Innenpolitik

Bundeswehr-Kampfdrohnen: SPD signalisiert Bereitschaft zur Anschaffung

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 19. November 2013 –

Was die Verwirklichung seines Wunsches betrifft, die Bundeswehr mit Kampfdrohnen auszurüsten, muss sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière noch ein wenig in Geduld üben. Die SPD ist der Meinung, dass die Bundeswehr unbemannte Kampfjets derzeit noch nicht benötigt – dafür haben die Sozialdemokraten aber ihre grundlegende Bereitschaft zur Anschaffung von Kampfdrohnen signalisiert.

Nach der im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD geführten Verhandlungsrunde der Arbeitsgruppe Außen- und Verteidigungspolitik, die am heutigen Dienstag abgeschlossen wurde, machte SPD-Chefunterhändler Frank-Walter Steinmeier  klar, dass es keine kurzfristige Entscheidung darüber geben werde.

„Wir werden vermutlich nach meiner Einschätzung in dieser Legislaturperiode nicht so weit kommen, dass über die Beschaffung bewaffneter Systeme entschieden wird“, erklärte der SPD-Fraktionschef.

„Der geplante schnelle Einkauf, den de Maizière beabsichtigt, ist vom Tisch“, sagte SPD-Unterhändler Rainer Arnold der Nachrichtenagentur dpa. „Eine langfristige europäische Entwicklung werden wir dann diskutieren, wenn sie auf dem Tisch liegt.“ Damit spielte Arnold auf eine weitere für den Koalitionsvertrag geplante Formulierung an: „Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen.“ Eine solche Entwicklung könnte aber keinesfalls vor 2020 abgeschlossen werden.

Mit dem Kompromiss in den Koalitionsverhandlungen sind die Sozialdemokraten von ihrer Wahlkampfposition abgerückt. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte gesagt, Deutschland brauche keine Kampfdrohnen. Jetzt zeigt sich seine Partei zumindest langfristig offen für die bewaffneten Hightech-Flieger.

De Maizière setzt sich seit Monaten für die Beschaffung von Kampfdrohnen für die deutsche Armee ein. Ursprünglich hatte der Verteidigungsminister eine Grundsatzentscheidung über einen Kauf schon für dieses Jahr angestrebt. Im April terminierte  er jedoch einen Beschlussantrag im Bundestag über die Anschaffung von Kampfdrohnen auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Das Thema wollte der CDU-Politiker aus dem Wahlkampf heraus halten, denn laut einer zu Jahresbeginn durchgeführten Umfrage lehnen bis zu zwei Drittel der deutschen Bevölkerung die Ausrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen ab. (1)

Während das Projekt der Aufklärungsdrohne Euro-Hawk im Mai dieses Jahres eingestampft werden musste, wurden die Pläne über die Beschaffung bewaffneter Drohnen seitdem weiter umgesetzt. Laut einer von der Zeit zitierten Kabinettsvorlage desselben Monats plante die Bundesregierung unverdrossen die Anschaffung von sechzehn Drohnen „für mittlere Flughöhen und große Reichweiten“. Diese sollen auch über die „Fähigkeit zur Wirkung aus der Luft“ verfügen, was nichts anderes heißt, als bewaffnete Angriffe durchführen zu können. (2)

Deutsche „Kerninteressen“

Die Luftwaffe hält die Beschaffung von Kampfdrohnen für zwingend notwendig,  sieht sie doch in dem Kriegsgerät einen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Entwicklung. In ihrem Planungspapier Luftmacht 2030 beschreibt sie ihren Auftrag dahingehend, den „Kerninteressen Deutschlands“ zu dienen, die unter anderem in „vertrauensvollen transatlantischen Beziehungen“ sowie „stabilen Wirtschaftsbeziehungen und freien Handelswegen weltweit“ bestünden. (3)

