Innenpolitik

Wissenschaftler und Künstler unterstützen die Occupy-Bewegung

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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„Früher hat das Militär geputscht, heute putschen wohl die Banker“ –

Von THOMAS WAGNER, 11. November 2011 –

Die Occupy-Bewegung erhält hochkarätige Schützenhilfe aus der Gelehrtenwelt. Fünfzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen halten die derzeit unter maßgeblichem Einfluss der deutschen Bundesregierung vollzogene Krisenpolitik für eine Katastrophe und zeichneten eine gemeinsame Stellungnahme, die auch als Aufruf verstanden werden will, sich der Occupy-Bewegung anzuschließen.

Die Unterzeichner eint die Analyse, dass es keineswegs die Prasserei der öffentlichen Hand war, die zu den aktuellen Zahlungsschwierigkeiten der Länder des Euro-Raums geführt hat.

„Es handelt sich dabei um eine Krise des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus, der auf spekulativen Blasen beruht, die zwangsläufig irgendwann platzen müssen. Als es soweit war, waren die Banken von Insolvenz bedroht und die Staaten eilten ihnen mit Milliardenkrediten und Bürgschaften zur Hilfe. Gleichzeitig führte die Kreditklemme der Banken zu einer Rezession, wie man sie seit 1949 nicht mehr erlebt hatte. Damit stiegen die Ausgaben der Staaten extrem und die Einnahmen brachen weg. Die „Schuldenkrise“ ist also keine neue Krise, sondern die Fortsetzung der globalen Finanzkrise. Dazu kommt das Problem, dass der Eurozone eine einheitliche Sozial-, Steuer- und Lohnpolitik fehlt, weil die marktradikale Ideologie trotz einheitlicher Währung an der Konkurrenz der Euro-Staaten auf den Weltfinanzmärkten festhielt.“

Die propagierte Politik der Schuldenbremsen und Stabilitätsversprechen halten die Forscher in einer solchen Situation für reine Augenwischerei. Die von der EU verordneten Kürzungsprogramme hätten in den betroffenen Ländern sogar das Gegenteil von dem bewirkt, was sie erreichen sollten. „Nicht nur die Wirtschaftskrise wurde verschärft, sondern auch noch die Schuldenkrise selbst. Die betroffenen Länder werden systematisch in die Rezession getrieben.“  

Europa stehe vor der Wahl, in der Krise auseinanderzufallen oder Wege zu einem anderen Wirtschaftsmodell einzuschlagen. Erste Schritte auf diesem Weg sehen die Wissenschaftler in der Entmachtung der „Finanzindustrie“ durch eine scharfe Regulierung und die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen.

„Ein Schuldenschnitt ist unvermeidbar, es kommt aber dabei darauf an, wie er gestaltet wird. Es braucht ein Verfahren, das es ausschließt, dass weiter die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert werden. Das Hoffen auf eine freiwillige Beteiligung der Finanzindustrie ist müßig. Die Banken müssen einer gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen werden, große Vermögen müssen durch die Einführung einer Vermögenssteuer an den Kosten der Krise beteiligt werden.“

Die Stellungnahme schließt mit einem eindringlichen Appell: „Die Menschen empören sich darüber, dass die Politik die Interessen der 99 Prozent ignoriert und die Demokratie dem sogenannten freien Markt unterordnet. Mit der Occupy-Bewegung entsteht weltweit Widerstand gegen diese Politik. Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich der Bewegung anzuschließen.“

Unter den Unterzeichnen sind so bekannte Namen wie Elmar Altvater, Ulrich Brand, Christoph Butterwegge, Andreas Fisahn, Frigga und Wolfgang Fritz Haug, Rudolf Hickel, Michael Krätke, Hans-Jürgen Krysmanski, Birgit Mahnkopf, Mohssen Massarrat und Winfried Wolf.

Zu den prominenten Unterstützern der Occupy-Bewegung gehören aber nicht nur Professoren, sondern auch Künstler wie der Kabarettist Georg Schramm und der Musiker, Dichter und Internetaktivist Konstantin Wecker. Schramm will bei der Großdemonstration am Samstag in Frankfurt am Main auftreten, Wecker soll am gleichen Tag in München ein Gastspiel geben.

Angesichts der Bestimmung des früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Lucas Demetrios Papademos (64), zum neuen griechischen Ministerpräsidenten twitterte der Liedermacher: „ein bänker übernimmt Griechenland, gerade höre ich in den nachrichten, dass ein finanzexperte für italien im gespräch ist – bin ich hysterisch, seh ich gespenster oder ist da ein lupenreiner putsch im anmarsch? früher hat das militär geputscht, heute putschen wohl die bänker …“ (2)

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(1) http://www.stellungnahme-zur-krisenpolitik.de/index.php?id=10228

(2) http://hinter-den-schlagzeilen.de/

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