Wirtschaft Inland

„Man fühlt sich wie ein Sklave“

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Vor der „Mall of Berlin“ protestieren geprellte Arbeiter. Unterstützung bekommen sie von einer Basisgewerkschaft.

Von THOMAS EIPELDAUER, 12. Dezember 2014 – 

Am Leipziger Platz in Berlin steht ein Einkaufszentrum. Hunderte, vielleicht Tausende Menschen betreten es, Stunde um Stunde, um ihren worweihnachtlichen Konsumrausch zu befriedigen. Mehr als 270 Geschäfte aus allen Sektoren, von Elektro bis Lebensmittel, von Fashion bis Gastronomie beherbert die „Mall of Berlin“, etwa 20 Minuten braucht man, um das riesige Areal zu Fuß zu umrunden.

Und vor dem Einkaufszentrum, in der Kälte neben dem beleuchteten Weihnachtsbaum, stehen dieser Tage 20 rumänische Arbeiter, die an der Errichtung dieses Prunkbaus mitgewirkt haben. Sie protestieren, denn man hat sie um ihren Lohn betrogen, um einen Lohn, der ohnehin nur bei 5 bis 6 Euro die Stunde lag, und der ihnen bis dato nicht vollständig ausgezahlt wurde.  „Wir protestieren gegen die Ausbeutung. Wir haben für 5 Euro gearbeitet, wir haben hart gearbeitet, 10 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche“, erklärt einer der Arbeiter (1). „Und wenn du dann nicht einmal dieses Geld bekommst, fühlst du dich wie ein Sklave.“

Die Probleme, die die Arbeiter hatten, begannen schon damit, dass ihre Auftraggeber ihnen versprochene Papiere nicht aushändigten. Bevor sie aus Rumänien zu ihrer neuen Arbeitsstelle kamen, versprach man ihnen Arbeitsverträge, die allerdings nicht ausgestellt wurden. Zugesagt wurde ihnen auch, alle 14 Tage Bezahlung zu erhalten, doch immer wieder kam es zu Verspätungen. Wochenlang müssen sie auf der Straße vor der Baustelle schlafen. Immer wieder werden sie hingehalten. Als sie zu protestieren begannen, reagierten die Auftraggeber mit Drohungen.   

Die ausständigen Löhne in der Höhe von 30 000 Euro wären Peanuts für den Investor der “Mall of Berlin” – Doch niemand fühlt sich zuständig

Die Streitsumme, um die es geht, ist wie auch die Löhne, die man den Arbeitern versprochen hatte, äußerst gering: 30 000 Euro. Dennoch will nun keiner verantwortlich sein. Der Investor des Großprojekts, Harald Huth, zieht sich aus der Verantwortung: „Wir haben unsere Rechnungen vollumfänglich jederzeit pünktlich über das vertraglich vereinbarte Soll bezahlt und wir haben an den Zahlungsschwierigkeiten von Bauunternehmen, die an dem Bauvorhaben beteiligt waren, kein Verschulden.“ (2)

Huth hatte einen Generalunternehmer für den Bau beauftragt, die Fettchenhauer Controlling & Logistics (FCL). Diese wiederum bediente sich einer Reihe dubioser Subunternehmer wie der „Metatec-Fundus GmbH & Co. KG“ und der „Openmallmaster GmbH“, die nun offenbar nicht mehr auffindbar sind.

Andreas Fettchenhauer, der Chef der FCL, hat mittlerweile Insolvenz angemeldet, seine Firma ist Pleite. Gegen Fettchenhauer hatte bereits vor Jahren der Zoll ermittelt, eine andere Firma, der er vorstand, die BSS Beton-System-Schalungsbau, hatte schon zu Beginn der Arbeiten an der „Mall of Berlin“ Insolvenz angemeldet, nachdem einer ihrer Subunternehmer der systematischen Vertuschung von Schwarzarbeit überführt wurde.

“Organisiert euch jetzt!” – Unterstützt werden die Arbeiter von der Basisgewerkschaft FAU

Weil offenbar keiner der verantwortlichen Unternehmer Lust hat, die ausständige Summe, die zumindest Harald Huth mit Sicherheit aus der Portokasse begleichen könnte, zu bezahlen, protestieren die rumänischen Arbeiter nun weiter. Unterstützt werden sie dabei von der anarcho-syndikalistischen Basisgewerkschaft FAU („Freie Arbeiterunion“), die mit den Betroffenen zusammen Flugblätter druckt, Demonstrationen organisiert und vor der „Mall of Berlin“ versucht, die Kunden über den Skandal aufzuklären.


 

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# Fotos dankend übernommen von Lower Class Magazine

(1) http://de.labournet.tv/video/6730/mall-der-schande
(2) http://www.tagesspiegel.de/berlin/mall-of-berlin-rumaenische-wanderarbeiter-kaempfen-um-ihren-lohn/11103326.html

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