EU-Politik

Atomkraft nein, kommunales Wasser ja! Italiener stimmen gegen Berlusconi und die Macht der Konzerne

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Von REDAKTION, 14. Juni 2011 –

In Italien zeichnet sich ein Stimmungsumschwung ab. Die Mehrheit der Bevölkerung wandte sich am Montag in mehreren Referenden deutlich gegen zentrale Vorhaben der Regierung des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und entzogen damit auch seiner fatalen Politik einer forcierten Privatisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge die Legitimation.

Mit einer bemerkenswert hohen Beteiligung von 57 Prozent der Italiener stimmten 94,7 Prozent der Abstimmenden gegen den  von Berlusconi beabsichtigten Wiedereinstieg ihres Landes in die Kernenergie Außerdem setzten 95,1 Prozent das „Immunitätsgesetz“ außer Kraft, das es Amtsinhaber Berlusconi erlaubt hatte, bei einer „legitimen Verhinderung“ den gegenwärtig vier gegen ihn eingeleiteten juristischen Verfahren fernzubleiben. Gegen die Privatisierung des Wassers stimmten sogar stolze 95,8 Prozent.

Berlusconi versuchte die schwere Niederlage in der Atomfrage in einer Pressekonferenz mit seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu zunächst mit den Worten  zu überspielen: „Dann werden wir uns stark auf dem Feld der erneuerbaren Energien engagieren müssen.“ Ebenso wie eine Reihe seiner Minister hatte er vergangene Woche angekündigt und nahegelegt, nicht abstimmen zu gehen, damit das nötige Quorum von 50 Prozent nicht erreicht werden kann. Dieses gleichermaßen taktische wie ignorante Verhalten scheint sich angesichts des riesengroßen Interesses der Bürger am Thema Atom wie ein Bumerang gegen den in immer neue Affären verstrickten 74-jährigen Politiker gewandt zu haben.

Die Italiener hatten sich 1987 nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bereits einmal in einem Referendum für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden. Vor zwei Jahren kündigte Berlusconi dann jedoch an, wieder in die Kernkraft investieren zu wollen.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Japan legte seine Regierung das Vorhaben dann zwar auf Eis. Sie wollte mit diesem Atom-Moratorium nicht zuletzt auch das Referendum der Opposition und der Atomgegner hinfällig machen. Die Gerichte ließen die Abstimmung aber dennoch zu.

Berlusconi selbst wollte am Tag nach der Niederlage zum Regierungsalltag zurückkehren. Er kündigte für Dienstag eine Kabinettssitzung an, um mit den Ministern „ausschließlich“ über ein neues Müllgesetz zu reden. „Regierung und Parlament haben jetzt die Aufgabe, den Entscheidungen der Referenden voll nachzukommen“, hatte er die Niederlage kommentiert.

Die Sitzung in Rom war für mittags angesetzt, während in Mailand in Berlusconis Sexprozess um den Fall „Ruby“ eine weitere Anhörung anstand. Dabei sollten die Einsprüche der Berlusconi-Verteidiger behandelt werden.

Die linke Opposition, Umweltschützer und Atomgegner feierten ihren großen Sieg nachts auf der Piazza und auch im Internet. 57 Prozent Wahlbeteiligung bei der zweitägigen Abstimmung bedeuteten, dass es erstmals in 16 Jahren bei einem Referendum dieser Art wieder gelungen war, die Hürde (Quorum) von 50 Prozent Wahlbeteiligung zu nehmen.

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Die Schlappe bei der Volksabstimmung war kurz nach den Kommunalwahlen bereits die zweite böse Überraschung für die rechtsgerichtete Regierung. Bei den Kommunalwahlen unlängst hatte Berlusconi hoch gepokert, sie zu einem „nationalen Test“ ausgerufen, dann aber die Hochburg Mailand an die Linke verloren. Der Lack ist ab, der „ewige Sieger“ angeschlagen, frohlockte das Anti-Berlusconi-Lager. Mittels direkter Bürgerbeteiligung ist es der Opposition innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal gelungen, die Regierung Berlusconi in die Knie zu zwingen

Nun verschärfen sich die Spannungen zwischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi und seinen Koalitionspartnern von der rechtspopulistischen Lega Nord. Die Lega will nun eine Reihe von Forderungen für ein Weitermachen in der Regierung stellen. (mit dpa)

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