Innenpolitik

Öffentlich-private Partnerschaft lohnt sich – für die Wirtschaft

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Rechnungshöfe von Bund und Ländern stellen beschworene Kostenvorteile durch Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft in Frage. Rein staatliches Engagement wäre vielfach günstiger.

Von RALF WURZBACHER, 8. Dezember 2011 –

Sie gelten als Patentrezept, mit dem sich die klammen Kommunen über Wasser halten: öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP). Wo das Geld fehlt, ein Schwimmbad, eine Bücherei oder Straße zu errichten, springen Investoren ein. Sie finanzieren das Projekt, setzen es um, treten mitunter als Betreiber auf und holen sich die Kosten samt Profit langfristig über Mieten und ähnliche Leistungsentgelte wieder rein. Weil die Beschaffungsvariante angeblich günstigere, effizientere und schnellere Ergebnisse zeitigt als rein staatliche Bau- und Finanzierungsmodelle, steht sie bei Stadtkämmerern seit Jahren hoch im Kurs.

Nach Einschätzung der Finanzkontrolleure von Bund und Ländern sind ÖPP-Projekte allerdings weit schlechter als ihr Ruf. Es lägen „zahlreiche Erkenntnisse“ vor, die belegten, dass wesentliche Grundsätze bei ihrer Realisierung „nicht ausreichend Beachtung finden“. So steht es im Vorspann eines „gemeinsamen Erfahrungsberichts zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten“, den die Präsidenten der 17 Rechnungshöfe von Bund und Ländern auf ihrer Herbsttagung im September verabschiedet haben. Das Dokument wurde bislang nur von einzelnen Landesrechungshöfen in digitaler Form verbreitet und soll demnächst auch als Printversion erscheinen.

Zuletzt hatte ihn der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) veröffentlicht. Damit wolle man die Verantwortlichen dazu anregen, „erst einmal nachzudenken, bevor man so etwas anpackt“, äußerte sich dessen Geschäftsführer Berthold Ernst am Mittwoch. „Wenn an einem Projekt im Umfang von einer Million Euro zwei, drei Leute mitverdienen wollen, wo sollen da die Kostenvorteile herkommen“, frage er sich. „Die meisten Synergien fressen doch allein schon die ganzen Berater auf“.

Nicht so drastisch, aber inhaltlich auf derselben Linie argumentieren die öffentlichen Finanzwächter. Ihr Bericht gründet auf der Prüfung von 30 ausgewählten ÖPP-Projekten mit einem Volumen von 3,2 Milliarden Euro. Bei ihrer Untersuchung sind sie in allen Projektphasen, von der Bedarfsermittlung über die Ausschreibung, Wirtschaftlichkeitsprüfung bis hin zur Risikobewertung und -verteilung vielfach auf Fehler und Unzulänglichkeiten gestoßen, die den versprochenen Nutzenvorteil gegenüber einer staatlichen Projektierung in Frage stellen oder widerlegen.

Bisweilen hapert es schon an der Ermittlung dessen, was überhaupt gebraucht wird. So lag bei einer Berufsschule in Kaiserslautern der vom privaten Projektpartner errechnete Raumbedarf um 800 Quadratmeter über dem Notwendigen, was im Falle der Umsetzung „erhebliche, vermeidbare Mehrkosten für den Bau und die Nutzung“ zur Folge gehabt hätte. Den Zuschlag für die Erneuerung und Unterhaltung einer Landstraße in Thüringen hat laut Finanzprüfern nur deshalb ein Privatunternehmen erhalten, weil „übliche Leistungsbestandteile (…) ausgeklammert“ wurden, um „kalkulatorische Risiken für eine funktionale ÖPP-Ausschreibung von vornherein zu minimieren“.

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Kritisch wird auch der Einsatz externer Berater gesehen. Deren Arbeitsergebnisse zeichneten sich in vielen Fällen durch „mangelnde Nachvollziehbarkeit“ aus, zum Teil wären die „Grenzen zwischen Beratung und Lobbying fließend“, heißt es in dem Bericht. Bisweilen hätten die Transaktionskosten den ursprünglich geplanten Betrag derart überstiegen, dass die Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Beschaffungsvariante „bereits dadurch in Frage gestellt war“. Grobe Mängel fanden die Kontrolleure auch in den geschlossenen Verträgen, die „häufig unvollständig und/oder fehlerbehaftet“ seien. So fehle etwa im Kontrakt zur Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg in Sachsen-Anhalt eine konkrete Festlegung über die Höhe der vom privaten Partner zu erbringenden Bauunterhaltung. Tatsächlich liegen die Ausgaben wohl deutlich über den in der ÖPP-Rate des Landes veranschlagten Kosten, allein 2009 hätte das Land zusätzlich 485.000 Euro mehr aufwenden müssen.

Das Hauptaugenmerk der Rechnungshöfe richtet sich aber auf die Wirtschaftlichkeitsprüfungen, auf deren Grundlage überhaupt erst eine Entscheidung pro oder contra ÖPP getroffen wird. Diese wiesen „in vielen Fällen methodische und rechnerische Fehler“ auf. Zudem zeigten Erfahrungen, „dass beim Wirtschaftlichkeitsvergleich vorrangig die Eigenbauvariante mit hohen Risikokosten belegt wird“, was die ÖPP-Varainte per se in ein besseres Licht rückt. Oft zu Unrecht: Bei den untersuchten 30 Projekten konnten die Prüfer in neun Fällen verlässlich die Kostenunterschiede zwischen ÖPP- und konventionellem Bau- und Finanzierungsmodell ermitteln. In nur zwei Fällen erwies sich die ÖPP-Variante als die geringfügig bessere. Sechs mal fiel des Ergebnis zu ihren Ungunsten aus, zum Teil überdeutlich: Im Falle des Südbads Trier würde ein staatliches Engagement den Steuerzahler auf lange Sicht um über 25 Prozent günstiger kommen.

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