Gesundheitspolitik

Vor Abstimmung über Pandemieabkommen: WHO warnt vor Vogelgrippe

WHO-Chefwissenschaftler: Übergreifen des Vogelgrippe-Virus auf Menschen möglich / Gefahr verlange präventive Entwicklung von Impfstoffen / Wissenschaftler war zuvor zehn Jahre für pharmafinanzierte Stiftung tätig

Flagge der WHO in Genf (Archivfoto von 2012)
Foto: U.S. Mission Photo by Eric Bridiers, Lizenz: CC BY-ND, Mehr Infos

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Der Chefwissenschaftler der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Jeremy Farrar hat vor einem Übergreifen des Vogelgrippe-Virus von Säugetieren auf Menschen gewarnt. Anschließend könnte sich das Virus möglicherweise von Mensch zu Mensch verbreiten, sagte Farrrar auf einer Pressekonferenz in Genf. (17. April) Anlass war der Fall einer Person in Texas, die sich bei infiziertem Milchvieh angesteckt habe. Nachdem das Virus H5N1 ausgehend von Vögeln und Geflügel auch Säugetiere infiziert habe, sei die große Sorge, dass das Virus mutiere und die Fähigkeit entwickele, Menschen zu infizieren.

Laut Farrar drohe dann eine „extrem hohe Mortalitätsrate“ von mehr als 50 Prozent. Diese Angabe beruht auf den knapp 900 Fällen, die von der WHO in den vergangenen 20 Jahren in 23 Ländern laborbestätigt erfasst wurden. Obwohl noch kein Fall einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt sei, forderte Farrar die präventive Entwicklung von Diagnoseinstrumenten und Impfstoffen, um im Falle einer Übertragung von H5N1 auf den Menschen sofort allen einen gleichberechtigten Zugang dazu zu verschaffen.

Angesichts bevorstehender „immer komplexerer und häufigerer Epidemien und Pandemien” rief Farrar Mediziner und Wissenschaftler dazu auf, zusammenzuhalten. „Wir verwenden dieselbe Terminologie, dieselbe Sprache, und jetzt müssen wir die Wissenschaft betreiben, die die Nachweise für (…) Erreger der Atemwege liefert, damit wir wissen, wie wir diese Infektionen besser kontrollieren können, als wir es in der Vergangenheit getan haben.“

Vor seiner Ernennung zum Chefwissenschaftler der WHO war Farrar von 2013 bis 2023 Direktor des Wellcome-Trusts. Dieser ist mit einem Vermögen von 38 Milliarden US-Dollar eine der weltweit reichsten Stiftungen, deren Vermögen aus dem Pharmakonzern Burroughs Wellcome & Company stammt. Die Stiftung investiert in Gesundheitsforschung. Der Wellcome Trust gründete zusammen mit der Gates-Stiftung die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations CEPI, in deren Vorstand er war. Der US-Journalist Tim Schwab recherchierte, dass der Wellcome Trust während der Corona-Krise Therapeutika, Tests und Impfstoffe propagierte, an deren Herstellerfirmen er selbst beteiligt war.

Die Warnung vor einer möglichen neuen und gefährlicheren Pandemie erfolgt einige Wochen vor der Gesundheitsversammlung der WHO. Ende Mai sollen die 194 Staatenvertreter über einen neuen Pandemievertrag sowie über die geänderten Internationalen Gesundheitsvorschriften abstimmen, um die Welt laut WHO besser auf Pandemien vorzubereiten. Diese Vorbereitung soll unter anderem durch die Bereitstellung „pandemiebezogener Produkte“, wie Tests, Impfstoffe und Medikamente erfolgen.

Juristen und Experten für öffentliche Gesundheit kritisieren in einem Offenen Brief an die WHO einen Verstoß gegen die vorgeschriebenen Fristen zur Vorlage der Abstimmungsdokumente. Es fehle den Staatenvertretern die nötige Zeit, um die Inhalte, Reichweite und Implikationen der Verträge vor der Abstimmung zu erfassen, betonte die Verwaltungsjuristin und WHO-Expertin Silvia Behrendt kürzlich im Interview mit Multipolar. Sie verweist auf das in den Verträgen zugrunde liegende neue Konzept des öffentlichen Gesundheitsnotstandes, das ein politisches und kein medizinisch-wissenschaftliches sei.

Der Ökonom Jean Merlin von Agris, der die Verträge im Rahmen seiner Dissertation untersucht, stellte fest, dass im aktuellen Textentwurf der Begriff der Pandemie durch „Erreger pandemischen Potentials“ ersetzt worden ist. Er sieht die Gefahr, „das Pandemieabkommen zu einem Abkommen über jeden Erreger zu machen, der ‚das Potential hat‘, ein internationales Gesundheitsrisiko darzustellen.“ Es sei nicht verwunderlich, dass viele Menschen hierin ein bestimmtes Missbrauchspotential sehen, erläuterte der Forscher von der Universität Leeds. Zudem hätten ausgerechnet diejenigen, die Milliarden für die Bekämpfung von Pandemien einsammelten, offenbar „keine klare Vorstellung, was eine Pandemie überhaupt ist“.

Der Arzt und Experte für öffentliche Gesundheit, David Bell, hebt hervor, die Abkommen würden „die internationale öffentliche Gesundheit grundlegend verändern, indem sie den Schwerpunkt von häufigen endemischen Krankheiten auf relativ seltene Ausbrüche neuer Krankheitserreger verlagern und eine Industrie aufbauen, die sich möglicherweise selbst erhält.“ Der Epidemiologe Wolfgang Wodarg, einer der maßgeblichen Aufklärer zur Schweinegrippepandemie, sieht keinen Grund für Angst und hektische Aktivitäten gegen einzelne Viren, erklärte er auf Multipolar-Anfrage. Hinter der aktuellen Warnung sieht Wodarg erneut geschäftliche Interessen.

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