Weltpolitik

„Nur das Volk ist der Quell aller Macht“

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Nach Krim-Referendum: Putin unterzeichnet Anschluss-Vertrag –

Von REDAKTION, 18. März 2014 –

Allen Protesten und Strafmaßnahmen des Westens zum Trotz gliedert Russland im Eiltempo die Schwarzmeer-Halbinsel Krim ein. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Dienstag den Vertrag über die Aufnahme des faktisch nicht mehr zur Ukraine gehörenden Gebietes in die Russische Föderation. Die große Mehrheit der Russen und der Krim-Bewohner sei dafür, sagte Putin in einer umjubelten Rede an die Nation im Kreml. „Nur das Volk ist der Quell aller Macht.“ Auch Vertreter der prorussischen Krim-Führung setzten in Moskau ihre Unterschriften unter das Dokument. Die noch ausstehende Zustimmung des Parlaments gilt als sicher.

Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt.

Putin sagte in seiner rund einstündigen Rede, die Krim sei immer ein Teil Russlands gewesen. Nun werde es zwei neue Subjekte Russlands geben. Es handelt es sich um die Teilrepublik Krim und die bisher direkt von Kiew verwaltete Hafenstadt Sewastopol, in der die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist.

Die nur die West-und Zentralukraine kontrollierende Regierung in Kiew  protestiert gegen die Abspaltung. Sie fürchtet weiteren Kontrollverlust: Im Süden und Osten des Landes demonstrierten in den letzten Tagen Zehntausende Menschen und forderten ein Referendum auch für ihr Gebiet. Dabei steht allerdings die Forderung nach einer Föderalisierung im Vordergrund, nicht ein Anschluss an Russland. Dennoch fürchten Kiews Machthaber eine Ausweitung dieser demokratischen Protestbewegung, deren Teilnehmern sie schwere Strafen androhen und die sie als Separatisten diffamieren. „Ministerpräsident“ Arsenij Jazenjuk kündigte an, die Demonstranten künftig von der im Aufbau befindlichen Nationalgarde jagen zu lassen. (1)

Mit massiver Repression will die Pro-EU-Regierung im Süden und Osten des Landes eine Entwicklung wie auf der Krim verhindern und der Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht verwehren. Aber auch Putin betonte: „Wir wollen keine Spaltung der Ukraine, wir brauchen das nicht.“ Dies bezog er allerdings nicht auf die Krim.

Vor Repräsentanten des öffentlichen Lebens bezeichnete Putin das international nicht anerkannte Krim-Referendum vom Sonntag über eine Angliederung an Russland als „überzeugend“. Es sei demokratisch und im Einklang mit internationalem Recht abgelaufen. Die Schwarzmeer-Halbinsel sei von enormer strategischer Bedeutung für die Region. „Die Krim als wichtiger Stabilitätsfaktor in der Region soll unter starker stabiler Souveränität stehen, die heute nur russisch sein kann.“

Der Kremlchef verurteilte die vom Westen verhängten Sanktionen gegen sein Land. „Wir betrachten ein solches Vorgehen als verantwortungslos und eindeutig aggressiv.“ Russland werde angemessen darauf reagieren. Das russische Parlament verurteilte die verschärften Sanktionen des Westens als „politische Hysterie“. In der schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges hatten die EU und die USA Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der Krim beschlossen.

Schwere Vorwürfe richtete Putin an die prowestliche Führung in Kiew. „Es gibt keine legitimierte Macht in der Ukraine.“ Der jüngste Machtwechsel in Kiew sei ein Putsch gewesen, der mit Mord und Terrorismus einhergegangen sei. Unter den neuen Kräften seien Neonazis, Russlandfeinde und Antisemiten. Als erste Maßnahme hätten die neuen Machthaber die Minderheiten im Land diskriminiert.

Der Westen solle die „Wiederherstellung der Einheit“ in Russland akzeptieren, forderte Putin, der den Anschluss der Krim mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 verglich. Russland habe damals im Gegensatz zu einigen anderen Ländern ausdrücklich dem Willen des deutschen Volkes für eine Einheit zugestimmt. „Ich bin mir sicher, dass die Deutschen uns unterstützen werden bei der Wiedervereinigung.“

Nach Angaben des russischen Senators Anatoli Lyskow wird nun auch das Parlament die Weichen schnell stellen. „Ich denke, dass alle Verfahrensschritte der Gesetzgebung im Zusammenhang mit der Eingliederung der Krim in den Staatsverband der Russischen Föderation wohl am Freitag abgeschlossen sein werden“, sagte Lyskow laut Agentur Interfax. Der Föderationsrat trete an diesem Freitag zusammen.

Die USA, die EU und die Ukraine erkennen das nicht an und sehen im Vorgehen Russlands einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Sie verurteilten die von der Krim-Bevölkerung gewünschte Vereinigung mit Russland als eine Annexion ukrainischen Territoriums durch Moskau. Obwohl unter den neuen Machthabern in Kiew an Kriegsrhetorik und schrillen Tönen kein Mangel besteht, gehen die meisten politischen Beobachter davon aus, dass es zu keinen direkten militärische Konfrontationen kommt – alleine, weil die ukrainische Armee der Kiewer Putsch-Regierung nur bedingt Folge leistet und sich darüber hinaus in einem desolaten Zustand befindet. In Kiew wird daher eine neue Armee aufgebaut, die sich aus politischen Sympathisanten, vornehmlich den schlagkräftigen Einheiten rechtsextremer Organisationen, rekrutiert, die bereits auf dem Maidan ihre Kampfkraft und auch Brutalität unter Beweis gestellt haben. Laut Andrij Parubij, einstiger Kommandeur der Maidan-Kämpfer und nunmehr Chef des ukrainischen Rats für nationale Sicherheit und Verteidigung, sollen 15.000 Aktivisten den Grundstock der im Aufbau befindlichen Nationalgarde bilden. Sie soll schließlich 60.000 Mitglieder umfassen. Parubji ist Mitbegründer der faschistischen Sozial-Nationalen Partei der Ukraine, die sich 2004 in Swoboda („Freiheit“) umbenannte. In einem aktuellen Interview mit der Welt fordert er die NATO dazu auf, Russland militärisch zu provozieren: „Warum taucht nicht mal eine Flotte der NATO im Schwarzen Meer auf, als Antwort auf diesen aggressiven Akt der Russen?“ Man werde sich „mit allen Mitteln“ „verteidigen“, falls es „weitere Aggression wie auf der Krim“ gebe, so Parubij.

(mit dpa)

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Anmerkungen
(1) Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=itl4Q3C0uRE
(2) http://www.welt.de/politik/ausland/article125905642/Russlands-Ziele-sind-die-Ukraine-und-Kiew.html

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