Sozialabbau

„Null-Euro-Jobs“ für Arbeitslose. Die SPD reitet auf der Westerwelle

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Von REDAKTION/dpa, 8. März 2010 –

Das hätte sich auch ein Guido Westerwelle wohl nur schwer vorstellen können: Nur wenige Wochen nachdem er in einem rechtspopulistischen Vorstoß die Hartz-IV-Empfänger zum Schneeschippen verdonnern wollte, beginnt das Führungspersonal der SPD voll auf seine Linie einzuschwenken. So sprach sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit für mehr Druck auf junge Hartz-IV-Empfänger aus. „Den alleinstehenden, arbeitsfähigen jungen Mann, der nicht arbeiten will, muss man notfalls auch durch Kürzungen etwas beflügeln“, sagte der SPD-Bundesvize dem Springer-Blatt „Welt am Sonntag“.

Geht es nach der Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, dann sollen Hartz-IV- Empfänger demnächst sogar für Arbeiten in Altenheimen oder Sportvereinen verpflichtet werden „Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten“, sagte die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende dem Spiegel. Statt einer ordentlichen Bezahlung sollen sie dafür aber nur einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen. Während sie aus den Reihen der FDP für diese Form der Wahlkampfhilfe Lob erhielt, war die Kritik der anderen Parteien zum Teil ungewöhnlich scharf.

„Bei Westerwelle müssen Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen, bei Hannelore Kraft sollen sie im Frühling die Straße fegen“, sagte der designierte CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid. Die Vorsitzende der NRW-Grünen, Daniela Schneckenburger, stieß ins gleiche Horn: „Hannelore Kraft geht Guido Westerwelle auf den Leim und macht Wahlkampf für die FDP“.

Kraft plane nichts anderes als eine Verschärfung von Hartz IV, sagte der Linken-Politiker Klaus Ernst. Arbeit ohne Lohn nehme den Menschen die Würde. „Wenn die SPD in NRW auf Null-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose setzt, gibt es keine Gesprächsgrundlage“, sagte der designierte Bundesvorsitzende der Partei mit Blick auf eine mögliche SPD-Linken-Koalition nach der NRW-Wahl. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, betonte am Montag gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass Pflegeheime nicht für den Einsatz von Langzeitarbeitslosen geeignet seien: „Schwer- und schwerstpflegebedürftige Menschen brauchen Pflegekräfte mit hohem fachlichen und persönlichen Qualifikationen“. Auch das Erwerbslosen Forum Deutschland erteilte Krafts Vorschlägen eine Absage. Erwerbslose hätten nichts der Gesellschaft wieder zu geben. „Da wären zu allererst andere dran“, sagte Sprecher Martin Behrsing. Er kritisierte, dass Kraft ihre Forderung „mit den Begriffen Würde und Perspektive verpackt“. Es sei besonders die SPD gewesen, die die „Perspektivlosigkeit der Hartz IV-Bezieher erst ermöglicht hat“.

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Nur aus den Reihen der FDP bekam Hannelore Kraft uneingeschränkte Zustimmung: Mit den Äußerungen gestehe die SPD erstmals ein, dass es im Sozialstaat einen Erneuerungsbedarf gebe, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Nun wird allmählich deutlich, was die Führung der Sozialdemokratie meint, wenn sie seit einiger Zeit die Forderung nach „guter Arbeit“ vor sich her trägt: einen ganz gewöhnlichen Arbeitsdienst mit symbolischer Entlohnung.

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