Westerwelle will Freihandelsabkommen mit Indien

(10.04.2013/dpa)

Zum Auftakt von deutsch-indischen Regierungskonsultationen haben sich die Außenminister für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien stark gemacht. Für beide Seiten wäre ein solcher Vertrag ein „wegweisender Schritt zu mehr Wachstum“, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Mittwoch in Berlin. Sein indischer Kollege Salman Khurshid mahnte einen größeren „politischen Willen“ für einen baldigen Abschluss der Verhandlungen an. Die Gespräche laufen bereits seit 2007.

Zu den Regierungsgesprächen, die abwechselnd in einem der beiden Länder stattfinden, wurde am Abend auch Indiens Premierminister Manmohan Singh bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. Die eigentlichen Konsultationen unter Leitung der beiden Regierungschefs finden dann am Donnerstag statt. Beide Länder gehören der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) an. Mit zusammen mehr als 1,8 Milliarden Menschen stellen Indien und die Europäische Union (EU) ein Viertel der Weltbevölkerung.

Innerhalb der EU ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner. Im weltweiten Vergleich liegt die Bundesrepublik aber nur auf Platz acht. Das bilaterale Handelsvolumen betrug 2011 annähernd 18,4 Milliarden Euro. Davon entfielen 10,9 Milliarden auf Exporte nach Indien und 7,5 Milliarden auf Importe. Wichtigste deutsche Ausfuhrgüter waren Maschinen, Elektrotechnologie, Metallwaren, chemische Erzeugnisse, Autos und Fahrzeugteile.

Von einer Partnerschaft auf Augenhöhe kann allerdings nicht die Rede sein, da das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des zweitbevölkerungsreichsten Landes der Erde, in dem fast 800 Millionen Menschen in Armut leben, gerade einmal ein Zehntel des BIP der Europäischen Union ausmacht.

Gegen das Freihandelsabkommen wächst der Widerstand, sowohl in Indien als auch der EU.  Vor dem EU-Parlament in Brüssel demonstrierten am Dienstag Aktivisten verschiedenster Organisationen.

„Als medizinische Hilfsorganisation sind wir über die diskutierten Regelungen besorgt, die den Zugang zu erschwinglichen, hochwertigen Medikamenten erschweren würden“, sagte Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Die Regelungen in dem Abkommen gingen so weit, dass Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen belangt werden könnten, weil sie bestimmte generische Medikamente verwendeten, warnte er. (1)

Bei den Gesprächen zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Indien habe die Politik auf beiden Seiten die politische Agenda „faktisch an die großen Unternehmenslobbys übergeben“, kritisiert die Organisation Lobby Control.  Ergebnis sei ein Abkommen mit „Vorfahrt für die Großkonzerne, das die Existenzen von Millionen von Bauern, Straßenhändlern und Bauern aufs Spiel setzt“. (2) Das weise eine aktuelle Studie des Corporate Europe Observatory nach. (3)

Die mit dem Freihandelsabkommen verbundene Abschaffung von Zöllen auf landwirtschaftliche Produkte würde die Existenz von Millionen Bauern in Indien und der EU aufs Spiel setzen, so die indische Bauernvertreterin Dr. Sagari Ramdas. „90 Prozent der Bauern sind marginalisierte Kleinproduzenten. Ihre Existenz hängt ausschließlich an der Landwirtschaft. Ein Freihandelsabkommen, wie es derzeit diskutiert wird, würde ihre Lebensgrundlage mächtig zerrütten. Das zeigt das Beispiel Milch. Im Jahr 2002 senkte Indien die Zölle für Milchprodukte auf Null. Butter und Milchpulver, auch exportsubventioniert, gelangte aus der EU auf unseren Markt und drückte den Milchpreis derart nach unten, dass die Zölle wieder eingesetzt worden sind. Derzeit sind es 30 Prozent. Eine erneute Marktöffnung im Milchbereich hätte also fatale Auswirkungen“, erklärte Ramdas in einem Interview. (4)

Anmerkungen

(1) http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/53986/Generikaproduktion-Proteste-gegen-Freihandelsabkommen-mit-Indien

(2) http://www.lobbycontrol.de/2010/09/neue-ceo-studie-wie-das-freihandelsabkommen-mit-indien-von-der-grosindustrie-beeinflusst-wurde/

(3) http://www.corporateeurope.org/global-europe/content/2010/09/eu-india-trade-invaders

(4) http://www.abl-ev.de/spezialseiten/abl-artikel/details/browse/4/article/indien-wachsender-widerstand-gegen-eu-freihandelsabkommen.html?tx_ttnews[backPid]=226&cHash=1149866560515025b5b651810aa62925

Drucken

Drucken

Teilen