Reformen

Bedingungsloses Grundeinkommen hat Akzeptanz in der Bevölkerung

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Von REDAKTION, 5.  November 2010 –

Das geht aus einer Befragung er Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung hervor, deren Ergebnisse am Freitag in Berlin vorgestellt wurden. „Die Deutschen stehen dem Bedingungslosen Grundeinkommen leicht positiv gegenüber“, heißt es in der Studie, für die 2.100 Bundesbürger befragt worden waren. Die Idee eines Grundeinkommens, Bürgergeldes oder einer Mindestsicherung sei mittlerweile 50 Prozent der Deutschen bekannt.

Für den Unternehmer Götz W. Werner, einen der emsigsten Fürsprecher der Idee, sind diese Zahlen ein Indiz für einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. „Das Glas ist mittlerweile mehr als halbvoll“, sagte der  Gründer von dm-drogerie markt und der Initiative Unternimm-die-Zukunft.

Laut Studie geben 72 Prozent aller Erwerbstätigen an, ihr Arbeitsangebot auch nach Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) nicht senken zu wollen. „Die Reduktion des Arbeitsangebots seitens der Erwerbstätigen wird durch den Eintritt von derzeit Nicht-Erwerbstätigen in die Erwerbstätigkeit vollständig kompensiert.“ Grünenpolitiker Strengmann-Kuhn sagte, er sehe darin die Hoffnung bestätigt, dass das Grundeinkommen nicht zur Faulheit sondern zur Tätigkeit motiviere.

Der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider wies darauf hin, dass mit der Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens laut Studie ein massiver Rückgang der Beschäftigung in der Schattenwirtschaft zu erwarten sei.

Auf die Frage aus dem Publikum, wie das Bedingungslose Grundeinkommen mit Forderungen nach einem Mindestlohn und dem sozialen Sicherungssystem in Verbindung stünde, wollte oder konnte Werner nicht viel sagen und begnügte sich mit der interpretationsbedürftigen Auskunft, das das Grundeinkommen, den Mindestlohn übertreffe. An dieser Stelle sprang Strengmann-Kuhn ein und verwies darauf, dass es unterschiedliche Modelle von Grundeinkommen gäbe, die auf unterschiedliche Weise mit dem sozialen Sicherungssystem kombiniert würden.

Über die Unterschiede der verschiedenen Modelle wurde dann aber nicht mehr eingegangen. Das wäre freilich schon deshalb wichtig gewesen, weil beispielsweise das unter einer CDU-Kommission unter Leitung des ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus entwickelte Konzept für ein Grundeinkommen nur  600 Euro monatlich für Erwachsene wie für Kinder vorsieht. Davon müssten 200 Euro pro Person verpflichtend in die gesetzliche Krankenkasse eingezahlt werden, womit die verbleibenden 400 Euro nur zehn Prozent über dem heutigen Hartz-IV-Regelsatz läge.

Würde die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens in den gegenwärtigen Verhältnissen einer kapitalistischen Profitökonomie durchgesetzt, würde das nach Ansicht vieler Kritiker zugunsten der Gewinnspannen der Unternehmen und zu Lasten der abhängig Beschäftigten geschehen. Der Gewerkschaftssekretär Ralf Krämer schreibt dazu: „An den Lohn könnte nicht mehr der Anspruch gerichtet werden, zumindest eine existenzsichernde Höhe zu haben, denn er hätte den Charakter eines Zuverdienstes zum BGE. Die Renditeansprüche des Kapitals würden dagegen durch ein BGE nicht gemindert.

Es ist zu erwarten, dass die Einkommensverteilung unter solchen Bedingungen noch ungerechter wäre, als sie es heute schon ist. Die Menschen wären dann nicht – wie die BGE-Anhänger hoffen – weniger, sondern noch viel eher als heute bereit, für einen minimalen Lohn und unter prekären Bedingungen zu arbeiten. So wie schon heute viele, die in einem Minijob für Niedriglöhne „hinzuverdienen“, obwohl ihr Einkommen im Haushaltszusammenhang oder z.B. durch Bafög plus Elternzuschuß oftmals BGE-Niveau überschreitet. Oder wie jene Hartz-IV-Beziehenden, die bereitwillig und keineswegs nur erzwungen einen Ein-Euro-Job machen.

Selbst nur hundert Euro oder ein paar mehr im Monat könnten sich lohnen, wären besser als nur BGE. Die Schere im Einkommen und damit in der gesellschaftlichen Anerkennung zwischen Arbeitskräften mit besonders gefragten Qualifikationen und solchen mit geringen oder überreichlich angebotenen Qualifikationen würde noch weit stärker als heute auseinandergehen.

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BGE wäre faktisch der universelle Kombilohn als Subvention für das Kapital. Die linken Befürworter des Grundeinkommens fordern zwar zusätzlich einen Mindestlohn – aber fordern kann man viel, wenn der Tag lang ist. Die Realisierung eines Mindestlohns würde unter diesen Bedingungen nicht funktionieren, weil keine hinreichenden Interessen und Kräfte dafür zu mobilisieren wären, weil viele Millionen ihn unterlaufen würden. Der Kontrollaufwand wäre gigantisch.“ (1)

(1)   http://www.jungewelt.de/2010/11-05/017.php

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