Weltpolitik

Streit um Raketenabwehr

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Deutschland übernimmt Einsatzleitung, Russland fühlt sich bedroht –

Von REDAKTION, 3. Februar 2012 –

Die russische Regierung sieht das geplante US-Raketenschild in Europa nach wie vor als Bedrohung der eigenen Sicherheit an.  „Nach dem heutigen Stand soll das Raketenabwehrsystem ohne Frage das Atomwaffenpotenzial Russlands neutralisieren“, sagte Wladimir Putin kurz vor Beginn der 48. Münchner Sicherheitskonferenz in einem Dokumentarfilm, den der Erste Kanal des russischen Fernsehens am Donnerstagabend zeigte. Der Regierungschef betonte, dass das Waffensystem das russische Territorium bis zum Ural abdecken könne. Moskau fürchtet, dass im Fall eines atomaren Angriffs seine Fähigkeit zu einem „Zweitschlag“ geschwächt werden könnte. Dadurch würde das Abschreckungspotenzial der russischen Atomwaffen entwertet.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat ebenfalls am Donnerstag am Rande eines Treffens der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel erklärt, dass Deutschland die NATO-Raketenabwehr in Europa mit eigenen Raketen vom Typ Patriot unterstützen will. „Deutschland kann sich vorstellen, die Patriot-Raketen, die in Deutschland sind, auch als einen Teil dieses Abwehrsystems zur Verfügung zu stellen“, sagte de Maizière. Zugleich bestätigten NATO-Diplomaten frühere Mitteilungen des Militärbündnisses, wonach die Einsatzleitung der Raketenabwehr beim NATO-Luftwaffenkommando in Ramstein (Rheinland-Pfalz) liegen werde.

Die NATO hatte bereits Anfang Juni 2011 mitgeteilt, dass das Luftwaffenkommando in Ramstein (Allied Air Command) die technische Zentrale der Raketenabwehr sein soll. Die Entscheidung über den Abschuss einer Abfangrakete liegt allerdings beim Europa-Oberkommandeur der NATO in Mons (Belgien). Die Befehlszentrale in Ramstein, das vor allem wegen des ebenfalls dort ansässigen US-Luftwaffenstützpunkts bekannt ist, ist für die Verteidigung des NATO-Luftraums zuständig, wozu auch das Weltall gezählt wird.

Deutschland verfügt nach Angaben aus Regierungskreisen über 24 sogenannte Feuereinheiten mit Patriot-Raketen, Abschussvorrichtungen und Radaranlagen. Diese Raketen könnten gemeinsam mit Beiträgen anderer Staaten – beispielsweise Radaranlagen – und mit der in Europa geplanten Raketenabwehr der USA in ein neues großes System eingebunden werden.

„Es geht um eine in Europa stationierte Raketenabwehr gegen Bedrohungen aus dem Nahen Osten, insbesondere dem Iran. Das ist ein altes Projekt“, so de Maizière. Putin dagegen sagte: „Heute gibt es keine Bedrohungen aus dem Iran und Nordkorea.“ Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, rechnet aufgrund dieser Einschätzung der russischen Regierung mit heftigem Widerstand aus Moskau. „Ich denke, wir werden einige Kritik aus Moskau hier zu hören bekommen“, sagte Ischinger am Freitag in der ARD. Versuche, die russische Regierung in die Abwehr mit einzubinden, scheitern bislang nicht zuletzt deshalb, weil Moskaus Verlangen nach einer Mitentscheidung beim Einsatz von der NATO abgelehnt wird.

Russland hat im Falle der tatsächlichen Einrichtung der westlichen Raketenabwehr angekündigt, selbst neue Raketen zu stationieren, um die der NATO abwehren zu können. Damit würde ein neuer Rüstungswettlauf zwischen Ost und West eingeleitet.

Die ersten Bestandteile der NATO-Raketenabwehr sollen beim NATO-Gipfel im Mai in Chicago für einsatzfähig erklärt werden. Der Abschluss des gesamten Projekts ist aber erst für 2020 geplant. Die Gesamtkosten des Projekts werden mit einer Milliarde Euro beziffert.

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Ein Raketenabwehrsystem für Europa beschäftigt die NATO schon seit zehn Jahren. Erste Studien wurden beim NATO-Gipfel 2002 in Prag in Auftrag gegeben. Die Entwicklung des Waffensystems wurde dann im November 2010 bei einem Gipfel in Lissabon beschlossen.

(mit dpa)

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