Innenpolitik

Kundus-Opfer: Almosen statt Entschädigung

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von THOMAS WAGNER, 10. Mai 2010 –

Die Angehörigen der zivilen Opfer des von Bundeswehroberst Klein befohlenen Bombardements vom 4. September 2009 sollen von der Bundesregierung insgesamt 400.000 Euro in Form einer individuellen Wiedergutmachung erhalten, das berichteten verschiedene Medien am Montag.  

Das ist eine an sich schon beschämend niedrige Summe. Die Anwälte der Opfer vertreten mehr als 450 Personen. Für jeden Hinterbliebenen stehen damit weniger als 1000 Euro zur Verfügung.
Bei „der ersten Massentötung nach dem Zweiten Weltkrieg, die von Deutschen verantwortet wurde“ (Wolfgang Kaleck) (1) wurden nach NATO-Angaben bis zu 142 Menschen getötet. Die meisten waren Zivilisten, darunter viele Kinder und Jugendliche. Viele Familien verloren den Ernährer.

Geplant ist, dass das deutsche Feldlager in Kundus in den kommenden Wochen eine Versammlung von Dorfältesten aus der betroffenen Region Char Darah einberufen soll, um die zivilen Opfer zu identifizieren und schnellstmöglich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ in Form einer finanziellen Leistung oder einer Sachleistung zu entschädigen. Dafür sind pro Todesfall 4.000 Euro im Gespräch.

Aber nicht nur die geringe Wiedergutmachungssumme ist skandalös. Hinzu kommt, dass gerade die am schwersten betroffenen Witwen und Waisen durch individuelle Geld- und Sachleistungen wahrscheinlich nur schwer erreicht werden können. Ohne männlichen Ernährer sind die Witwen völlig mittellos. Wenn sie Glück haben, finden sie einen neuen Ehemann. Die Männer, die eine solche Witwe ehelichen, müssen ihre Kinder aber nicht annehmen. Diese landen dann auf der Straße.

Aus diesem Grund hatte Karim Popal, ein Rechtsanwalt der die Interessen der Opfer gegenüber der Bundesregierung vertritt, in seinen Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium darauf gedrängt, langfristige Hilfsprojekte zu installieren, die den besonderen Schutzbedürfnissen der Frauen und der Kinder entgegenkommen. (2)

Vor wenigen Wochen hat das Verteidigungsministerium die Verhandlungen mit Popal und seinen Anwaltskollegen Wolfgang Kaleck und Bernard Docke aus fadenscheinigen Gründen abgebrochen. (3) Karim Popal will nun gegen die in Aussicht gestellten Ausgleichszahlungen klagen. „Das ist keine Entschädigung in unserem Sinne“, sagte Popal dem Kölner Stadt-Anzeiger. Es handle sich lediglich um Hilfszahlungen. Unabhängig davon habe er seinen Mandanten geraten, die Hilfe anzunehmen.

Die Bundesregierung hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan lange Zeit damit begründet, insbesondere den Frauen und Kindern in dem geschundenen Land helfen zu wollen. Am Beispiel der Opferentschädigung zeigt sich einmal mehr: Das war und ist alles nur Makulatur.

(1) (http://jungle-world.com/artikel/2010/18/40877.html)

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(2) Vgl. HINTERGRUND, 1./2. Quartal 2010, S. 23

(3) http://www.hintergrund.de/20100423838/politik/inland/verteidigungsministerium-kundus-opfer-haben-keinen-anspruch-auf-entschaedigung.html

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