Stuttgart 21 - „Widerstand plus“: Dem Bahnprojekt droht ein Tod auf Raten

(12.12.2010/dpa)

Seit Jahresbeginn haben immer mehr Menschen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 demonstriert. Am Samstag gab es eine letzte Großkundgebung mit mehreren zehntausend Teilnehmern. Im kommenden Jahr soll es verstärkt weitergehen: Mit dem „Widerstand plus“.

Stuttgart21
Aus ganz Deutschland waren Stuttgart21-Gegner angereist.

Noch einmal verwandelte sich die Straße vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof in ein Meer aus Grün, das an diesem trüben und grauen Adventssamstag nur so leuchtete. Rechtzeitig zum vorweihnachtlichen Einkaufstrubel hatten die Gegner des Milliarden- Bahnprojekts Stuttgart 21 nicht nur wieder Nachschub an grünen Schals, sondern auch warme Mützen mit dem Aufdruck „K21“ für das Konzept des modernisierten Kopfbahnhofs neu im Angebot. Zahlreiche Menschen drängelten sich vor den Verkaufstischen, um noch ein Geschenk zu besorgen oder sich warm einzudecken.

Denn die Proteste sollen auch 2011 weitergehen. „Wer ist nach der Schlichtung für Stuttgart 21 plus?“ fragte Redner Hannes Rockenbauch die nach Veranstalterangaben 50.000 Zuhörer. Erst bei der Frage „Und wer ist stattdessen für Widerstand plus?“ brandete lauter Applaus auf.

Die bisherigen Proteste hätten Wirkung gezeigt und nur durch sie seien überhaupt erst die Schlichtungsgespräche unter Heiner Geißler zustande gekommen, so die einhellige Meinung der Kundgebungsredner. Lautstarken Applaus gab es für einige der Schlichtungsteilnehmer, die sich auf der Bühne versammelt hatten. Unter ihnen waren auch die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender und der Sprecher des „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“, Gangolf Stocker.

Noch im August habe es kaum einer für möglich gehalten, dass es – zumindest vorübergehend – einen Baustopp sowie später dann die Schlichtungsgespräche geben würde, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Auch Peter Conradi zog ein positives Fazit der Proteste: „Die Stadt hat sich verändert, sie ist lebhafter, offener und politischer geworden.“ Er erinnerte aber auch an den Polizeieinsatz am 30. September, der vor den ersten Baumfällungen im Schlossgarten mehr als 100 Verletzte zur Folge hatte.

Palmer sprach den Zuhörern, die teilweise mit Sonderbussen aus ganz Deutschland angereist waren, angesichts der jüngsten positiven Umfragewerte für Stuttgart 21 Mut zu. Geißlers Vorschläge seien technisch womöglich gar nicht machbar und unbezahlbar. „Wir müssen keine Angst haben. Das Projekt erledigt sich von selbst. Es ist halt ein Tod auf Raten“, sagte er. Die Schlichtung habe viele Argumente der Bahn als Propaganda entlarvt. Die „schönen Bilder sind zusammengefallen“. Es gebe keine europäische Magistrale mehr und auch die Wirtschaftskraft des Landes hänge nicht allein an dem Projekt.

Die Gegner würden nun alles daran setzen, den Schleier der Propaganda wegzuziehen, der nun erneut über die Menschen gelegt werde, sagte Palmer. „Stuttgart 21 plus“ sei in etwa so, als würde ein Fußballverein alle Vorrundenspiele in der Champions League verlieren und dennoch den Pokal gewinnen wollen. „Es steht 50 000 zu 0 für K21“, rief Hannes Rockenbauch den begeisterten Zuhörern zu.

Nach der mehr als einstündigen Kundgebung mit Reden und einer Einlage des Kabarettisten Matthias Deutschmann zogen zahlreiche grünbemützte und beschalte Demonstranten durch die Innenstadt. Lauten Applaus gab es für Aktivisten, die sich von einer Fußgängerbrücke auf der Route abgeseilt hatten und damit an die Baumbesetzer erinnerten, die seit dem Sommer die von den Fällungen bedrohten Platanen im Schlossgarten bewohnen.

Am abgesperrten und von Polizisten streng bewachten Landtag und an der Zentrale des CDU-Kreisverbandes brandeten – wie auch bei den zahlreichen Demos in den Wochen und Monaten zuvor – „Mappus-weg“-Rufe und „Lügenpack“-Parolen auf. Doch dieses Mal kam es zu keinen Rangeleien und der bunte Lindwurm zog friedlich weiter bis zum Hauptbahnhof.

Die nächsten Demonstrationen – noch in diesem Jahr

Die „Parkschützer“ wollen am kommenden Samstag (18. Dezember) mit einem Weihnachtsumzug gegen Stuttgart 21 protestieren, wie der Sprecher der Organisation Matthias von Herrmann sagte. Am 20. Dezember soll die letzte sogenannte Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 in diesem Jahr stattfinden. Die erste Protestveranstaltung im Jahr 2011 soll laut von Herrmann am 3. Januar stattfinden.

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