Tausende Arznei-Tests an ahnungslosen Patienten
(02.10.2009/dpa/hg)
Patienten als Versuchskaninchen: Ärzte testen neue Arzneimittel immer öfter gegen Bezahlung. Extra-Honorare an die Mediziner erhärten den Verdacht, dass es dabei nicht nur um die Sicherheit der neuen Mittel geht. Die Pharmaindustrie zahlt für diese zweifelhaften Studien an nichts ahnenden Patienten kräftig: bis zu 1000 Euro pro Patient als „kleines Zubrot“ für die Ärzte. Die Industrie steht im Ruf, so die oft teuren Mittel auf Kassenkosten in den Markt drücken zu wollen. Verbraucherschützer fordern strengere Regeln.
Carl- Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), schlägt mit neuen Zahlen Alarm. In 85.000 Fällen hätten Ärzte im vergangenen Jahr an einer der 329 Studien teilgenommen, Mehrfachteilnahmen inklusive. 2009 sei die Zahl der teilnehmenden Ärzte noch um fünf Prozent gestiegen. Viele solcher Studien hätten wohl vor allem das Ziel der Verkaufsförderung, sagte Müller der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Das ist nicht rechtens.“ Mindestens ein hoher zweistelliger Millionenbetrag soll als Extrahonorar an die Ärzte fließen.
Kaminstudien heißen solche Untersuchungen auch in der Branche – die Mediziner könnten die Bögen bequem abends im Sessel ausfüllen. „Für den Arzt ist es ein nettes Zubrot ohne großen Aufwan“», kritisiert der Gesundheitsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentrale, Stefan Etgeton. Das Honorar von 10 bis 1000 Euro für jeden teilnehmenden Patienten steht nach Ansicht der Kritiker in keinem Verhältnis zum Wert der Studien. „Anwendungsbeobachtungen alten Stils haben keinen oder nur geringen wissenschaftlichen Wert.“
51 eng bedruckte Seiten lang ist die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegende Liste aktueller Anwendungsbeobachtungen. Verträglichkeit, Wirksamkeit, Anwendungsbreite sollen getestet werden. Oft sind Hunderte bis Tausende Patienten über mehrere Jahre einbezogen – Kritiker warnen vor Lasten für die Beitragszahler und auch vor Nebenwirkungsrisiken. „Hersteller drücken auf diese Weise neue Medikamente auf den Markt“, sagt Etgeton.
„Heute wird den Patienten oft gesagt: Wir stellen das Medikament um, oder wir probieren mal etwas anderes aus“, sagt Etgeton. „Das muss an eine Einwilligung des Patienten geknüpft werden“, fordert er. „Wir erwarten von den Ärzten, dass sie selbstverständlich ihre Patientinnen und Patienten darüber informieren, wenn sie zu einem verordneten Medikament an einer Studie teilnehmen“, fordert auch der Sprecher des Kassen-Spitzenverbandes, Florian Lanz.