Der BND will es wissen: „Separatisten“ Schuld an MH17-Absturz

(20.10.2014/dpa)

Nach dem Absturz des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 in der Ostukraine gab es viele Schuldzuweisungen, eine klare Verantwortung für den Tod von 298 Menschen wurde nicht festgestellt. Jetzt weiß der deutsche Auslandsgeheimdienst anscheinend mehr.

Laut Darstellung des Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde die Passagiermaschine von „prorussischen Separatisten“ mit einer Rakete abgeschossen. Wie der Spiegel in seiner neuen Ausgabe berichtet, erklärte dies BND-Präsident Gerhard Schindler vor den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags.

Nach seinen Worten hatten die Separatisten ein russisches Luftabwehrsystem „Buk“ auf einem ukrainischen Stützpunkt erbeutet. Damit hätten sie am 17. Juli eine Rakete abgefeuert, mit der Flug MH17 mit 298 Menschen an Bord abgeschossen wurde. Die meisten Opfer waren Niederländer.

Bisher beschuldigen sich die Konfliktparteien gegenseitig, für den Absturz verantwortlich zu sein. Die offizielle niederländische Untersuchungskommission hat in einem Zwischenbericht zur Auswertung der Flugschreiber jede Schuldzuweisung vermieden. Der Bericht war lediglich zu dem Schluss gekommen, dass der Absturz des Flugzeugs weder auf menschliches noch auf technisches Versagen zurückzuführen sei. Aus dem Zusatz, dass zahlreiche Objekte die Boeing mit großer Wucht durchlöchert hätten und diese noch in der Luft zerborsten sei, konnte man einen wahrscheinlichen Abschuss durch eine Rakete ableiten. (1)
 
Die Schuldzuweisung des BND basiere auf einer „detaillierten Analyse“, so der Spiegel. Schindler habe dem Kontrollgremium „umfangreiche Belege, darunter eine Auswertung von Satellitenaufnahmen und verschiedenen Fotos“ vorgelegt. Um welches Material es sich hierbei konkret handeln soll, ist unbekannt.

Die russische Darstellung, wonach die Rakete von ukrainischen Soldaten abgefeuert wurde und ein ukrainischer Jagdbomber in der Nähe der Passagiermaschine geflogen sei, sei demnach falsch. „Es waren prorussische Separatisten“, so die definitive Aussage des BND-Chefs. Schindler behauptete laut Spiegel jedoch auch, die ukrainische Regierung habe Aufnahmen „gefälscht“, um die Schuld den „Separatisten“ zuzuschieben. Warum sie das trotz der angeblich existierenden „umfangreichen Belege“ für die Schuld der Aufständischen getan haben sollte, diese Erklärung blieb Schindler dem Gremium schuldig.

Die niederländische Regierung reagierte zurückhaltend auf die Darstellung des BND. Die Beurteilung der Geschehnisse sei Sache des damit beauftragten Sicherheitsrates in Den Haag sowie der Staatsanwaltschaft, sagte am Sonntag ein Regierungssprecher der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Das müsse mit großer Sorgfalt geschehen und brauche noch Zeit.

Die Aufständischen in der Ostukraine wiesen die Anschuldigungen des BND zurück. Das angeblich zum Abschuss verwendete Luftabwehrsystem „Buk“ sei höchst kompliziert, und die Aufständischen hätten in ihren Reihen nicht die nötigen Militärexperten, erklärte Andrej Purgin, Vizepremier der „Volksrepublik Donezk“, am Sonntag der Agentur Interfax zufolge. Die Anschuldigungen seien Folgen einer allgemeinen „Hysterie“. Schuld an dem Absturz habe die Führung in Kiew. Es sei unverständlich, dass die Regierung den Luftraum über dem Konfliktgebiet nicht gesperrt habe, so Purgin.

Die Aufständischen hatten sich im Juni zwar damit gebrüstet, ein „Buk“-System erbeutet zu haben. Allerdings erklärten sie nach dem Abschuss der Boeing 777-200, die Anlage sei nicht funktionstüchtig gewesen. Das hatten auch Ermittler in Kiew bestätigt.

Unterdessen fordert Die Linke Konsequenzen aus dem Geheimdienst-Bericht. „Der BND sollte seine Informationen und Einschätzungen offen legen. Für so eine schwerwiegende Behauptung müssen Beweise vorgelegt werden, die überprüft werden können“, erklärte Parteivize Tobias Pflüger gegenüber dem Handelsblatt. Diese könnten dann in eine unabhängige Untersuchung einfließen. „Dieses Verbrechen kann nicht durch interessengeleitete Geheimdienste, sondern nur durch eine unabhängige internationale Untersuchung aufgeklärt werden“, betonte Pflüger.

Anmerkungen

(1) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201409113237/globales/kriege/schuldzuweisungen-ohne-beweise.html

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