EU-Politik

Austeritätskurs abgewählt

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In Griechenland hat das „Bündnis der radikalen Linken“ die Parlamentswahlen für sich entschieden.  Das Votum ist ein klares Zeichen an die EU-Troika: Der Sparkurs, der das Land ruiniert hat, muss revidiert werden.

Von THOMAS EIPELDAUER, 26. Januar 2015 – 

Beinahe zehn Prozent waren es am Ende, die das „Bündnis der radikalen Linken“ (Syriza) von der zweitstärksten Partei, der konservativen Nea Dimokratia trennten. 36,34 Prozent konnte die Partei von Alexis Tsipras für sich verbuchen, auf nur 27,81 kam die vormalige Regierungspartei. Die Neonazis der Chrisy Avgi stehen an dritter Stelle (6,28 Prozent), gefolgt von der pro-europäischen To Potami (6,05 Prozent). Ebenfalls im Parlament vertreten sind die „Unabhängigen Griechen“ (4,75 Prozent), die Sozialdemokraten der Pasok (4,68 Prozent) und die Kommunistische Partei Griechenlands KKE (5,47 Prozent).

Was auch immer auf die Wahl folgt, eines kann jetzt schon festgestellt werden: Die Griechinnen und Griechen haben mit großer Mehrheit gegen eine Fortsetzung des aus Brüssel und Berlin diktierten Sparkurses votiert. Die durch eine Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) verwaltete Austeritätspolitik hatte das Land in den vergangenen Jahren an den Rand des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruchs geführt: Die Löhne brachen ein, die Arbeitslosigkeit stieg enorm, lang anhaltende Rezension, Privatisierungen und Abbau der sozialen Sicherungssysteme waren die Folge der von Europa hoch gelobten „Reformen“.

Alexis Tsipras und seine Syriza hatten im Vorfeld der Wahlen ein Übergangsprogramm entworfen, dass dieser Entwicklung entgegensteuern soll. Man wolle einen Schuldenschnitt und eine „Wachstumsklausel“ für die Rückzahlung des dann noch verbleibenden Teils der Schulden, sodass diese nicht erneut aus Schulden, sondern aus wirtschaftlichem Wachstum finanziert würden. Zudem strebe man an, „ alle Ungerechtigkeiten des Memorandums“, gemeint ist jenes der Troika, das den Austeritätskurs festschreibt, „Schritt für Schritt zu revidieren“. Investitionen, Lohnsteigerungen und Hilfsleistungen für die ärmsten Schichten der Bevölkerung verspricht das Wahlprogramm ebenso wie einen Angriff auf die Macht der griechischen Oligarchie, jener Superreichen, die trotz Krise superreich blieben, während alle anderen am Hungertuch zu nagen begannen.

Tsipras´ Dilemma

Dieses Programm formulierte sicherlich die Interessen eines überwiegenden Teils der griechischen Gesellschaft und so konnte sich Syriza auch gegen eine national und international betriebene Kampagne der Angst durchsetzen, die Horrorszenarien im Falle eines Sieges der Linkspartei beschwor. Die eigentliche Prüfung aber steht Tsipras und seiner Mannschaft noch bevor. Denn, wie Kritiker bereits im Vorfeld der Wahlen bemerkten, Tsipras Programm krankt daran, dass er es nicht gegen, sondern zusammen mit den „Partnern“ in Brüssel und Berlin auf dem Weg der „Verhandlungen“ durchsetzen will. Hier dürfte der Spielraum äußerst gering sein. Erste Stellungnahmen aus Brüssel und Berlin legen nahe, dass man wenig geneigt ist, Kompromisse mit der kommenden Regierungspartei Griechenlands einzugehen.

