Landesverteidigung

Teures Debakel: Deutschland blamiert sich mit dem Pannen-Puma

Mit 17 Millionen Euro pro Stück ist der Puma der teuerste Schützenpanzer der Welt, doch ist sein Preis-Leistungs-Verhältnis miserabel. Nach dem Totalausfall bei einer Übung in Munster wird Deutschland die schnelle Eingreiftruppe der NATO ab Januar mit 50 Jahre alten Marder-Panzern anführen müssen. Peinlich.

Pleiten, Pech und Pannen für 17 Millionen Euro – der Schützenpanzer Puma . Urspünglich sollte es ein Vorzeigeobjekt deutscher Waffentechnologie werden.
Foto: Dirk Vorderstraße , Lizenz: CC BY 2.0 , Mehr Infos

Als „technischer Quantensprung im Gefecht“ wird der Schützenpanzer Puma auf der Internetseite der Bundeswehr angepriesen. Die Soldaten des Heeres erlangten mit dem Puma nicht nur innerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung einen ganz neuen Stellenwert. Hinzu kämen maximaler Schutz der Fahrzeugbesatzung, Luftverladefähigkeit, Feuerkraft sowie die schnelle Aufrüstung und Austauschbarkeit elementarer Subsysteme. Das von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall Landsysteme GmbH (RLS) entwickelte und produzierte Kriegsgerät wird von der Bundeswehr als technisches Meisterwerk beschrieben:

„Aber auch in der Bewaffnung, wie dem besatzungslosen Turm und der vollstabilisierten 30-mm-Maschinenkanone, liegt der Puma am Puls der Zeit. Aus der Fahrt trifft er damit Ziele in einer Entfernung von bis zu 3000 Metern. Aus seinem Hubraum von ‚nur‘ 11 Litern erzeugt das Triebwerk satte 1088 PS. Im Vergleich: Der Schützenpanzer Marder stemmt aus 22 Litern 600 PS und der Kampfpanzer Leopard 2 aus 47,6 Litern Hubraum stattliche 1500 PS Motorleistung.“ 1

Was so vielversprechend klingt, hat bei der jüngsten Übung im niedersächsischen Munster zu einem Fiasko geführt. Nach acht Tagen waren alle 18 Panzer nicht mehr einsatzfähig. Schuld an dem Ausfall seien unter anderem Probleme mit der Elektronik gewesen, bei einem der Panzer sei es zu einem Kabelbrand gekommen. Bei den in Munster für die sogenannte Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) der NATO getesteten Panzern habe es sich um die mit Genehmigung des Bundestages 2019 nachgerüsteten Modelle gehandelt. 2 Was die tieferliegenden Gründe für den Totalausfall waren und ob vielleicht Witterung und Übungsabläufe daran eine Mitschuld trugen, muss nun untersucht werden. Doch in Gefechtssituationen würde im Zweifel auch niemand auf solche Aspekte Rücksicht nehmen. Dass es grundsätzlich Probleme geben könne oder gebe, sei nichts Unbekanntes, sagte in diesem Zusammenhang Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Es stelle sich aber die Frage: „Was wusste der Generalinspekteur, was der Inspekteur des Heeres? Und da erwarte ich natürlich, dass wir als Ausschuss auch umgehend eine Erklärung erhalten.“ 3

Die Probleme mit dem sündhaft teuren Hightech-Panzer, auf die die FDP-Politikerin vermutlich anspielt, ziehen sich bereits über viele Jahre. Statt 2010 wurde der neue Panzer erst 2015 ausgeliefert. Von Beginn an gab es Probleme, beispielsweise mit eindringendem Wasser. Bei einer Einsatzprüfung im Juli 2020 wurden laut Bundeswehr „teilweise erhebliche Mängel festgestellt, die Fähigkeiten des Systems waren deutlich eingeschränkt“. 4 Im März 2021 hatte der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, jedoch die Gefechtstüchtigkeit der nachgerüsteten Pumas festgestellt. Im April dieses Jahres sagte Verteidigungsministerin Lambrecht, dass zumindest 150 der insgesamt 350 Puma-Panzer einsatzbereit seien. Zuletzt seien die Tests der Pumas auch sehr ermutigend verlaufen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. „Wir haben intensiv geübt im vergangenen Jahr. Woran es lag, dass gerade bei dieser Übung die Ausfälle stattgefunden haben, müssen wir jetzt herausfinden“, so ein Sprecher des Ministeriums. 5

Lambrecht zieht die Reißleine

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht musste angesichts des jüngsten Debakels handeln. Der Auftrag für weitere 50 Exemplare des Pannen-Panzers ist erst einmal auf Eis gelegt, eine detaillierte Untersuchung der Ursachen für den Ausfall der Panzer veranlasst. Auch musste die SPD-Politikerin einsehen, dass diese nicht ab dem 1. Januar als Teil der schnellen Eingreiftruppe eingesetzt werden können. Das teure Prestigeobjekt Puma will sie jedoch noch nicht aufgeben. Sie erwarte nun von der Industrie, dass sie zügig Verlässlichkeit herstelle, indem sie die fehlerhaften Pumas instandsetze und darüber hinaus neue Konzepte vorlege. Wenn das aber nicht innerhalb weniger Wochen funktioniere, müssten andere Entscheidungen her, so Lambrecht. „Die Industrie ist in der Pflicht. Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen oder ihn eben abbrechen, wenn es sein muss.“ 6

