Tumulte im Parlament: Berlusconi macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

(31.03.2011/hg)

Zu Tumulten kam es im italienischen Parlament im Zusammenhang mit einem Gesetzesentwurf, der laut Vorwürfen der Opposition Staatschef Berlusconi vor der Justiz schützen soll. Die linke Opposition kritisiert das geplante Gesetz, mit dem Verjährungsfristen für Nicht-Vorbestrafte verkürzt werden, als maßgeschneidert: Es diene einzig dazu, Berlusconi vor seinen Prozessen zu schützen. Die Regierung hält dagegen, dass die italienische Justiz mit ihren unendlich lange dauernden Prozessen dringend einer Reform bedürfe, weshalb der Gesetzentwurf auch als „Processo breve“ (Kurzer Prozess) bezeichnet wird.

Abgeordnetenhauspräsident Gianfranco Fini, der seit seinem Bruch mit Berlusconi im Juli vergangenen Jahres von der Regierungsmannschaft als Gegner empfunden wird, wurde am Donnerstag von einer geschleuderten Zeitung am Kopf getroffen. Justizminister Angelino Alfano bewarf einen Oppositionspolitiker mit seinem Parteiausweis. Die erwartete Abstimmung musste vorübergehend aufgeschoben werden.

Sollte das Gesetz verabschiedet werden und dann in wenigen Wochen auch erwartungsgemäß den Senat passieren, hat dies direkte Konsequenzen für Berlusconi. Mindestens zwei gegen ihn laufende Verfahren wären mit der Verwirklichung des Vorhabens vom Tisch. Dabei handelt es sich um den Prozess wegen Bestechung des britischen Anwalts David Mills und das Mediasetverfahren, in dem es um Steuervergehen beim Verkauf von Film- und TV-Rechten geht.

Mills soll laut Ermittlungen in Berlusconis Auftrag ein Netzwerk von rund 40 Geheimfirmen und unzähligen Schwarzgeldkonten aufgebaut sowie ein Parallelkonzern neben dem 1974 gegründeten offiziellen Unternehmen Fininvest errichtet haben.

Mittels Scheinverträgen, die regelten wie TV-Senderechte zwischen einzelnen Firmen der Fininvest hin- und hergeschoben wurden, soll er die Senderechte um 150 Millionen Euro aufgebläht haben. Die britische Polizei fand in seinem Büro in London Akten die belegen, dass er dadurch die Schwarzgeldkonten seines Mandaten Berlusconi um 45 Millionen Euro bereicherte.

Übrig blieben in dem Fall der Verabschiedung des Entwurfs für Berlusconi „nur“ das Mediatrade-Verfahren um Steuervergehen, das noch im Vorprozess steckt, und der Fall „Ruby“. Dieser Prozess gegen den 74-Jährigen italienischen Premier um Amtsmissbrauch und Sex mit dem minderjährigen marokkanischen Escortgirl „Ruby“ beginnt am kommenden Mittwoch in Mailand und sorgt reichlich für Schlagzeilen.

In seinen vorherigen Amtszeiten hatte Berlusconi immer wieder Gesetze verändert, um sich der Strafverfolgung der Justiz entziehen zu können, deren Vertreter er zuweilen wüst beschimpft hatte. Berlusconi, der sich selbst gerne als Law-and-Order-Mann darstellt, hat seine Karriere vor allem der Missachtung der Gesetze zu verdanken. Grundlage seines Erfolgs bildete seine Mitgliedschaft in der Freimaurerloge Propaganda Due (P2), einem konspirativen Netzwerk aus Spitzen der Politik, Wirtschaft, Militär, Geheimdiensten und der Mafia.(1) Die P2-Loge plante einen Staatsstreich und war an verschiedenen Terroranschlägen in Italien in den 1970er Jahren beteiligt, die im Rahmen der „Strategie der Spannung“ begangen wurden. (2) Anfang der 1980er Jahre fanden Ermittler bei Logenchef Licio Gelli eine Mitglieds-Liste mit über 900 Namen. Darunter drei amtierende Leiter der italienischen Geheimdienste sowie der damalige Premierminister Arnaldo Forlan. Die P2-Loge
wurde nach Angaben des CIA-Mitarbeiters Richard Benneke monatlich mit bis zu zehn Millionen US-Dollar von der US-Regierung unterstützt. Die P2-Aktivitäten unterlagen der Oberaufsicht der USA. Henry Kissinger, damals Außen- und Sicherheitsberater der USA und Alexander Haig, Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat der USA, gaben Gelli 1969 grünes Licht für die Rekrutierung von 400 hohen italienischen und NATO-Offizieren in die Loge.(3) Berlusconi leugnete seine P2-Mitgliedschaft und wurde aufgrund dessen wegen Meineids veruteilt, nachdem ihm dieser nachgewiesen wurde. Der Grundstein für sein heutiges Medien-Imperium wurde in der Zeit seiner Logen-Mitgliedschaft gelegt.

Anmerkungen

(1) Zur P2-Loge siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_Due

(2) Zur „Strategie der Spannung“ siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Strategy_of_tension

(3) Regine Igel, „Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien“, München 2006

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