Franktionsübergreifend betonen EU-Politiker, es komme nun auf „Vertragstreue“ an. „Auch die neue griechische Regierung ist an die Vereinbarungen mit der EU und der Troika gebunden. Es gibt auch künftig keine Leistung ohne Gegenleistung”, drohte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kündigte bereits an, für die Forderung Syrizas nach einem Schuldenschnitt werde es keine Mehrheit geben. Und aus der Europäischen Zentralbank hieß es bereits, es sei „absolut klar, dass wir keiner Schuldenerleichterung zustimmen können, bei der die griechischen Anleihen einbezogen würden, die bei der EZB liegen“. IWF, EU-Kommission, Funktionäre konservativer und sozialdemokratischer Parteien – die Funktionärskaste der EU ist sich einig: Griechenland muss weiter auf „Reformkurs“ bleiben und soll im Spiel aus „Hilfskrediten“ und Erpressung genau so weiter machen wie bisher.

Radikalisierung oder Anpassung

Tsipras´ Versuch, durch die blanke Ankündigung der Aufkündigung des Sparkurses die EU-Granden zu erschüttern und an den Verhandlungstisch zu zwingen, ist gescheitert, bevor er wirklich begonnen hat. Sicher, man wird ihm irgendeine Lösung anbieten, die es ihm ermöglicht, sein Gesicht zu wahren: Längere Laufzeiten für die Kredite und eine geringfügige Verringerung der Zinsen sind im Gespräch. Klar ist aber: Ein fundamentaler Kurswechsel – Abkehr vom den Kürzungen, Investitionen und Schuldenschnitt – wird auf den entschlossenen Widerstand der Kernländer der Euro-Zone stoßen.

Syriza steht also vor einer unangenehmen Wahl: Entweder die eigenen Wahlversprechen zu brechen, oder einen Schritt weiter zu gehen und ein Ausscheiden aus der Euro-Zone und der EU nicht mehr kategorisch auszuschließen. Für diesen Kurs steht derzeit eine andere Partei, die Kommunistische Partei Griechenlands, KKE. Deren Generalsekretär, Dimitris Koutsoumpas, hatte in einer ersten Stellungnahme nach der Wahl zwar einerseits bekundet, sich über den Denkzettel an Nea Dimokratia und PASOK zu freuen, zugleich aber erneut ein Zusammengehen mit SYRIZA ausgeschlossen, da diese sich „auf der Einwegstraße EU befinde“.

Aufgrund dieser Verweigerungshaltung der KKE und der ebenfalls konsequenten Weigerung der SYRIZA ihre europapolitische Position zu radikalisieren, wird das „Bündnis der radikalen Linken“ zunächst nicht gemeinsam mit der zweitgrößten linken Kraft im Land regieren, sondern mit einer aus einem gänzlich anderen politischen Spektrum.

Koalition mit Rechtspopulisten

Da SYRIZA nur über 149 Sitze im neu gewählten Parlament verfügt und damit knapp die absolute Mehrheit verfehlt hat, begann am frühen Montagmorgen bereits die Suche nach einem möglichen Koalitionspartner, der dann auch schnell gefunden war – denn viele Optionen gab es nicht. PASOK und To Potamoi sind Parteien, von denen kein Widerstand gegen den Sparkurs zu erwarten ist, die KKE wollte nicht, die Neonazis von Chrisy Avgi kamen nicht in Frage.

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Also blieben die „Unabhängigen Griechen“ (Anel). Diese waren 2012 von Panos Kammenos gegründet worden, der sich mit seiner früheren Partei Nea Dimokratia wegen der Austeritätspakete überworfen hatte. Die rechtspopulistische Partei stimmt also in einem Punkt mit den Interessen von SYRIZA überein: Auch Anel will ein Ende des Diktats aus Brüssel. Allerdings vertritt die Partei eine Reihe anderer Positionen, die mit denen einer linken Partei langfristig nicht kompatibel sein dürften – Stichworte Homosexualität, Verhältnis zur orthodoxen Kirche und Immigration.

Ob sich Tsipras einen Mehrheitsbeschaffer geholt hat, der möglichst wenig Probleme bereitet, oder ob Syriza tatsächlich Zugeständnisse an eine doch ziemlich weit rechts stehende Partei machen wird, wird die Zeit zeigen. Jedenfalls ist Dynamik in die griechische Innenpolitik gekommen. Und der Wahlsieg der Linken könnte auf andere Länder der EU-Peripherie ausstrahlen, die mit ähnlichen Problemen kämpfen wie die Griechen.

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