Die Informationswelt in Käfighaltung
Eine Momentaufnahme von den Fronten des Informationskrieges
Foto: guvo59; Quelle: pixabbay; LizenzEinst war es östlich der Leitha der Standard: Wenn uns ein westliches Presseprodukt in die Hände fiel, wurden wir beinahe emotional. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgten wir das körnige Bild des österreichischen Fernsehens, das wir mit selbst gebastelten Antennen „einfingen“. Wer hätte gedacht, dass uns bestimmte Veränderungen in den westlichen Medien eines Tages an die Sowjetzeit erinnern würden? Und schon gar nicht, dass mitten im Informationskrieg Telegram, gegründet von dem russischen Emigranten Pawel Durow, vielleicht zur zuverlässigsten Quelle avancieren würde.
Pawel Durows Verhaftung in Paris hat in den Medien keine große Empörung ausgelöst. Dabei verdeutlichen die Geschehnisse um den Gründer und Eigentümer von Telegram perfekt, dass auch die sogenannte demokratische Welt Gesellschaften an der kurzen Leine halten möchte. Dieses Bestreben überschreibt sogar das hehre Ideal der Meinungsfreiheit. Der Vorfall wirft auch ein düsteres Zukunftsbild voraus, in dem die Macht, die Informationen kontrolliert, keine alternativen Meinungen mehr duldet. Es ist geradezu beunruhigend, dass selbst die Presse von der Pariser Verhaftung kaum Notiz nahm. Wo sind in solchen Momenten die Menschenrechtsaktivisten, die sich um die Meinungsfreiheit sorgen?
Durow wird vorgeworfen, auf seiner Plattform Kriminellen die Kommunikation ermöglicht und damit Terrorismus, Drogenhandel, Geldwäsche und Pädophilie unterstützt zu haben. Doch seien wir ehrlich: Der wahre Grund für die Verhaftung ist, dass die französischen Behörden auf Telegram nicht zugreifen können. Elon Musk ist noch auf freiem Fuß, aber hätte Donald Trump verloren, wäre er wahrscheinlich der Nächste gewesen. Vergessen wir nicht, dass auch Musk in Europa wegen X (ehemals Twitter) unter erheblichem Druck steht. Der Eigentümer selbst berichtete, Ursula von der Leyen habe angeboten, die drohende Strafe für X zu erlassen, wenn sie in der Europäischen Union Zugriff erhalten – sprich, wenn sie die Plattform heimlich zensieren können. Gleichzeitig wurde in den USA ein parteiübergreifend unterstütztes Gesetz verabschiedet – so viel zu den Hoffnungen, die man in Trump setzte –, das unter Berufung auf die nationale Sicherheit die chinesisch entwickelte App TikTok innerhalb einer Frist aus den Vereinigten Staaten verbieten würde. Das bedeutet: Tritt das Gesetz in Kraft, könnte TikToks chinesische Muttergesellschaft ByteDance gezwungen werden, sich von der beliebten Social-Media-App zu trennen. Verkauft sie die Plattform nicht, wird die Anwendung untersagt.
Die Liste ließe sich fortsetzen, zum Beispiel mit dem Fall von Richard Medhurst, einem halb syrischstämmigen, kriegsgegnerischen Journalisten, der sich oft für die Palästinenser ausspricht. Der Brite wurde nach dem Anti-Terror-Gesetz verhaftet und inhaftiert. Aber auch die Europäische Union hinkt in dieser Hinsicht nicht hinterher: Sie verhängte kürzlich Sanktionen gegen zwei deutsche Journalisten, Thomas Röper und Alina Lipp, die Ansichten vertreten, die der offiziellen Darstellung wiedersprechen. Dies geschah zuvor auch mit einem slowakischen Journalisten, in dessen Fall jedoch nach Protesten von Robert Fico die Sanktionen aufgehoben wurden. Für die beiden aus Russland berichtenden deutschen Journalisten erhob der Kanzler kein Wort. Ihnen wird vorgeworfen, in ihren weit gelesenen Blogs systematisch falsche Informationen über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verbreitet zu haben. Nun, wenn jedes Medium und jeder Journalist, der so handelt, sanktioniert würde, wäre diese Liste wahrlich lang.
Kontroversen und Kontrolle
Gehen wir zu einer weiteren skandalösen Geschichte über, die mit dem bereits erwähnten Elon Musk verbunden ist. Thierry Breton, der Brüsseler Hauptzensor, wollte dem X-Eigentümer verbieten, sein ungezwungenes Gespräch mit Donald Trump in Europa zu veröffentlichen. Dieser Fall machte übrigens die Öffentlichkeit auf ein im Stillen eingeführtes Gesetz aufmerksam, dessen Geltungsbereich seit Februar 2024 alle digitalen Plattformen und Dienste umfasst. Sein Hauptzweck ist es, illegale und schädliche Online-Aktivitäten sowie die vorsätzliche Verbreitung von Falschinformationen zu verhindern. Doch wer entscheidet, was schädlich ist? Für wen schädlich? Auf welcher Grundlage? So oder so: Das Gesetz kommt den Mächten, die fieberhaft um ihr Fortbestehen ringen, äußerst zupass. Sogar die brasilianische Regierung, die schon im Clinch mit X lag, schlug umgehend zu.
Diese Fälle zeigen deutlich, dass jede Macht, unabhängig von Ideologien, Gesellschaften kontrollieren will und zu diesem Zweck jedes Hindernis aus dem Weg räumt. Und was wird aus der Meinungs- und Redefreiheit? Der Medienfreiheit? Der Zweck heiligt die Mittel … Aber es gibt nichts Neues unter der Sonne, denn die Presse und die Information waren fast von Anfang an ein Werkzeug der Inhaber formaler oder informeller Macht zur Beeinflussung. Dies geschieht nicht nur durch die Verbreitung von Falschmeldungen, sondern auch durch die einseitige Darstellung realer Nachrichten und geschehener Ereignisse, ja sogar durch das teilweise Verschweigen der Wahrheit. Dies gilt heute, im Zeitalter der informationsbasierten Gesellschaften, in besonderem Maße. Was jetzt neu ist, ist das Aufkommen elektronischer Medien, der Rückgang der Printmedien und die zunehmende Konzentration des Medienangebots. In diesem ungleichen Wettbewerb gehen reihenweise Presseorgane unter, die objektiv sein wollen und nicht nur Nachrichten verbreiten, sondern auch deren Hintergründe beleuchten wollen.
In unserer beschleunigten Welt wollen Menschen in kürzester Zeit so viele Informationen wie möglich aufsaugen. In dieser Flut von Daten, gepaart mit einer zunehmenden Individualisierung, ist ein übermäßiger Medienkonsum entstanden, der oft schon der mentalen Gesundheit schadet. Ständige Angstmache und eine Flut negativer Nachrichten halten die Öffentlichkeit in dieser turbulenten Welt pausenlos in Angst und belasten das Nervensystem. Und dabei haben wir noch nicht einmal über die gesellschaftsverschlingende Wirkung der sozialen Medien gesprochen.
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GÁBOR STIER (1961) ist Journalist in Ungarn für Außenpolitik, Analytiker und Publizist. Er ist Gründer und Chefredakteur von #moszkvater, einem Portal über die slawische Welt und den postsowjetischen Raum. Zuvor war er 28 Jahre lang bei der konservativen ungarischen Tageszeitung Magyar Nemzet („Ungarische Nation“) tätig, für die er auch als Moskau-Korrespondent gearbeitet hat. Er schreibt regelmäßig für außenpolitische Fachzeitschriften und ist Autor von The Putin Mystery (2000).