Innenpolitik

BKA - neues deutsches FBI gegen den Terror?

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von HELMUT LORSCHEID, 30. Juni 2008:

Im Deutschen Bundestag vergeht kaum eine Sitzungswoche in der Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble nicht etwas Neues in Sachen „Terrorismus­bekämpfung“ durch die Gremien jagt. In der vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause war es wieder einmal so weit. Dieses Mal  präsentierte er das „Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“, kurz BKA-Gesetz genannt. (1)

Schäubles Begründung ist immer die gleiche: „Die Bedrohung durch den islamischen Terrorismus ist hoch. Deutschland und Europa sind in das Ladenkreuz des Netzwerks des internationalen Terrorismus gerückt. (…) Im vergangenen Jahr sind in Europa 201 Terrorismusverdächtigte verhaftet worden…“ (2)

Schäubles Zahlenspiel

Spätestens hier dürften Strafverteidiger und andere Hüter des Rechtsstaats sich erstaunt die Augen gerieben haben. Denn die Zahl der Festnahmen mag vielleicht brauchbar sein bei der Zuteilung von Fleißkärtchen an Polizeibeamte – ein Kriterium für neue Gesetze ist sie sicherlich nicht.

Selbst wenn die Festnahmen von Tatverdächtigen– und nicht etwa die Zahl von gerichtlich verurteilten Tätern – ein Argument wären, wäre damit doch allenfalls bewiesen, dass es keiner Gesetzesänderung bedarf. Denn diese Festnahmen gab es ja auf der Grundlage der bereits geltenden Gesetze. Vielleicht genügen dem Bundesinnenminister solch halbseidene Strafgesetzbuch- Paragraphen wie der 129a noch nicht, der unter der Annahme des Verdachts auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Überwachung und Ausspähung politischer Szenen (wie etwa das
G-8-Bündnis oder Anti-Atom-Gruppen) ermöglicht. Praktiker, wie der Berliner Strafverteidiger Alain Mundt bezeichnen den 129a deshalb als „Ermittlungsparagraphen“, (3) weil er eine sehr breit angelegte Ermittlungskompetenz enthält und der Polizei praktisch alles erlaubt, was die Strafprozessordnung so hergibt. Am Ende, so Rechtsanwalt Mundt, stehe  meistens die Einstellung des Verfahrens und nur in seltenen  Fällen eine Verurteilung der ursprünglich verdächtigten Personen. (3) Die zuvor unter dem 129a-Verdacht erfolgten Haussuchungen, Observationen, Telefonüberwachungen etc. mit allen ihren Folgen für die betroffenen Personen können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Einschätzung des Strafverteidigers wird durch die offiziellen Zahlen bestätigt. Angaben des Bundesministeriums der Justiz zufolge wurden im Jahr 2004 nur  zwei, in 2005 sieben und 2006 dreizehn Personen nach 129a StGB verurteilt. Neuere Statistiken liegen noch nicht vor. Der Justizstatistik zufolge erfolgte nach 129b (Unterstützung von Terroristen im Ausland) bisher keine einzige Verurteilung (4). Presseberichten zufolge gab es allerdings im Frühjahr 2008 erste Verurteilungen aufgrund von Unterstützung einer ausländischen Gruppe mittels einer Internetseite. Der Paragraph 129b war im Rahmen der allgemeinen Terrorhysterie nach dem 11. September 2001 und damals – begleitet von großem Medien-Tamm-Tamm –  ins Strafgesetzbuch eingefügt worden. Zahlreiche Initiativen, Strafverteidiger und Bürgerrechtler fordern die Abschaffung der Paragraphen 129a und 129b (5)

