Innenpolitik

Verwaltungsgericht Münster stoppt diskriminierenden Gesinnungstest für Ausländer

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von THOMAS WAGNER, 9. Oktober 2009 –

Das Verwaltungsgericht Münster hat den sogenannten Gesinnungstest für Ausländer in NRW gestoppt, so hieß es einhellig in Presseberichten vom Freitag.

Studierende und Wissenschaftler aus  26 – zumeist islamisch geprägten – Staaten mussten sich in dem vom NRW-Innenministerium „Sicherheitsbefragung“ genannten Test  unter anderem darüber befragen lassen, ob sie Kontakte zu Terror-Organisationen unterhalten.

Der allgemeine Studierendenausschuss (ASTA) der Universität Münster hat das bis dahin als „geheime Verschlusssache“ behandelte Dokument des Innenministeriums von NRW Anfang der Woche als PDF-Datei veröffentlicht.(1)

Der 2007 eingeführte Gesinnungstest erfolgte immer dann, wenn Menschen aus dem betroffenen Personenkreis eine Aufenthaltsgenehmigung in Nordrhein-Westfalen beantragen oder verlängern wollten.

Ein 32jähriger marokkanischer Student, der seit 1997 in Deutschland lebt und in Münster Islamwissenschaften studiert, fühlte sich wegen seiner Herkunft und seiner Religion unter Generalverdacht gestellt und hatte deshalb Klage eingereicht. Der Student hatte den erst 2007 eingeführten Fragebogen im März 2008 beantworten müssen, um seine Aufenthaltserlaubnis verlängert zu bekommen.

Das Verwaltungsgericht gab dem Studenten aufgrund eines Formfehlers des Ausländeramtes Recht und wies die Stadt Münster am Donnerstag an, seinen bereits archivierten Fragebogen  zu vernichten.

Kläger-Anwalt Wilhelm Achelpöhler sagte laut ruhrnachrichten.de noch am selben Tag: „Im Grunde kann jetzt jeder Ausländer, der in den vergangenen beiden Jahren den Fragebogen ausgefüllt hat, die Vernichtung seiner Dokumente verlangen.“

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Student auf dem Fragebogen nicht über die nötige Rechtsgrundlage informiert worden sei.

Unter anderem wird in dem nun für nicht rechtmäßig erklärtem Test danach gefragt, ob die Antragsteller Gruppierungen wie Al-Qaida, der Hisbollah, der PKK, der Real IRA oder rund 70 weiteren Organisationen angehören, an einer Spezialausbildung im Gebrauch von Sprengstoffen teilgenommen haben, mit der  Entwicklung oder Erforschung von ABC-Waffen oder Kampfstoffen befasst sind oder unmittelbaren Kontakt mit den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Land aufnehmen wollen.

Dass diese Fragen nicht geeignet sind, potenzielle Gewalttäter oder Terroristen aufzuspüren, dürfte sich selbst eingefleischten Sicherheitsfanatikern erschließen. Offensichtlich ist jedoch, dass sie  eine große Zahl von unbescholtenen ausländischen Mitbürgern pauschal unter Generalverdacht stellen. Alleine im vergangen Jahr hatten ca. 13.000 Ausländer in NRW den Fragebogen ausfüllen müssen.

Was sich die Befürworter des diskriminierenden Fragebogens tatsächlich von ihm versprechen, geht aus einem Artikel der Rheinische Post vom Freitag hervor. Kommentator Gerhard Voogt begründete dort, warum er den Test auch nach dem Urteil weiterhin für sinnvoll hält: „Terrorbekämpfer führen an, es sei oft schwer, zwielichtige Islamisten auszuweisen. Wer auf dem Testbogen falsche Angaben macht, verstößt gegen das Ausländerrecht. Der Fragebogen kann dann als Beweismittel dienen.“

Die Weigerung, den Test auszufüllen, kann also als Vorwand dienen, um missliebige ausländische Mitbürger auszuweisen.

Der Bundesverband ausländischer Studierender befürchtet daher, die nordrhein-westfälische Landesregierung könnte den Test in überarbeiteter Form „durch die Hintertür“ wieder einführen.

Jochen Hesping, der AstA-Vorsitzende der Universität Münster begrüßte das Urteil und ging auf solche Befürchtungen ein: „Wenn der Fragebogen in korrigierter Form wieder aufgelegt wird, wird der AStA solange vor Gericht kämpfen, bis das Ding vom Tisch ist. Das geht durch alle Instanzen“, sagte er der muensterschezeitung.de.

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Die Universitätsleitung in Münster stellt sich in dieser Hinsicht demonstrativ hinter die Studierenden: „Wir bleiben bei unserer Haltung als internationale Hochschule: Jede Hemmschwelle für ausländische Studierende und Wissenschaftler halten wir für nicht zielführend. Einen so genannten Gesinnungstest lehnen wir nach wie vor ab“, sagte der Universitätssprecher Norbert Robers gegenüber derselben Zeitung.

(1) http://astamuenster.files.wordpress.com/2009/10/erlass_ueberprufung-von-sicherheitsbedenken-bei-aufenthalten-nach-dem-aufenthaltsgesetz.pdf

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