Dass Schadensbegrenzung nottut, ist offensichtlich. Aber eingedenk der langen und wenig ruhmreichen Geschichte des Puma-Panzers sollte vielleicht ein generelles Umdenken in puncto Ausrüstung passieren. Bewährte Modelle weiterentwickeln, statt auf die „Goldrandlösung“ zu setzen, beispielsweise. Das Neuste vom Neusten bringt nämlich auch neue Probleme mit sich, vor allem durch die voranschreitende Computerisierung der Systeme. Gegenüber der Berliner Zeitung bringt es Oberst a.D. Wolfgang Richter auf den Punkt: „Wie weit will man mit der Computerisierung moderner Waffensysteme gehen und wo wird es gefährlich, sodass der Fahrer den Panzer lieber doch manuell steuern soll? Was nützt die ganze moderne Technik, wenn die Panzer nicht zuverlässig sind?“ Hinzu komme, dass die Soldaten, die die Panzer im Einsatz bedienten, bei Ausfällen nicht viel ausrichten könnten, denn dafür brauche es Spezialisten. Früher habe die Bundeswehr noch genügend eigene Instandsetzungskapazitäten gehabt, heute werde die Beseitigung der Probleme der Industrie überlassen, und diese sei im Gefecht nicht vor Ort, so Richter. 7

Umschulung der Soldaten innerhalb von Wochen nicht möglich

Vorerst heißt es also, wenig glamourös mit 50 Jahre alten Panzern losziehen. Der Umstieg auf den Marder-Panzer bringt neben dem Image-Schaden aber noch ganz andere Probleme mit sich. Wie ein Sprecher der Bayerwaldkaserne im niederbayerischen Regen, aus der alle achtzehn Puma-Panzer stammen, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erläuterte, sind die Soldaten des Panzergrenadierbataillons Regen nämlich ausschließlich auf diesen Panzertyp geschult und könnten nicht an dem ab 1. Januar 2023 laufenden VJTF-Einsatz teilnehmen. Eine Umschulung auf den älteren Marder-Panzer sei nicht innerhalb von zwei Wochen möglich, so der Sprecher. Es sei nicht „wie von einer Automarke auf die andere zu wechseln“. 8

Puma-Panne nur ein Symptom für eine marode Bundeswehr?

Die Berichte über den Totalausfall der Puma-Panzer lassen unwillkürlich an die G36-Gewehre denken, mit denen sich die Bundeswehr vor nicht all zu langer Zeit zum Gespött gemacht hatte und die schließlich aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Doch auch ganz aktuell hat die Truppe trotz des kürzlich erst gewährten Sondervermögens mehr Sorgen als nur die fehlerhaften Hightech-Panzer. So berichtet die Bild unter Berufung auf ein vertrauliches Papier des Bundesverteidigungsministeriums, dass ein Großteil der Artilleriegeschütze des Typs Panzerhaubitze 2000 derzeit nicht einsatzbereit sei. Zur Verfügung stünden demnach nur 73 der insgesamt 105 Exemplare, einsatzbereit seien davon nur etwa 36. Weiter heißt es, dass am 2. Dezember 18 Panzerhaubitzen 2000 in der „Werksinstandsetzung bei der Industrie“ gewesen seien, und es sei unklar, wie viele der 36 einsatzbereiten Exemplare darunter gewesen seien. 9

Von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen habe die Bundeswehr bisher warme Socken und etwas mehr persönliche Ausrüstung bekommen, merkt die Zeit an. Bis die im Dezember bestellten Großwaffensysteme, das neue Sturmgewehr und die digitalen Funkgeräte ankämen, werde es einige Jahre dauern. 10 „Die Bundeswehr – immer noch ein Bild des Jammers“ attestiert auch der Herausgeber der FAZ, Berthold Kohler, in einem aktuellen Kommentar und erinnert an die Worte des Bundeskanzlers in seiner Rede von der Zeitenwende: „Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind. Darum geht es, und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa.“ 11 Offenbar geht es doch nicht, es sei denn, es verändert sich Grundsätzliches. Die Frage sollte aber erlaubt sein, ob die Bundesrepublik ihren NATO-Verpflichtungen auf Teufel komm raus nachkommen muss und ob die vielen Milliarden, die in die immer noch nicht gefechtstaugliche Ausrüstung der Truppe investiert wurden und werden, angesichts der gegenwärtigen Krisensituation nicht in anderen Bereichen sinnvoller eingesetzt wären.

Quellen

1 https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/aktuelles/schuetzenpanzer-puma-technischer-quantensprung-5037928

2 https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_100099962/zu-viel-araberhengst-im-schuetzenpanzer-puma-schrott-fuer-sechs-milliarden-.html

3 https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/puma-panzer-bundeswehr-105.html

4 https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/auftrag/vjtf-2023/vjtf-puma

5 https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_100099962/zu-viel-araberhengst-im-schuetzenpanzer-puma-schrott-fuer-sechs-milliarden-.html

6 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/verteidigungsministerin-lambrecht-panzer-puma-forderung-industrie-100.html

7 https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/bundeswehr-panzer-ganz-ueble-entwicklung-militaer-experte-oberst-wolfgang-richter-bringt-die-puma-panne-auf-den-punkt-li.299335

8 https://www.br.de/nachrichten/bayern/kaputte-puma-panzer-stammen-grossteils-aus-bayerwaldkaserne-regen,TQTXOse

9 https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bericht-grossteil-der-panzerhaubitzen-2000-nicht-einsatzbereit,TQXJHs2

10 https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-12/bundeswehr-panzer-puma-christine-lambrecht-nato-verteidigungsministerium/seite-2

11 https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/panzer-probleme-die-puma-pleite-ist-peinlich-fuer-deutschland-18546212.html

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