EU-Politik

Bis zum nächsten Crash

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Brüssel meldet Vollzug der „Zypernrettung“ –

Von THOMAS EIPELDAUER, 25. März 2013 –

Nach mehr als einer Woche hektischer Auseinandersetzungen hat Zypern sich mit der EU-Troika auf ein „Rettungspaket“ verständigt. Demnach soll die Abgabe auf Einlagen zyprischer Kontoeigentümer nun doch kommen, allerdings in stark modifizierter Form. Im Unterschied zum ursprünglichen nach dem EU-Gipfel vom 15./16.März ausgehandelten Deal werden Guthaben von Kleinsparern nicht betroffen sein. „Konten unter 100 000 Euro sind geschützt, da gibt es keinen Zweifel dran“, betonte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem.

Die Laiki-Bank, das zweitgrößte Institut des Landes, soll abgewickelt und in eine „Good“ und eine „Bad“ Bank aufgespalten werden, deren erstere der Bank of Cyprus zugeschlagen wird. Sowohl bei der Laiki-Bank als auch im Fall der Bank of Cyprus müssen Inhaber mit Konten von über 100 000 Euro mit Verlusten rechen, im Falle ersterer mit bis zu 40 Prozent. Insgesamt soll das Gewicht des Bankensektors in der Volkswirtschaft des Landes zurückgehen, hatten doch die Liquiditätsprobleme ihren Grund vor allem in diesem Bereich.

Zufrieden zeigten sich zunächst nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel und Eurogruppen-Chef Dijsselbloem, sondern auch der zyprische Präsident Nikos Anastasiades: „Wir haben einen Deal, der gut für Zypern und die Europäische Union ist“, zitiert ihn die griechische Tageszeitung Kathimerini.

Gleichwohl bleibt vieles offen. Die Details der Vereinbarung sind der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich, auch muss etwa der Deutsche Bundestag der Abmachung noch zustimmen. Was passiert, wenn die seit einer Woche geschlossenen zyprischen Banken am morgigen Dienstag wieder öffnen, ist auch kaum absehbar.

Forderung nach Referendum

Ebenso noch nicht zu beurteilen ist die Frage, welche Maßnahmen neben der lautstark diskutierten und durchaus nachvollziehbaren Schrumpfung des Bankensektors darüber hinaus auf dem Programm der EU-Experten stehen. Schon jetzt ist von Steuererhöhungen und Privatisierungen die Rede, mittels derer ein Teil des Eigenanteils Zyperns aufgebracht werden soll. Hatte sich der vorherige Präsident des Landes, Dimitris Christofias von der kommunistischen Partei AKEL, im Januar noch strikt geweigert als Gegenleistung für Kredite aus Brüssel Staatseigentum zu verscherbeln, dürfte Nikos Anastasiades diesem Wunsch der „Euroretter“ nun endgültig nachgegeben haben.

Welche Dimensionen der Ausverkauf auf Geheiß der Troika annehmen kann, hat man in den vergangenen Jahren in Griechenland sehen können: Der dortige Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF) wirft zu Schleuderpreisen alles auf den Markt, was man sich vorstellen kann: Häfen und Flughäfen, die staatliche Zuggesellschaft TrainOSE, die Wasser- und Elektrizitätsversorgung und vieles mehr.

Dementsprechend ablehnend kommentierte die kommunistische AKEL, die nach der konservativen DISY zweitstärkste Partei des Landes, das Übereinkommen mit der Euro-Gruppe. In einem ersten Statement betonte sie, dass es sich dabei nur um „den Beginn von neuen Problemen für Zypern und seine Bevölkerung“ handele. Zu erwarten stünden eine Verschärfung der Krise, weitere Austeritätsforderungen, Privatisierungen und die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Deshalb sei es nötig, ein Referendum zu dem Maßnahmenpaket durchzuführen.

Demokratie als Skandal

Unabhängig vom Inhalt der jeweils verhandelten Maßnahmen zeigte die vergangene Woche vor allem eines: Die Herrschaftsmechanismen in der Euro-Zone vertragen sich nicht mit den Überresten nationalstaatlicher Demokratie. Als am Dienstagabend die Abgeordneten in Nikosia gegen den „Vorschlag“ von Troika und Euro-Gruppe stimmten, löste das bei den Eliten eine europaweite Panik aus – dabei war nicht viel mehr als das Trivialste geschehen: Parlamente können auch einmal anders abstimmen, als es Brüssel beliebt.

Durch die Servilität der Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras in Griechenland nur noch an Zustimmung gewöhnt, nahm man das Votum der Zyprer in Brüssel und Berlin als Skandal wahr. Angela Merkel gab sich „verärgert“, der Unionsfraktionschef Volker Kauder riet dem widerspenstigen Inselvolk gar, nicht „mit dem Feuer“ zu spielen. Prompt griff jener Mechanismus, der auch in Hellas seit Jahren angewandt wird: Jede bestehende Option wird von vornherein ausgeschlossen, um der Troika-Politik den Anschein der „Alternativlosigkeit“ zu geben. Kredite aus Russland seien tabu, weil sie die Staatsverschuldung weiter steigern würden, war aus dem Finanzministerium in Berlin zu hören. Und die Europäische Zentralbank meldete sich, noch bevor aus Zypern überhaupt ein Alternativvorschlag gekommen war, mit der Drohung zu Wort, man werde ab Montag die Notfallhilfen für die Banken des Landes einstellen, es sei denn, „ein EU/IWF-Programm ist eingerichtet“. Nationalstaatliche Demokratie erscheint hier nur noch als Ärgernis, als Fremdkörper im technokratischen Prozess des Krisenmanagements. Dementsprechend wird der jetzt mit der Troika gefundene Kompromiss auch nicht mehr in Nikosia zur Abstimmung gestellt.

Keim der nächsten Krise

Ist damit diese Etappe der Eurokrise vorerst abgeschlossen, so kann man schon jetzt sicher sein: Der nächste Absturz kommt bestimmt. Sicherlich wird sich der eine oder andere Finanzmarktakteur bereits ausrechnen, wie viele Schwierigkeiten den Experten in Brüssel eine „Spanienrettung“ bereiten würde, wenn schon das Ausscheren einer sehr kleinen Volkswirtschaft wie Zypern die Währungsunion in die Bredouille bringt. Zugleich wurde mit dem – gescheiterten – Versuch, Kleinanlegern in die Taschen zu greifen, klar, dass die „Garantien“ für Sparer Makulatur sind, sobald es ans Eingemachte geht.

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Und dann ist da noch der Umstand, dass die bisherigen Austeritätsdiktate für die Peripherieländer vor allem eines bedeutet haben: die Zerstörung ihrer Volkswirtschaften. Dramatische Auftragseinbrüche im produzierenden Gewerbe (Portugal), 55 Prozent Jugendarbeitslosigkeit (Spanien) oder eine sechs Jahre andauernde Rezession (Griechenland) lassen nicht auf rasche Erholung hoffen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine nationalstaatliche politische Entscheidung das Austeritätsregime erneut ins Wanken bringt: Die griechische Linkspartei SYRIZA, die in wesentlichen Punkten gegen das Troika-Programm ist, ist in Umfragen zur Zeit stimmenstärkste Partei in Hellas.

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