Umwelt

Gefangene im „Walkrieg“

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Australische Umweltaktivisten in der Hand von japanischen Walfängern –

Von SUSANN WITT-STAHL, 9. Januar 2012 –

Eine neue Schlacht um Leben und Tod der Wale in den antarktischen Meeren hat begonnen: Drei Aktivisten der Umweltschutzgruppe Forest Rescue haben am Wochenende vor der australischen Küste das japanische Schiff Shonan Maru 2 geentert. Sie seien über die Reling geklettert und hätten den dort angebrachten Stacheldraht sowie Metallspitzen überwunden, berichteten befreundete Tierschützer der Organisation Sea Shepherd Conservation Society. Die kooperiert mit Forest Rescue und hat deren  Aktivisten nachts mit zwei Booten zu dem japanischen Schiff gebracht. Die Shonan Maru 2 befindet sich in australischen Gewässern, um die Steve Irwin zu beschatten, die von Sea Shepherd im Rahmen ihrer Operation „Divine Wind“ (zum Schutz der antarktischen Meeresriesen) entsandt wurde, um die Walfänger bei der Ausübung ihres blutigen Handwerks zu behindern.  

Die Forest-Rescue-Aktivisten „werden innerhalb der 24-Meilen-Anschlusszone Australiens von einem dort eindringenden Schiff festgehalten, das bewaffnetes japanisches Militärpersonal mit sich führt“, erklärte Sea Shepherd am Samstag.  Ziel der Mission der Umweltschützer sei die Vermittlung einer „Botschaft“ gewesen: „Bringen Sie uns an die Küste in Australien und verlassen Sie anschließend unsere Gewässer.”

Es sei aber wahrscheinlich, dass die drei Australier nicht in ihr Heimatland, sondern nach Japan gebracht werden, sagte die australische Generalstaatsanwältin Nicola Roxon. Das kann noch Monate dauern, denn die Jagdsaison in den antarktischen Gewässern hat erst kürzlich begonnen.  Zurzeit würden alle möglichen rechtlichen Schritte geprüft, die zur baldigen Rückkehr der australischen Aktivisten führen könnten, so Roxon weiter. Vergangenes Jahr war bereits der neuseeländische Sea-Shepherd-Aktivist Peter Bethune, der ebenfalls auf ein Walfangschiff geklettert war, nach Japan gebracht und für fünf Monate ins Gefängnis geworfen worden.

Laut Sea Shepherd haben die drei Aktivisten, Geoffrey Tuxworth (47) aus Perth , Simon Peterffy (44) aus Bunbury  and Glen Pendlebury  (27) aus Fremantle bereits mit einem Hungerstreik begonnen, um ihre Freilassung durchzusetzen.  

„Wir kommen aus den Wäldern Australiens, um die Wale zu beschützen, die in territorialen Gewässern Australiens abgeschlachtet werden“, begründeten die drei Aktivisten in einer schriftlichen Erklärung, warum sie das große Risiko und die ihnen bevorstehenden Repressionen auf sich genommen haben. Sie wollen dagegen protestieren, dass die japanische Walfangflotte sich unter Missachtung  des Willens der Bevölkerung und eines Entscheids des australischen Bundesgerichtshofs in den heimatlichen Gewässern aufhalte.  „Wir sind enttäuscht von unserer Regierung und ergreifen diese Maßnahme, um sie an ihre Pflicht zu erinnern, bestehendes Recht zum Verbot von Walfangschiffen in unseren Gewässern durchzusetzen.“ Generalbundesanwältin Roxon erklärte dazu gegenüber der Tageszeitung The West Australian: „Wir unterstützen die Aktionen der Japaner nicht. Daher ergreifen wir ständig Maßnahmen, um den Walfang zu verhindern, inklusive einer Klage vor dem Internationalen Gerichtshof.“

In Wahrheit ist die australische Regierung aber weitgehend untätig geblieben: „Ist die unterwürfige Gesinnung der Kolonialpolitik so tief verwurzelt, dass es australischen Politikern zur zweiten Natur wird, die Forderungen mächtiger Nationen wie der Wirtschaftssupermacht Japan hinzunehmen?“, lautet eine provokative Frage von Sea-Shepherd-Chef Paul Watson in Richtung Canberra. Und „werden Geoffrey, Simon und Glen zu Sündenböcken gemacht, um Tokio bei Laune zu halten und den japanischen Ärger und die Demütigung zu besänftigen, dass ihr ,Sicherheitsschiff‘ zum zweiten Mal geentert wurde?“, lautet die nächste.  Der längst schon zur Legende gewordene Kapitän warnt die australische Regierung davor, weiter die Hände in den Schoß zu legen und nicht einmal ausreichend diplomatischen Druck auszuüben, der den Forest-Rescue-Aktivisten wenigsten einen Strafprozess  ersparen wird: „Jeder Tag, den diese drei Männer in einer Gefängniszelle in Japan verbringen, wird täglich an die Unaufrichtigkeit, die Hinterlist und Schande einer Regierung gemahnen, die ihre eigenen Staatsbürger verraten hat.“

In diesem Jahr wollen die japanischen Walfänger rund 1.000 Wale töten.  Auch die horrenden Kosten für den Wiederaufbau der Erdbeben- und Tsunamigebiete hält Japan nicht davon ab, zwecks zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen die Mittel für den Walfang deutlich aufzustocken. Offiziell erlegen die Japaner die Meeressäuger zu wissenschaftlichen Zwecken. Kritiker sehen darin aber nur einen Vorwand, zumal Forscher anderer Länder zu ähnlichen Ergebnissen kommen, ohne die Tiere zu töten.

Aus Sicherheitsgründen will das japanische Fischereiministerium keine Informationen mehr über den Umfang ihrer Flotte und deren genauen Zeitplan bekanntgeben. In der Fangsaison 2011 hatten die Japaner ihre Jagd auf die Wale angesichts verstärkter Störaktionen von Sea Shepherd abbrechen müssen.

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Der Kampf zwischen den Walfängern und Tierschützern wird immer erbitterter geführt.  Neuerdings macht Sea Shepherd die schwimmenden Schlachthäuser mithilfe von Aufklärungsdrohnen ausfindig. Die Japaner haben massiv aufgerüstet und antworten mit Wasserkanonen, Leuchtspurmunition und dem Einsatz der Long Range Acoustic Device, einer Schallkanone, die schmerzhaft laute Töne erzeugt. Vor zwei Jahren wurde Sea Shepherds High-Tech-Schnellboot Ady Gil im antarktischen Meer von einem japanischen Walfänger gerammt und sank. Die sechsköpfige Crew konnte sich retten. „Wir haben hier nun einen echten Walkrieg“, hatte Paul Watson damals angekündigt, „und wir haben nicht vor, uns zurückzuziehen”.

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