Innenpolitik

Pleite für Rechtspopulisten

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Ein breites Aktionsbündnis hat „Anti-Islamisierungskongress“ von „Pro Köln“ am vergangenen Wochenende verhindert.

Von ANNETTE HAUSCHILD, 22. September 2008:

Nichts wurde aus dem „Kongress gegen die Islamisierung Europas“, den die rechtspopulistische Bürgerbewegung „Pro Köln“ von Freitag, dem 19. bis Sonntag, dem 21. September in Köln und Leverkusen unter Beteiligung internationaler rechtsextremer Prominenz aus Frankreich, Belgien und Österreich abhalten wollte. Auf diesem Kongress sollte eine europaweite Vereinigung der Islamgegner und der Retter des christlichen Abendlandes gegründet werden. Pro Köln wollte damit nicht nur ihren Kampf gegen Immigration, multikulturelle Gesellschaft und den Bau der umstrittenen Kölner Großmoschee in internationale Zusammenhänge stellen. Gleichzeitig sollte damit auch der Europa- und der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen unter nationalistischem Vorzeichen eingeläutet werden. Groß wurde z.B. von der „Achse Antwerpen-Köln“ geschrieben, d.h. von einer engen Verbundenheit zwischen Pro Köln und dem Vlaams Belang, wie weiland von der Achse Berlin – Rom.

Am Samstag den 20.9. verhinderten Tausende von Demonstranten und Blockierern in Köln und Umgebung, dass die Rechten nach Köln hinein und auf den Heumarkt gelangten.

Kein Fußbreit, kein Taxi und kein Hotelbett den Faschisten

Die ganze Veranstaltung erwies sich von vorneherein als Pleite für die Rechtspopulisten. Es begann mit vollmundigen Ankündigungen vom Kommen des Gründers des Front National Jean Marie le Pen, der nicht wollte, und des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache, der auch keine Zeit hatte und lediglich ein Grußwort verlesen ließ. Gleichwohl kam eine hochrangige Delegation der FPÖ angereist. Auch eine Delegation der Lega Nord war erschienen, unter anderem der Europa-Abgeordnete Mario Borghesi, dem ein zweifelhafter Ruf als Brandstifter vorauseilt, da er Asylunterkünfte angezündet hatte, und Vertreter des Vlaams Belang, der zur Zeit die Spaltung Belgiens vorantreibt. Britische Abgesandte waren nach Aussagen von Teilnehmern auch dabei.

Weiter gingen die Pannen mit der Pressekonferenz, die am Freitag, den 19.9. stattfinden sollte. Zunächst sollte sie in den Fraktionsräumen von Pro Köln im Kölner Bezirkshaus Nippes abgehalten werden, aber die Stadtverwaltung hatte dies verboten. Man wich nach Rodenkirchen aus, traf dort aber auf Gegendemonstranten. Daraufhin zog man auf ein Ausflugs-Schiff um, das unter dem Vorwand einer Juristentagung angemietet worden war. Gegendemonstranten bekamen davon Wind und es begann ein stundenlanges Has’ und Igel-Spiel am Rheinufer. Immer wenn das Schiff anlegen wollte, war das Ufer schon besetzt. Ein Steinwurf zerbrach das Panoramafenster des Schiffes, die Wasserschutzpolizei umringte es. Stunden später holte die Polizei zunächst die Journalisten vom Schiff, weil die ja wieder arbeiten mussten, und geleitete zuletzt die Pro-Köln-Anhänger an Land. Dort fand das Motto „kein Fußbreit den Faschisten“ weitere Anhänger: Keiner der Taxifahrer, die ja auch in Köln mehrheitlich den ethnischen Gruppen angehören, gegen die Pro-Köln agiert, war bereit, die Rechten zu transportieren, der gecharterte Bus sagte kurzerhand ab. Die Polizei hatte schließlich ein Einsehen und brachte die Leute in Bullis weg. Doch sie kamen in keine Gaststätte hinein, auch das Hotel, in dem viele von ihnen als brave Geschäftsleute eingecheckt hatten, komplimentierte sie hinaus.

Die geplante „Stadtrundfahrt“ mit Halt in den besonders von Migranten bewohnten Stadtvierteln Ehrenfeld und Keupstrasse wurde von der Polizei verboten

Dieses Fiasko war hausgemacht: Pro Köln hatte der Polizei die Veranstaltungsorte nicht mitgeteilt. Ihr Vorsitzender, Markus Beisicht, warf der Polizei vor, sie schütze die Veranstaltung nicht, Polizeipräsident Steffenhagen konterte: „Sie sagen uns ja nicht, was sie vorhaben“.

