Weltpolitik

US-Studie: Drohnen-Angriffe terrorisieren Bevölkerung

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Von REDAKTION, 26. September 2012 –

Die amerikanischen Drohnen-Angriffe in Pakistan terrorisieren laut einer Studie von US-Wissenschaftlern die Bevölkerung. Zivilisten litten rund um die Uhr unter der Angst vor den Luftschlägen, die vor allem Aufständische im Nordwesten des Landes zum Ziel hätten, so eine Studie der Stanford University und der New York University.

Die in London ansässige Menschenrechtsorganisation Reprieve hatte die Studie in Auftrag gegeben. Sie handelte im Namen des Pakistaners Noor Khan, der im März 2011 seinen Vater bei einer Drohnen-Attacke im pakistanischen Nord-Waziristan verlor. Bei dem Angriff wurden fünfzig Einwohner der Ortschaft getötet. (1)

Reprieve-Direktor Clive Stafford Smith fasste die Ergebnisse der Studie zusammen, für die auch die Bevölkerung vor Ort befragt wurde: „Drohnen-Angriffe gehen in ihrer Wirkung weit über das Töten unschuldiger Zivilisten hinaus. Eine ganze Region wird durch die permanente Bedrohung aus der Luft terrorisiert. Der Alltag bricht zusammen: Kinder sind zu verängstigt, um zur Schule zu gehen, Erwachsene meiden aus Angst Hochzeiten, Beerdigungen, Geschäftstreffen und alle Gelegenheiten, bei denen sich Menschen in Gruppen zusammen finden. Noch immer ist kein Ende in Sicht, nirgends können sich die gewöhnlichen Männer, Frauen und Kinder in Nordwest-Pakistan sicher fühlen. George Bush wollte einen globalen, grenzenlosen  „Krieg gegen den Terror“, aber es ist der Drohnen-Krieg Obamas, der den Traum seines Vorgängers wahr werden ließ.“ (2)

Krieg gegen Terror mit Terrormethoden

Der Bericht beschreibt auch eine besonders perfide Methode, die bei den Drohnen-Angriffen zur Anwendung kommt. Dabei handelt es sich um die Taktik „doppelter Schläge“, wie sie ansonsten nur von Terrorgruppen bekannt ist, die bei Anschlägen eine möglichst hohe Anzahl an Opfern produzieren wollen.

Dabei werden diejenigen in einer zweiten Welle attackiert, die nach dem ersten erfolgten Angriff den Opfern zu Hilfe eilen. Die CIA, die in Pakistan die Drohen-Einsätze durchführt, wartet nach dem ersten Schlag eine gewisse Zeit ab, bis sich Rettungskräfte und andere Menschen zum Ort des Geschehens begeben haben, um Verletzte zu versorgen, und schlägt dann erneut zu.  „Sobald es einen Drohen-Angriff gibt, eilen Menschen zum Rettungseinsatz, und fünf bis zehn Minuten nach dem ersten Angriff attackieren sie die Rettungskräfte“, so ein örtlicher Journalist. (3) Eine führende humanitäre Hilfsorganisation hat die „Richtlinie aufgestellt, aufgrund von Folge-Attacken nicht sofort zum Ort eines Drohen-Angriffs zu eilen. Es gilt die Vorschrift, mit sechs Stunden Verzögerung zu reagieren“, so der Bericht. (4)

Diese Vorgehensweise offenbart, wie wenig Rücksicht die USA hinsichtlich der Vermeidung ziviler Opfer nehmen. Offizielle Angaben zur Zahl der Einsätze und der zivilen Opfer gibt es nicht.

Ungeachtet der Proteste Pakistans setzen die USA weiter regelmäßig und völkerrechtswidrig Drohnen ein. US-Präsident Barack Obama verteidigt die Angriffe mit den unbemannten Flugzeugen. Diese würden nicht willkürlich, sondern „sehr sorgfältig“ und „sehr gezielt“ durchgeführt, hatte er Anfang des Jahres gesagt.

Bundeswehr will auch per Drohne „ausschalten“

Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, drängt auf eine schnelle Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Truppe. „Gerade in den Auslandseinsätzen wie in Afghanistan wären Kampfdrohnen sehr wichtig“, sagte er der Passauer Neuen Presse. „In Gefahrensituationen wie im Falle eines Hinterhalts könnte der Gegner direkt ausgeschaltet werden.“

„Wir brauchen die bewaffneten Drohnen sehr schnell und sollten sie jetzt beschaffen“, führte Kirsch weiter aus. „Gerade im Zuge der Rückverlegung der Soldaten aus Afghanistan nach Deutschland müssten die Einsatzkräfte die Möglichkeit haben, diese Waffen zu nutzen.“ Der Haushaltsausschuss des Bundestages sollte dafür jetzt schnell grünes Licht geben. „Wir können nicht warten, bis die europäischen Partner eine eigene Drohne entwickelt haben.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, rechnet aber nicht mit einem Einsatz von deutschen Kampfdrohnen beim angestrebten Rückzug aller Truppen vom Hindukusch bis 2014. „So schnell ist das nicht zu bewerkstelligen. Die Anschaffung einer Militärdrohne ist nicht so leicht abzuwickeln wie ein Autokauf“, sagte Beck der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Nachgedacht werde über den Kauf eines entsprechenden Systems aus Israel oder den USA für 2014. Parallel bemühe sich die Bundesregierung, mit Frankreich einen Vertrag über die Entwicklung und den Bau einer europäischen bewaffneten Drohne zu schließen. „Wir hoffen, dass wir bis 2020 eine europäische Lösung gefunden haben“, so Beck.

Anmerkungen

(1) http://www.reprieve.org.uk/press/2012_05_09_drones_victims_sue_pakistan_complicity/

(2) http://www.reprieve.org.uk/press/2012_09_25_drones_pakistan_reprieve_stanford_nyu/

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