Medien

Das Verteidigungsministerium bucht eine millionenschwere Bundeswehr-Werbekampagne bei Bild

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 24. Februar 2011 –

Dass K.T. zu Guttenberg weiterhin Verteidigungsminister bleiben darf, liegt vor allem an seiner Beliebtheit in der Bevölkerung. Diese kommt nicht von ungefähr, sondern basiert auf einer Medienkampagne, in der Guttenberg als Lichtgestalt präsentiert wurde. Allen voran erteilte die  Springer-Presse dem Minister politische Absolution. Als Belohnung wird Guttenbergs Ministerium demnächst eine umfangreiche Anzeigenkampagne in der Bild-Zeitung schalten lassen.

Selbst nachdem Guttenberg der Lüge und des Betrugs überführt wurde, ist seine Beliebtheit weitgehend ungebrochen. Zu verdanken hat er das vor allem der Bild und anderen Publikationen aus dem Hause Springer, in denen der Leserschaft die Hintergründe und das Ausmaß der guttenbergschen Schwindeleien vorenthalten werden. Stattdessen wird die von der CDU/CSU-Führung verbreitete Sprachformel von einigen falsch gesetzten Fußnoten und handwerklichen Fehlern kolportiert.

Heute titelt die Bild „Wir stehen zu Guttenberg“ und bezieht sich auf eine eigens unter ihrer Leserschaft durchgeführten Umfrage, derzufolge sich 87 Prozent für den Verbleib Guttenbergs in seinem Amt als Verteidigungsminister aussprechen.

Die Propaganda-Kampagne zur Rettung des Ehrenwort-Brechers trägt Früchte, zumindest unter der eigenen Leserschaft, die ja bekanntlich die größte Deutschlands ist. Die Propaganda ist so erfolgreich, dass sich die („Not“-)Lüge noch als Tugend verkaufen lässt. Schließlich habe er, so Guttenberg gestern in einer aktuellen Stunde des Bundestags, seine Fehler eingeräumt, selbstlos auf seinen Titel verzichtet und somit einen vorbildlichen Umgang an den Tag gelegt, von dem sich andere noch eine Scheibe abschneiden sollten. Die akademische Welt wäre eine bessere in Deutschland, wenn sie sich an ihm, dem Leuchtfeuer der Selbstkritik, orientieren würde.

Die Überführung der Lüge zum Beweis der Ehrlichkeit. Die eingestandene Unanständigkeit als Beweis des Anstands. Ob solch eine Dialektik in Deutschland zukünftig Karriere machen wird? Man denke an den Ladendieb, der beim Klauen erwischt wird und gesteht, er habe nur die Sicherheitsvorkehrungen des Ladens überprüfen wollen. Schließlich sei es im Interesse der ehrlichen Kundschaft, dass sich Diebstahl nicht lohnt. Er sei so gesehen der ehrlichste aller Kunden.

Damit würde kein Ladendieb vor Gericht durchkommen, aber die Mehrheit der Bild-Leserschaft lässt den Verteidigungsminister mit einer ähnlichen Argumentation passieren. Man lese und staune im Angesicht der Kommentare, die die Bild zur Unterstützung des Plagiators veröffentlicht hat. (1)

„Ein Titel macht noch lange keinen guten Politiker. Was wirklich zählt, sind Ehrlichkeit und Charakterstärke“, schreibt eine Doktorin. Sie sollte es schließlich wissen. „Sie vertreten unsere Werte so glaubhaft wie kein anderer“, glaubt ein bayerischer Geschäftsführer. Eine Unternehmerin meint: „Wir hatten schon Minister, die in jungen Jahren mit Steinen geworfen haben. Was Herr zu Guttenberg getan hat, ist dagegen harmlos. Deshalb muss er bleiben!“  Eine Argumentation, die auch ein Ladendieb in seinem Plädoyer vor Gericht aufnehmen sollte: „Hohes Gericht, gestern wurde hier ein Mord verhandelt. Was ich dagegen getan habe, ist harmlos. Deshalb müssen sie mich laufen lassen.“