Im Vorwort des Papiers schreibt Generalleutnant Karl Müllner, „gerade asymmetrische Risiken“ verlangten „flexible Antworten“. Wie diese ausfallen sollen, konkretisierte der Luftwaffenchef vor einem Jahr. Der verstärkte Einsatz von Kampfdrohnen sei „militärisch sinnvoll“, da sonst der „Appetit der Politik“ abnehmen werde, „solche Einsätze wie Afghanistan zu wiederholen“. (4)

Laut dem Luftwaffen-Planungspapier sei die „Nutzung und Weiterentwicklung der Fähigkeiten unbemannter Luftfahrzeugsysteme (…) in allen Bereichen der Aufklärung-Führung-Wirkung und Unterstützung zu optimieren und deren Einsatzspektrum auszuweiten“.

Der obligatorische Hinweis fehlt nicht, wonach die „militärische Macht“ zum Einsatz zu bringen sei, „um Gewalt gegen Menschen zu verhindern oder zu beenden“.

Die von der Luftwaffe betriebene Verharmlosung „militärischer Macht“ findet ihren Widerhall in der Beschreibung von Kampfdrohnen durch Verteidigungsminister de Maizière. Sie seien legitim, um die eigenen Soldaten zu schonen und den Gegner auf Abstand zu halten. „Schon Pfeil und Bogen dienten diesem Ziel“, erklärte der Minister, der „keinen ethischen, fachlichen und rechtlichen Unterschied bei Fragen des Waffeneinsatzes zwischen bemannten und unbemannten Luftfahrzeugen“ sehen kann.  (5) „Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen? Das erschließt sich mir nicht“, erklärte ein sich in Naivität übender Verteidigungsminister. (6)

Doch bewaffnete Drohnen sind nicht lediglich Flugzeuge ohne Piloten. Sie sind kein Ersatz für herkömmliche Luftwaffensysteme, sondern deren Ergänzung, die strategischen Prämissen geschuldet ist. Die Umwandlung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee des Kalten Krieges zu einer globalen Interventionsarmee, die laut den verteidigungspolitischen Richtlinien die Rohstoffversorgung militärisch absichern soll, drückt sich auch in den dafür erforderlichen Waffensystemen aus.

Gegenüber einer Luftverteidigung einer staatlichen Armee sind Kampfdrohnen aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit und Abwehrfähigkeit wirkungslos. Erst wenn die Luftabwehr eines Landes durch den Einsatz herkömmlicher Mittel wie Kampfjets, Bomber und ballistischer Raketen ausgeschaltet wurde, kommen sie zum Zug. Sie dienen nicht der Eroberung oder Verteidigung eines Territoriums, sondern dessen Kontrolle. Ihre Raketen richten sich gegen vermeintliche oder tatsächliche Aufständische und „Störer“, nicht gegen reguläre Armeeeinheiten.

Da sich Aufständische aus der Zivilbevölkerung rekrutieren, mitunter eine klare Trennung gar nicht zu vollziehen ist, liegt es in der inneren Logik von Kampfdrohnen-Einsätzen, zivile „Kollateralschäden“ regelmäßig zu verursachen. Mit dem Einverständnis der SPD soll nun auch die Bundeswehr – wenn auch nicht so schnell, wie von den Christdemokraten gewünscht – in die Lage versetzt werden, vermeintlich „gezielt“ töten zu können  

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(mit dpa)

Anmerkungen
(1) http://www.infratest-dimap.de/uploads/media/dt1302_bericht.pdf
(2) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-05/bundesregierung-drohnen-kauf-2016
(3) http://augengeradeaus.net/wp-content/uploads/2012/08/Luftmacht-2030.pdf
(4) http://www.rp-online.de/politik/deutschland/bundeswehr-will-kampfdrohnen-einsetzen-aid-1.2973659
(5) http://www.rp-online.de/politik/deutschland/de-maiziere-will-neue-drohnen-erst-nach-der-wahl-aid-1.3313370
(6) http://www.welt.de/politik/deutschland/article108473948/De-Maiziere-wirbt-fuer-Einsatz-bewaffneter-Drohnen.html

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