Köln stellt sich quer

Mehrere Bündnisse hatten seit Monaten für den 19. und 20. September zu Kundgebungen und Aktionen aufgerufen. Das breiteste war „Köln stellt sich quer“, dem über hundert Organisationen, u.a. der DGB, die Kirchen, Migrantenorganisationen, alle im Stadtrat vertretenen Parteien, der Betriebsrat von Ford, der Internationale Wiederstandskämpferbund (FIR) und andere angehören. Dieses Bündnis veranstaltete am Samstag eine Demonstration und zentrale Kundgebung mit mehr als zehntausend Teilnehmern auf der Gürzenichstrasse. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der sich – dem Vernehmen nach – zuletzt doch noch von Parteifreunden überzeugen ließ, als Redner aufzutreten, hielt eine kämpferische Rede, in der er den Rechten die Tür wies: „Da ist der Ausgang! Wir wollen euch hier nicht!“

Die Wirte der Kölner Altstadt machten mit bei der Initiative „kein Kölsch für Nazis“.

Das Musikprogramm wurde von dem Künstlerbündnis „Arsch huh Zäng auseinander“ gestaltet.

Es war aber ausgerechnet der Kabarettist Wilfried Schmickler, der in einer sehr geharnischten Ansprache gerade den etablierten Parteien die Leviten las: Sie hätten sich rar gemacht und den Rechten durch ihre katastrophale Sozial- und Wirtschaftspolitik, insbesondere in Ostdeutschland, das Feld einfach überlassen

Ein hervorragend organisiertes Bündnis aus dem linkeren politischen Spektrum mit dem Titel „Aufgestanden! Hingesetzt! Blockiert den Rassistenkongress!“ hatte international zu effektiven Massenblockaden am Köln/Bonner Flughafen und um den Heumarkt mobilisiert. Es nahmen auch Antifaschisten aus England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden teil.

Große Teile der Innenstadt waren am Samstag quasi unpassierbar, nicht nur weil die Polizei weiträumig abgesperrt hatte. Die Zufahrtswege zum Veranstaltungsort von „Pro Köln“, dem Heumarkt, wurden nämlich von den Blockaden effektiv zugemacht. Selbst Journalisten hatten Mühe, durchzukommen. Das Ergebnis: Auf dem Heumarkt fand sich nur ein Häuflein von 50 bis 60 statt der erwarteten Massen von Pro-Köln-Anhängern ein.

Die Lage am Samstag war ziemlich unübersichtlich. Zeitgleich zu der großen Veranstaltung von „Köln stellt sich quer“ fanden Hunderte kleiner Aktionen und eine Demonstration am Rheinufer statt.

Demonstranten blockierten den Köln/Bonner Flughafen, wo ein Teil von Pro Köln und ihrer internationalen Gäste eingetroffen waren. Die Blockierten mussten umschwenken und ihren Kongress in einem Kellerraum des Flughafens abhalten. Auch Bahngleise wurden besetzt, so dass der Zugverkehr auf der rechten Rheinseite zeitweise gestoppt wurde.

Die Clowns Armee trieb ihre Späße, alternative Karnevalisten erheiterten die Menge, und 111 Bauchtänzerinnen gaben vor dem Dom eine Vorstellung.

Vereinzelt gab es versprengte Neonazi-Trupps, die von der Polizei in Sicherheit gebracht wurden. Verschiedentlich kam es zu Auseinandersetzungen von Linken mit Passanten, die für Nazis gehalten wurden, und Rangeleien mit der Polizei.

Es kam aber auch zu Übergriffen der Polizei und zu Ausschreitungen und Sachschäden durch linke Demonstranten und zu insgesamt drei Kesseln, von denen einer bis in die späten Abendstunden dauerte.

Insgesamt war der Kölner Polizei die Lage nicht geheuer, trotz der Verstärkung von Einsatzkräften aus Bayern, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Bremen und Rheinland-Pfalz, so dass Polizeipräsident Steffenhagen am Samstag Mittag beschloss, die Veranstaltung der Rechten zu verbieten. Grund: „Die Polizei könne die Sicherheit der Teilnehmer und der Kölner Bürger nicht gewährleisten.“

Mehrfach wurden Demonstranten festgesetzt und in Gewahrsam genommen. Bilanz am Samstagabend: etwa 500 Festnahmen.

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Die für den Sonntag vorgesehene Aktion von „Pro Köln“ in Leverkusen wurde gar nicht mehr durchgeführt. Ein Polizeisprecher erwiderte auf Anfrage von HINTERGRUND, man wisse nicht, wo die Pro-Köln-Anhänger sich befänden. Sie seien einfach weg.

Ob sie am nächsten Wochenende in Bonn wieder auftauchen werden? Dort soll nämlich – bisher unbestätigten Angaben zufolge – ein Ableger „Pro Bonn“ gegründet werden. Auch hier wird man also versuchen, Konflikte auf der lokalen Ebene, etwa um den Bau einer Moschee, in Wählerstimmen für die Rechtsextremen umzumünzen. Ein Aktionsbündnis hat sich jedenfalls schon gegründet.

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