Innenpolitik

Leipzig-Leaks: Polizisten pflegen Kontakte in die Neonazi-Szene

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von THOMAS EIPELDAUER, 22. Mai 2015 –

Am 17. Mai meldete sich auf dem linken Nachrichtenportal Indymedia eine anonyme Gruppierung unter dem Label “161Boxing” zu Wort, die behauptete “beträchtliche Datenmengen von führenden Nationalisten” sichergestellt zu haben. Die Daten, die den Antifaschisten wohl im Zuge einer Intervention bei dem Leipziger Neonazi Alexander Kurth in die Hände gefallen sind, bestanden zum einen in interner Kommunikation der NPD, zum anderen dokumentierten sie umfangreich die Kommunikation verschiedener Strömungen der Rechten in Sachsen. In Rahmen der zuerst geleakten Dokumente ließ sich etwa nachvollziehen, dass der Leipziger PEGIDA-Ableger LEGIDA logistische Hilfe aus Neonazi-Strukturen bezieht. (1)

Interessanter noch als der erste Leak sollte allerdings der darauffolgende werden. Am 17. Mai meldete sich die Gruppe erneut zu Wort, diesmal unter dem Titel “Eine typisch sächsische Allianz”. Die Antifaschisten sprechen dort von einer “offenen Zusammenarbeit zwischen Nazis und Teilen der Leipziger Polizei”. (2) Diese seien auf Demonstrationen zu beobachten: “Vereinzelt gibt es gar Absprachen zwischen Ordnungsmacht und Nazischlägern – hier ein freundschaftlicher Handschlag zur Begrüßung, dort ein kurzer Plausch, und sobald potentielle Opfer in Sicht sind, entfernt man sich wie auf Kommando, um den braunen Schlägern freie Hand zu lassen.”

Drei Fallbeispiele, in denen sich der Verdacht einer Kooperation zwischen Polizeibeamten und der Neonazi-Szene belegen lasse, präsentiert die Gruppe namentlich. Der erste, Roger Beyer, ist Polizeibeamter in Leipzig. Er kommentiert – das belegt die Gruppe mit Screenshots – ein Foto in einem sozialen Netzwerk mit den Worten: “Fein fein deutscher vater deutsches kind 88”. Die “88” gilt in Neonazikreisen als Abkürzung der Grußformel “Heil Hitler”. Er beziehe, so 161Boxing weiter, zusätzlich Kleidung der von Neonazis gern getragenen Marke “Thor Steinar”.

Der zweite Fall, Jens Kappe, hat mit dem rassistischen Mord an Kamal Kilade im Oktober 2010 in Leipzig zu tun. Die Neonazis Daniel Kappe und Marcus Eckardt wurden damals noch am Tatort festgenommen, allerdings vor einer dann anstehenden Hausdurchsuchung möglicherweise gewarnt. Denn Marcus Eckardts Tasche fehlte. Die wurde allerdings von dem Polizisten Jens Kappe, Vater des Mittäters Daniel Kappe, Tage später bei der Kriminalpolizei vorbeigebracht. Auch Jens Kappe habe, so die Autoren, Sympathien mit Pegida. Im Juli 2011 wurde Eckardt wegen Mordes an Kamal Kilade zu 13 Jahren Haft verurteilt, Daniel Kappe wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu drei Jahren Gefängnis.

Das dritte Fallbeispiel handelt von Fernando Vergara, den die sächsiche Polizei ob seiner Herkunft aus Kolumbien als “Multi-Kulti-Polizisten” präsentiert. Seine kolumbianischen Wurzeln hindern Vergara allerdings nicht an einer stramm rechten Gesinnung. Zu Vergara präsentiert Boxing161 Daten, die erneut aus dem Leak des Handys von Alexander Kurth stammen. Zu dem Neonazi – sowie offenbar zu einigen von dessen Kameraden – unterhält der Polizist eine freundschaftliche Beziehung. Diese reichen offenbar bis hin zur Einrichtung eines kurzen Dienstwegs für Faschisten. Am 31. Dezember 2014 schreibt Kurth an Vergara: “Vor meinem Haus sollen Zecken stehen. Habt ihr Einsatzkräfte in der Nähe” Vergara antwortet: “Ich bin nicht im Einsatz, aber rufe jemanden an.” Vergara versichert sich noch, ob die Quelle, die behauptet, dass da “Zecken” stehen, “sicher” ist, dann meldet er Vollzug: “Meldung ist weitergegeben.”

Die umfangreiche Korrespondenz zwischen dem Neonazi und seinem Sympathisanten in Uniform offenbart eine kontinuierliche Freundschaft, ideologische Übereinstimmung und Hilfeleistungen der Leipziger Polizei für Neonazis. Diese hat in einer ersten Stellungnahme bekannt gegeben, dass die Vorwürfe “sehr ernst genommen” würden. Auf Nachfrage wollte das Operative Abwehrzentrum der Polizei zur Zeit keine Auskunft über den Fall geben. Es sei zu früh, um Stellung zu nehmen. Bis zur Klärung des Falls aus dem Dienst entfernt, seien die Beamten aber ihres Wissens nicht, sagte eine Sprecherin des OAZ gegenüber Hintergrund.

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Anmerkungen

(1) https://linksunten.indymedia.org/de/node/142944
(2) https://linksunten.indymedia.org/de/node/143567

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