Kritik auch von der FDP

In der Debatte zur ersten Lesung des BKA-Gesetzes wurden weitere Kritikpunkte, nicht nur an dem vorgelegten  neuen Gesetz, sondern auch an den, teilweise bereits seit Jahren geltenden „Anti-Terror-Gesetzen“ deutlich. So erinnerte die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz, MdB, an eine Aussage des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke , der zufolge „viele Festplatten bis zu zwei Jahren in Polizeibehörden vor sich hin modern, weil Personal fehlt…“ Eine äußerst interessante Feststellung. Vom BKA-Chef deshalb getroffen, weil er bei seinen damaligen Gesprächspartnern, Mitglieder des Bundestagsinnenausschusses, seine Forderung nach personeller Verstärkung im IT-Bereich untermauern wollte. Man stelle sich vor, die Festplatte mit wichtigen Kundendaten etwa von kleinen Handwerksbetrieben oder anderen Freiberuflern liegen Jahrelang bei einer Polizeidienststelle, ohne dass die Betroffenen Zugang dazu haben. Keineswegs nur eine Hypothese – sondern mehrfach Realität. Schleppende Ermittlungen, von Staatsanwälten, Polizei und auch Zoll haben schon zum Ruin manch einer kleinen Firma beigetragen.(6)

Doch im Kampf gegen den Terror scheint alles erlaubt. Da darf auch bei den Argumenten ein bisschen geschummelt werden. So erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach in der gleichen Debatte die „drei mutmaßlichen Attentäter“ im Sauerland hätten nur „dank der akustischen Wohnraumüberwachung“ gefasst werden können.(2) Eine Darstellung, der Geheimdienstkontrolleure anderer Fraktionen widersprechen.(6)

Zauberer Bosbach macht aus Shampoo Sprengstoff

Bosbach erzählte in der gleichen Rede auch etwas von  „80jährigen Duttträgerinnen, die sich verzweifelt an ihre Shampooflasche klammern, wenn ihnen erklärt wird, dass sie das Shampoo nicht mit an Bord nehmen dürfen, weil daraus möglicherweise Sprengstoff hergestellt werden könnte.

Dieser Herstellungsprozess indes muss sehr geheim sein. Außer dem Redner Bosbach scheint ihn niemand zu kennen. Dazu sei angemerkt, dass nach dem Luftsicherheitsgesetz tatsächlich gar keine Flüssigkeiten in den Kontrollbereich verbracht werden dürfen. (8) Wenige Meter hinter der Kontrollschleuse befindet sich beispielsweise im Flughafen Köln/Bonn der so genannte „Duty free-Shop“ in dem außer neuem Mineralwasser auch hochprozentiges wie Whisky, Wodka aber auch gefährliche, – weil ebenfalls brennbare Flüssigkeiten gekauft werden können. Dabei eignen  sich zum Flambieren: Rum, Weinbrand oder Kirschwasser, sowie jeder andere aromatische, hochprozentige Branntwein, vorausgesetzt der Mindestalkoholgehalt liegt nicht  unter 40   Volumenprozent, da sonst die Spirituose nicht entflammt oder nur kurz flackert (7). Auch mit Haarspray und manch anderer Schönheitskosmetik ließe sich ein Feuerchen im Flieger entfachen.

Das spielt jedoch beim sogenannten „Luftsicherheitsgesetz“ keine Rolle. (8) Über die Gründe dafür mag man spekulieren. Vielleicht geht es in diesem Gesetz gar nicht um die Luftsicherheit, sondern mehr um den Propagandaeffekt: Seht her, wir tun was, Fliegen  wird sicher, der Staat sorgt für Sicherheit in der Luft. Vielleicht auch deshalb, weil die Läden auf den Flughäfen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen.

Bosbach zählte in seiner Begründung für das neue BKA-Gesetz die deutschen Terroropfer auf und

verdeutlichte damit, dass es „Terror“ für ihn nur in Verbindung mit Links  (Beispiel RAF) oder Islamismus gibt. Morde von  rechtsradikalen Tätern versah der CDU-Politiker nicht mit dem Adjektiv „Terrorismus.“ (2)

