Innenpolitik

Kritik am Weißbuch der Bundeswehr

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Bündnis der Friedensbewegung warnt vor neuen Aufgaben der Bundeswehr und einer Spirale der Aufrüstung

Aus Anlass des neuen Weißbuches des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch haben am gleichen Tag Initiativen der Friedensbewegung vor einer schleichenden Veränderung der Rolle der Bundeswehr gewarnt. So werde sie zunehmend für Aufgaben eingesetzt, die nicht als rein defensiv zu bezeichnen seien. Neben den Auslandseinsätzen zählt dazu auch ihr geplanter zunehmender Einsatz gegen illegale Grenzübertritte. Außerdem kritisieren die Initiativen, dass die Politik der Bundesregierung zunehmend konfrontativ gegenüber Russland auftritt.

Die „Kooperation für den Frieden“ ist ein Zusammenschluss von rund 60 Organisationen und Initiativen der Friedensbewegung, darunter Pax Christi und der deutschen Sektion der IPPNW, der Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges, sowie IALANA, der Juristen und Juristinnen gegen ABC-Waffen.

Deutschland betreibe seit wenigen Jahren eine dramatische Aufrüstung, so Reiner Braun, Sprecher des Bündnisses und Geschäftsführer von IALANA. So werde eine „Aufrüstungsspirale“ betrieben, die eine deutliche Ausweitung des Wehretats auf 60 Mrd. Euro und die Anschaffung neuer, völkerrechtswidriger Waffen beinhalte. Er kritisierte das geplante gemeinsame Manöver von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz. „Das ist grundgesetzwidrig und nicht zielführend. Die Bundeswehr ist dafür nicht qualifiziert. Militär hilft gegen Flüchtlinge nicht“, so Braun.

Ursula von der Leyen zeigte sich in ihrem „Tagesbefehl“ zur Präsentation des Berichts zufrieden, dass das Weißbuch nach einer „breit angelegten Partizipationsphase“ unterschiedlichster Akteure zustande gekommen sei. Unter anderem hätten 6500 Teilnehmer diskutiert und 150 „Expertinnen und Experten“ ihren Beitrag geleistet. Das Weißbuch ist am Mittwoch vom Bundeskabinett „diskutiert“ und verabschiedet worden.

Der Einsatz der Bundesehr im Inneren war in der Diskussion um das Weißbuch ein besonders umstrittener Punkt. Bundeverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und die Unionsfraktion im Bundestag hatten dafür eigentlich vorgehabt, das Grundgesetz zu ändern, konnten sich damit bei der SPD aber nicht durchsetzen. Darum ist davon im nun vorgelegten Weißbuch nicht mehr die Rede.

Dennoch kommt dort an vielen Stellen ein neues „Sicherheitsverständnis“ zum Vorschein, das die Rolle der Bundeswehr sehr viel weiter fasst als früher. So formuliert das Weißbuch als eine Aufgabe der Bundeswehr die „Verteidigung gegen terroristische und hybride Bedrohungen“. Im Weißbuch wird diese allgemeinere Definition von Bedrohung unterhalb der Kriegsschwelle, die auch so genannte „Cyberangriffe“ einschließt, unter dem Stichwort „hybride“ Bedrohung, breit diskutiert.

So schreibt das Weißbuch: „Hybride Bedrohungen verlangen nach hybrider Analysefähigkeit sowie entsprechender Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit. Dies hat maßgebliche Auswirkungen auf den Charakter und unser Verständnis von Landes- und Bündnisverteidigung im 21. Jahrhundert.“ Zur Definition erklärt das Papier: „Hybrides Vorgehen zielt dabei auf die subversive Unterminierung eines anderen Staates ab.“ Insbesondere heißt es dort: „Hybrides Vorgehen verwischt die Grenze zwischen Krieg und Frieden und kann gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstoßen.“

Außerdem kritisiert das Bündnis die zunehmend konfrontative Position der NATO und der Bundeswehr darin gegenüber Russland. Im vorangegangenen Weißbuch 2006 war Russland noch als „Partner“ beschrieben worden. Im Weißbuch 2016 steht: „Russland wendet sich dabei von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und betont strategische Rivalität.“ Das zeige sich in der „auf der Krim und im Osten der Ukraine zutage getretene Bereitschaft, die eigenen Interessen auch gewaltsam durchzusetzen und völkerrechtlich garantierte Grenzen einseitig zu verschieben“. So stelle Russland die europäische Friedensordnung offen in Frage.

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Eine solche Politik der Konfrontation schade beiden Seiten, kritisiert IALANA-Geschäftsführer Braun. Von der Idee der Charta von Paris 1990 sei heute kaum noch etwas zu spüren. Er warnte vor einer weiteren Militarisierung Europas.

Zu der aktuell debattierten Öffnung der Bundeswehr für nicht-deutsche EU-Bürger äußerte sich das Bündnis ebenfalls kritisch. „Es gibt andere Möglichkeiten, die Internationalität zu stärken“, so Braun. Den großen Nachwuchsmangel der Bundeswehr sieht Braun positiv: „Er ist Folge einer jahrzehntelangen Beschäftigung der Deutschen mit Leid und Schuld.“ Dass die deutsche Bevölkerung grundsätzlich militärskeptisch ist, sei so vernünftig zu erklären. Regelmäßig zeigten sich in Umfragen hohe Ablehnungsquoten von 80 Prozent gegen Waffenexporte und Auslandseinsätze. „Anders als früher ist heute jedem, der zur Bundeswehr geht, klar, dass er nicht nur zur Abschreckung eines Angriffs von außen dient, sondern in Interventionskriegen eingesetzt werden kann.“ Dass die Bundeswehr ihren Etat für Rekrutierungswerbung von 85 Mio. Euro auf über 100 Mio. Euro erweitern will, sei daher eine traurige Bestätigung des Akzeptanzproblems in der Bevölkerung.

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