„Woodstock der freien Presse“: In Italien demonstrierten Hunderttausende gegen die Medienpolitik Belusconis.
(05.10.2009/dpa/tw)
Bis zu 300.000 Menschen haben am vergangenen Sonnabend in Rom für die Freiheit der Medien und gegen das Informationsmonopol des italienischen Medienzaren und Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi demonstriert.
Sie warfen dem Politiker vor, eine kritische Berichterstattung über sein pikantes Privatleben unterdrücken zu wollen. „Nein zum Informations-Maulkorb“, hieß einer der Slogans auf der Kundgebung, zu der der nationale Journalistenverband FNSI aufgerufen hatte.
Nach seinen Angaben nahmen rund 300.000 Menschen an der Protestaktion teil, die römische Polizei sprach dagegen von nur 60.000. Berlusconi tat die Kundgebung als „absolute Farce“ ab, die Medien in Italien seien frei. „In Italien gibt es große Medienfreiheit, es gibt vor allem aber Verleumdungsfreiheit“, so sein Außenminister Franco Frattini in einem Bericht des östereichischen Standard am Montag.
“Wir kämpfen für die Freiheit, ungestört die Wahrheit schreiben zu dürfen, ohne dass wir Erpressungen oder Drohungen ausgesetzt sind“ , zitiert das Blatt dagegen Roberto Savian, den Autor des Mafia-Bestsellers Gomorrha. Der unter Polizeischutz stehende Journalist war mit einer Ovation von den aus allen Landesteilen angereisten Demonstranten begrüßt worden.
Als ein kleines „Woodstock der freien Presse“ bezeichnete der Sekretär der Journalistengewerkschaft, Franco Siddi, die Demonstration.
Parteienvertreter durften das Podium nicht betreten. Am Rande der Kundgebung wurde auch Kritik an der Politik der Linksparteien laut, so der Standard. Der Regisseur Nanni Moretti sagte, die Linke habe “in 15 Jahren gegenüber Berlusconi “ununterbrochen schwere politische Fehler begangen”.
Auslöser der Proteste waren Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe, mit denen Berlusconi gegen die linken Zeitungen „La Repubblica“ und „L’Unità“ vorgeht. Die Blätter hatten über seine Sex-Affären und wilden Feste berichtet.
Für die Journalisten handelt es sich um einen Versuch, sie zum Schweigen zu bringen. In ihrem Protest werden sie von etlichen Kulturschaffenden und Intellektuellen unterstützt. Die Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, Doris Lessing und Elfriede Jelinek stellten sich hinter die betroffenen Zeitungen und traten für Meinungsfreiheit ein.
Auch in anderen europäischen Hauptstädten wie Paris und London gab es – kleinere – Aktionen gegen eine Einflussnahme des Medienzaren auf die italienische Presse und das öffentlich-rechtliche Fernsehen.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte die Anti-Berlusconi-Protestaktion. “Die ständigen Versuche Berlusconis, Presse und Rundfunk gefügig zu machen, sind mit den Grundprinzipien von Meinungsfreiheit und Demokratie nicht vereinbar“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Er wünschte den italienischen Kollegen viel Erfolg. Konken erinnerte daran, dass der italienische Journalist Marco Travaglio für sein mutiges Engagement gegen die Versuche der Einflussnahme Berlusconis auf die Medien in diesem Jahr den DJV-Preis der Pressefreiheit erhalten hat.
Unterdessen wurde Berlusconis Fininvest-Konzern in Mailand in erster Instanz zur Zahlung eines Schadenersatzes von 750 Millionen Euro an den Verleger Carlo De Benedetti, verurteilt, berichtete der „Corriere della Sera” am Sonntag.
Der Streit geht auf das Jahr 1991 zurück, als der damals noch von Berlusconi selbst geleitete Konzern vom römischen Berufungsgericht die Kontrolle über das Mondadori-Unternehmen zugesprochen bekam. Das Nachsehen hatte dabei der Konkurrent, die CIR-Holding von Carlo De Benedetti.
Der Deal war aber durch die Bestechung eines Richters erkauft worden. Berlusconi wurde wegen Verjährung in der Sache nicht belangt.
Seine Familie baute mit dem Geschäft ihren Einfluss im Printmedien- und Verlagsbereich aus, der Rivale De Benedetti bekam die römische Zeitung „La Repubblica“ und das Magazin „L’Espresso“ – heute die schärfsten Kritiker des Ministerpräsidenten.
Der Urteilsspruch muss sofort umgesetzt werden.