987,00.html

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