Eine andere Bild-Leserin fabuliert Guttenberg schon zu einem Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Tyrannei: „Im Dritten Reich musste mein Vater ins Gefängnis, weil er sich für die Wahrheit eingesetzt hat. Auch heute haben in Deutschland nur wenige den Schneid, eigene Fehler einzugestehen. Herr Guttenberg hat das getan.“

Offenbar kann nichts das Bild des unfehlbaren Guttenberg erschüttern, der gerade deshalb als unfehlbar gilt, weil er Fehler eingestanden hat – freilich nur scheibchenweise und erst nachdem ihm nichts anderes übrig blieb, als die zuvor noch als „abstrus“ bezeichneten Vorwürfe anzuerkennen.

Dem Schweiz-Magazin drängte sich angesichts des Fanatismus der Guttenberg-Fangemeinde eine historische Parallele auf: „Hitler und der Freiherr von Guttenberg lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen. (…) Doch aber gibt es Parallelen und die finden sich bei den Anhängern. Die Verehrer Hitlers waren blinde Gefolgsleute die ihr Idol anhimmelten und sich bedingungslos unterwarfen. Sie ließen keine Kritik an ihrem Helden zu und waren bereit jede Schlechtigkeit zu ignorieren oder als gerechtfertigt anzusehen.

Ähnlich verhält es sich dieser Tage mit dem Freiherrn zu Guttenberg. Egal wie falsch Entscheidungen als Wirtschaftsminister gewesen sein mögen, im Krieg gegen Afghanistan oder im Fall des Segelschulschiffes Gorch Fock und zuletzt in der Plagiat-Affäre, seine Anhänger folgen in der gleichen blinden und kritiklosen Verehrung wie sie auch Hitler zuteil wurde. Jede politische Entscheidung wird von ihnen ungeprüft abgesegnet, sie verdrehen Unrechtes ins Gegenteil und verharmlosen das Vorgefallene und vermuten hinter jedem öffentlichen Zweifel an ihrem ‚Führer’ geheime Aktionen linker Bünde.“ (2)

Der Einsatz  der Springer-Presse für den Minister von und zu zahlt sich aus für die Bundesregierung. Nun wird zurückgezahlt. Wie die Financial Times Deutschland berichtete, plant das Verteidigungsministerium mit Blick auf die Aussetzung der Wehrpflicht eine große Werbekampagne für den Dienst in der Truppe. (3) Ab März soll sie in der Bild, Bild am Sonntag und Bild-Online anlaufen. Zu den Kosten wurden keine Angaben gemacht, von einem mindestens siebenstelligen Betrag kann man aber ausgehen. Dagegen sind die 8.997 US-Dollar, mit denen man sich auf Facebook 200.000 Fans erkaufen und anschließend sogleich medial als in diesem Ausmaß unerwartetes und überraschendes Resultat einer überwältigenden Solidarität mit  Dr. Googleberg verkaufen kann, nichts anderes als Peanuts.  Zumindest glauben das einige, denen der Steilflug der Facebook-Seite Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg verdächtig vorkommt. (4) Doch wenn man bedenkt, dass über 200.000 Bild-Leser ihre Unterstützung für Guttenberg zum Ausdruck gebracht haben, so lässt sich der Erfolg der Facebook-Seite auch ganz ohne gekaufte Stimmen erklären: auch Springers Lesegemeinde verfügt über Internet-Anschlüsse.


Anmerkungen

(1) http://www.bild.de/BILD/politik/2011/02/24/guttenberg-entscheid-deutschland/86-prozent-ja-stimmen-leser-stehen-zu-guttenberg.html

(2) http://www.schweizmagazin.ch/panorama/6090-Die-Hitler-Guttenberg-Parallelen.html

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(3) http://www.ftd.de/politik/international/:aussetzung-der-wehrpflicht-bundeswehr-plant-werbekampagne-bei-bild/60016285.html

(4) http://hamlethamster.wordpress.com/2011/02/22/zu-guttenberg-facebook-fans-uber-das-wochenende-hektisch-zusammengekauft/

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