„Totaler Bullshit“: Abhöraffäre in Polen weitet sich aus

(23.06.2014/dpa)

Die vor einer Woche bekannt gewordene  Abhöraffäre bedroht nach Ansicht von Polens Regierungschef Donald Tusk die Stabilität des Staates. Alles weise auf eine „geplante Aktion“ hin, die nicht den Ruf der regierenden Partei schädigen, sondern den Staat in einem kritischen Moment der Lage Europas und der Ukraine lähmen solle, sagte Tusk am Montag in Gdansk (Danzig). Gleichzeitig betonte er, er werde „keine Konsequenzen gegen Politiker ziehen, deren Sünde unzensierte Äußerungen während eines vertraulichen Gesprächs sind“.

Das polnische Nachrichtenmagazin Wprost  hatte am vergangenen Montag mit dem Abdruck eines illegal aufgezeichneten Gesprächs zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Nationalbankchef Marek Belka die Abhöraffäre bekannt gemacht. Dabei ging es unter anderem um eine von Belka geforderte Entlassung Rostowskis und Unterstützung der Nationalbank bei der Haushaltskonsolidierung. Die Affäre brachte die Regierung von Donald Tusk in eine schwere Krise.

Das Blatt will diesen Montag erneut brisante Aufnahmen des Lauschangriffs  veröffentlichen, die einen Einblick darüber geben, was Politiker und Minister  abseits des diplomatischen Parketts denken und sagen. „Das polnisch-amerikanische Bündnis ist nichts wert. Totaler Bullshit“, soll Außenminister Radoslaw Sikorski dem ehemaligen Finanzminister Jacek Rostowski gesagt haben, wie polnische Medien am Sonntag aus einer Vorabveröffentlichung des Magazins zitierten. „Wir haben Konflikte mit den Deutschen, mit Russland, und wir tun so, als sei alles super, weil wir den Amerikanern einen Gefallen tun. Totale Verlierer.“ Das Gespräch sei Ende Januar oder Anfang Februar geführt worden.

Die Regierung wollte zu den Vorabberichten keine Stellung nehmen. Einen Kommentar werde es erst nach der Veröffentlichung des neuen Wprost-Artikels am Montag geben. Ein Anwalt des Magazins hatte der Staatsanwaltschaft bereits am Samstag das Material mit den illegal aufgezeichneten Aufnahmen übergeben. Die Wprost-Journalisten hatten sich zuvor geweigert, die Aufnahmen auszuhändigen, so lange nicht sicher war, ob die Anonymität ihres Informanten garantiert war.

Vorzeitige Wahlen in Polen werden nicht mehr ausgeschlossen. Der nationalkonservative Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski will am Montag mit den übrigen Oppositionsparteien Gespräche über ein Misstrauensvotum gegen Tusks Regierung führen. Leszek Miller, Chef der Linkspartei SLD, appellierte am Sonntag an Tusk, selbst die Vertrauensfrage zu stellen.

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