Innenpolitik

Den Giftmischern auf der Spur - Behörden bearbeiten Dioxin-Skandal

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Von REDAKTION, 5. Januar 2011 –

Im Dioxinskandal suchen die Behörden nach den Futter-Panschern. Weitere Bauernhöfe wurden vorsorglich geschlossen. Nordrhein- Westfalen gibt Kennnummern bekannt, an denen dioxinbelastete Eier zu erkennen sind.

Die Behörden vermitteln der Öffentlichkeit, mit Hochdruck an der Aufklärung des Futtermittel-Skandals zu arbeiten. In Nordrhein-Westfalen wurden am Dienstagabend vorsorglich 139 weitere Betriebe gesperrt. Dioxinverseuchte Eier und möglicherweise belastetes Geflügelfleisch verunsichern Verbraucher, empören Landwirte und rufen Bundesregierung und EU-Kommission auf den Plan. Die Bundesregierung prüft schärfere Regeln für Hersteller, die EU verlangt Aufklärung.

Nordrhein-Westfalen veröffentlichte als erstes betroffenes Bundesland Kennnummern, anhand derer die Verbraucher dioxinbelastete Eier erkennen können. Sie sind jeweils auf die Schale gestempelt. So bleibt Sache des Verbrauchers, die Sicherheit seiner Lebensmittel selbst zu prüfen – eine Aufgabe, für die die Länder im Vorfeld zu sorgen hätten und für die nicht unerhebliche steuerliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Verbraucherschützer des Landes Niedersachsen haben nach eigenen Angaben eine „außerordentlich hohe“ Dioxin-Belastung des in den Handel gelangten Tierfutters festgestellt. In einer Probe seien 123 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett ermittelt worden. Bernhard Aue, beim Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (Laves) für die Futtermittelüberwachung zuständig, sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Das ist ein außerordentlich hoher Wert.“ Von Teilen des Futters, das mindestens 15 Hersteller an Landwirte in Niedersachsen verkauft haben, gehe ein „erhebliches Kontaminationsrisiko“ für Lebensmittel aus.

Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bauer aus Spenge (Westfalen) und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, erklärte in einer Stellungnahme zu dem jüngsten Futtermittelskandal: „Die Futtermittelindustrie ist bislang für alle Dioxinfuttermittelskandale verantwortlich gewesen. Warum sollte es dieses Mal anders gelaufen oder ein Versehen gewesen sein? Es muss der Eindruck entstehen, dass bei der Futtermittelherstellung bewusst Giftstoffe untergemischt werden, um zusätzliche Gewinne zu erzielen, ganz gleich, welche Folgen das für Tier und Mensch hat.“

Als sei die kriminelle Profitgier mit Appellen und halbherzigen Forderungen zu stoppen, wünschen sich die Grünen im Bundestag eine bessere Abstimmung der Bundesländer. „Das heißt ein einheitliches Vorgehen der Bundesländer mit der Priorität auf Verbraucherschutz“, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte mehr Transparenz über den Verbleib belasteter Eier. „Dazu gehört auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren können, ob mit Dioxin belastete Eier bei ihrem Lebensmittelhändler verkauft wurden“, sagte Aigner den Ruhr Nachrichten (Mittwoch). Pech nur, wenn diese Produkte längst verzehrt sind.

Nach Informationen der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitung Neue Westfälische (Mittwochausgabe) hat das NRW- Verbraucherministerium bei der EU bereits die Zustimmung für eine Erhöhung der Bio-Förderung beantragt. Das bestätigte ein Sprecher des Ministeriums. Verstärkt gefördert werden sollen Betriebe, die auf den alternativen Anbau umstellen. Doch auch von der EU wird der Verbraucher getäuscht. Schaut man hinter die Kulissen, entspricht längst nicht alles einer artgerechten Tierhaltung, was später mit dem EU-Siegel zertifiziert wird. Genauso wie die konventionelle Landwirtschaft unterliegt die Bio-Wirtschaft dem Prinzip der Profitmaximierung auf Kosten von Mensch und Tier.

Das Unternehmen Harles & Jentzsch soll im November und Dezember 2010 insgesamt 2700 Tonnen Dioxin-belastetes Futterfett an 25 Futtermittelhersteller geliefert haben. Die Ware sei an Firmen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Sachsen-Anhalt gegangen, berichtet das Bielefelder Westfalen-Blatt (Mittwoch) unter Berufung auf das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. In dem Futterfett soll sich nach Angaben des Bundesamtes technische Mischfettsäuren befunden haben, die nicht für die Verwendung von Futtermitteln, sondern für den Einsatz zur Papierherstellung bestimmt waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Firma Harles & Jentzsch.

Die technische Mischfettsäure sei bei der Produktion von Biodiesel bei der Firma Petrotec am Standort Emden angefallen. Die Ware wurde der Zeitung zufolge von der niederländischen Firma Olivet in Poortugaal bei Rotterdam angekauft und sofort an Harles & Jentzsch weitergeliefert. Olivet habe die Ware korrekt als technische Mischfettsäure gekennzeichnet. Dies hätten die Kontrollen der niederländischen Behörden ergeben, sagte ein Unternehmenssprecher der Zeitung. Die Verunreinigung der Futtermittel sei in Deutschland geschehen.

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Der aktuelle Dioxinskandal ist kein Einzelfall. Graefe zu Baringdorf  führt in der aktuellen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft weiter aus: „Immer wieder wird bei Lebensmittelskandalen sichtbar, mit welcher kriminellen Energie von Teilen der Futtermittelindustrie gearbeitet wird. Ich erinnere an den Skandal um mit Dioxin verseuchte Eier und Fleischwaren in Belgien, wo Transformatorenöle in Futtermittel untergemischt wurden oder um dioxinverseuchtes Schweinefleisch aus Irland, wo Maschinenöl beim Futter dazugemischt wurde. Die Bundesregierung ist aufgefordert, nicht nur herauszufinden, woher die Verunreinigungsquelle kommt und wohin verseuchtes Futter geliefert wurde. Sie muss endlich Anstrengungen unternehmen, um den kriminellen Sumpf trocken zu legen. Das heißt konkret zu klären, wie die Wege bei der Futtermittelherstellung verlaufen, welche Futtermittelzutaten woher kommen und genaue transparente Angaben über die Zusammensetzung eines Futtermittels gewährleisten. Wir brauchen gerade in diesem Bereich eine erhöhte und strengere Kontrolldichte – auch hier ist der Bund gefordert. Wir sehen aber auch uns Bauern in der Pflicht. Zu der von der Gesellschaft zu recht geforderten tiergerechten Haltung auf unseren bäuerlichen Höfen gehört auch eine tiergerechte Fütterung, z.B. durch selbst erzeugte Futtermittel, durch einheimisches Getreide und einheimische Eiweißfuttermittel. Und wir sehen die Verbraucher und Verbraucherinnen in der Pflicht, bei ihrem Einkauf von Lebensmitteln auf Nachweise zu achten bzw. sie einzufordern.

Welche Lebensmittel außer Eiern noch verseucht sein könnten, wird erst in einigen Tagen feststehen. Mehr als 1.000 Bauernhöfe in mehreren Bundesländern sind geschlossen. Sie dürfen ihre Ware erst wieder verkaufen, wenn sie auf eigene Kosten in Labortests die Unbedenklichkeit nachgewiesen haben.

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