SPD-Wiefelspütz sieht die Rechtsstaatlichkeit gestärkt

In seiner Kritik am neuen Gesetz argumentierte die FDP-Bundestagsabgeordnete Gisela Piltz grundsätzlich: „Es ist richtig, dass Terrorismus bekämpft werden muss. Aber wenn wir Terroristen nachgeben, indem wir die Freiheit einschränken, machen wir uns zu deren Erfüllungsgehilfen. Ein wehrhafter Rechtsstaat ist vonnöten, aber nicht ein Staat mit der Lizenz zum Erstschlag auf vagen Verdacht. Das ist aber genau das, was Sie hier tun.“ Dieter Wiefelspütz (SPD) glaubt „dass die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland in den letzten Jahrzehnten eher gewachsen ist.“ Er glaubt auch , „dass die Freiheit in diesem Land nicht weniger geworden ist.“ (2) Dem gegenüber sieht Ulla Jelpke, MdB, (Die Linke) dass sich durch „die gesamte sogenannte Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung wie ein roter Faden das Bestreben zieht, Grundrechte zuschleifen, um die allumfassende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“ Was mit dem BKA-Gesetz geschaffen werde, so Jelpke weiter „ist eine geheim ermittelnde Staatspolizei.“

Und das sei „nun wirklich das Allerletzte, was wir brauchen können.“ (2)

Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen)  fragte:“Ist es nicht eigentlich Aufgabe eines Bundesinnenministers, der als Verfassungsminister die Aufgabe hat, die Verfassung zu wahren und zu schützen, Freiheitsrechte in diesem Land auszudehnen und zu schützen?“ (2)

Er selbst, so Ströbele weiter, habe die Dutzende von Sicherheitsgesetzen der letzten Jahrzehnte evaluieren lassen und eine ganze Reihe gefunden, „die überflüssig und und gefährlich sind.“

Gert Winkelmeier, MdB stellte die Frage nach der Definition der „Gefahren des internationalen Terrorismus“. Diese Frage bleibe in den Ausführungen der KoalitionspolitikerInnen ebenso offen wie auch im Gesetzestext.
In diesem Gesetz erhält das BKA im § 20 (Allgemeine Befugnisse) eine 20 Schreibmaschinenseiten lange Liste neuer Befugnisse, die ein buntes Allerlei aus den verschiedenen Polizeigesetzen der sechzehn Bundesländer darstellen. Ihre Aufzählung im Entwurf reicht von § 20a bis § 20s. (1) Eine nach Auffassung auch des FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Max Stadtler völlig überflüssige Ausdehnung der BKA-Befugnisse. Denn so Stadtler, in Deutschland sei die Polizei „im Grundgesetz aus gutem Grunde als Ländersache definiert. (…) Kompetenzstreitigkeiten und Reibungsverluste werden die Folge sein. (…) Ich sage Ihnen: Das ist ein Sicherheitsgewinn, sondern ein ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der ausgezeichneten Arbeit der Länderpolizeien. (…) Durch dieses Gesetz wird eine Fülle von Grundrechtseingriffen ohne ausreichende Begrenzung zugelassen.(…) Sie schaffen eine Mischform von Polizei- und Nachrichtendienst und verstoßen damit zugleich in eklatanter Weise gegen den bewährten Grundsatz der Trennung von Polizeiarbeit und nachrichtendienstlicher Arbeit…“ (2)

Obwohl die SPD-Minister im Bundeskabinett dem BKA-Gesetz zugestimmt haben, erhoffen sich SPD- Bundestagsabgeordnete wie der ehemalige BKA-Beamte Frank Hofmann noch Änderungen des Textes im Laufe des Gesetzgebungsverfahren. Gegenüber dem Autor kündigte Hofmann für den Herbst dieses Jahres auch eine Anhörung von Fachleuten im Bundestag an.(2)

 

(1) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609588.pdf

(2) Alle Debattenbeiträge: Deutscher Bundestag, 170. Sitzungswoche
http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/16/16170.pdf

(3) Telefonat des Autors mit dem Strafverteidiger Alain Mundt, 25.6.2008

(4) Telefonat d. A. mit der Pressestelle des Bundesjustizministerums am 24.6.2008

(5) http://www.rote-hilfe.de/topnews/weg_mit_paragraph_129a

(6) Recherchen des Autors

(7) http://de.wikipedia.org/wiki/Flambieren

(8) http://www.bundesrecht.juris.de/bundesrecht/luftsig/gesamt.pdf

Zum Luftsicherheitsgesetz siehe auch:

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