Weltpolitik

US-Demokraten auf Distanzkurs zu Barack Obama

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Kongresswahlen in den USA. Republikaner erzielen Rekordergebnis. Obama-Administration wird relativ handlungsunfähig –

Von SEBASTIAN RANGE, 6. November 2014 –

Bei den Kongresswahlen in den USA am Dienstag mussten die Demokraten eine herbe Niederlage einstecken. Nach dem Abgeordnetenhaus verloren sie bei der Wahl nun auch die Mehrheit im Senat, dem Oberhaus des Kongresses, an die Republikaner.

Diese können nun eigenständig Gesetze verabschieden. Präsident Barack Obama bleibt dann nur noch die Möglichkeit, ein Veto einzulegen. Eigene Initiativen kann er gegen den Widerstand des politischen Gegners nicht durchsetzen. Bereits in der Vergangenheit hatten die Republikaner viele Initiativen des ungeliebten Präsidenten im Abgeordnetenhaus blockiert, wo sie nun voraussichtlich auf bis zu 245 Sitze kommen, und damit über die größte republikanische Mehrheit seit Harry Truman, US-Präsident der Demokraten von 1945 bis 1953, verfügen.

Die zwischen den Präsidentschaftswahlen staatfindenden Kongresswahlen, daher auch Zwischenwahlen genannt, gelten als Stimmungsbarometer für die Politik der amtierenden Regierung. Traditionell werden sie vom Wähler genutzt, um der Unzufriedenheit gegenüber dem Präsidenten Ausdruck zu verleihen.

Mit einem Sieg der Demokraten hatte daher kaum jemand – auch nicht sie selbst – gerechnet. Dass deren Niederlage in dieser Eindeutigkeit jedoch die Form einer regelrechten „Klatsche“ annehmen würde, kam dennoch für viele Beobachter unerwartet.

Eine wirkliche Überraschung ist das allerdings nicht: Selbst die Demokraten gingen im Wahlkampf auf Distanz zu ihrem Präsidenten, dessen Zustimmungswerte zu seiner Amtsführung laut einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup zuletzt bei nur noch 42 Prozent lagen.

Nur sieben demokratische Kandidaten für das Gouverneursamt wagten noch den gemeinsamen Auftritt mit Barack Obama – fünf von ihnen scheiterten. Den Kandidaten, „die ihre Distanz zum Präsidenten wahrten, erging es allerdings kaum besser”, wie die Washington Post feststellte.

Die Demokraten verloren selbst mehrere jener Bundesstaaten, in denen sie bei der letzten Präsidentschaftswahl noch zweistellig vorne lagen. Darunter auch Obamas Heimatstaat Illinois.

Inhaltlich gab es kein den Wahlkampf dominierendes Thema. Außenpolitische Fragen stehen bei den Zwischenwahlen eher im Hintergrund. Es ist die Wirtschaftslage, die laut einer Untersuchung des Gallup-Instituts die Wähler beider Parteien vor allem umtreibt. (1) Unter der republikanischen Wählerschaft rangierte jedoch ein außenpolitisches Thema an zweiter Stelle: Der Kampf gegen den Islamischen Staat. Unter den Anhängern der Demokraten kam die Auseinandersetzung mit der Terrormiliz hingegen nur an sechster Stelle der wichtigsten Wahlkampfthemen, während die Frage der Lohngleichheit für Männer und Frauen von ihnen als zweitwichtigstes Thema genannt wurde.

Es könne daher keinem Kandidaten schaden, die Stabilisierung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Vordergrund zu stellen, so das Fazit des US-Instituts.

Den Demokraten empfahl es zudem, sich auf Fragen der Gleichstellung zu konzentrieren, während die Republikaner den Fokus auf den Islamischen Staat, das Staatsdefizit sowie die Frage der Einwanderung legen sollten, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren.  

Zum Entsetzen seiner Partei hatte Obama Anfang Oktober während eines Auftritts in Illinois erklärt, er stehe zwar nicht auf dem Wahlzettel, aber seine Politik. (2) Während die demokratischen Kandidaten in ihrem Wahlkampf ihr Möglichstes taten, um nicht mit der Politik des Präsidenten identifiziert zu werden, kosteten die Republikaner Obamas Wahlkampfgeschenk weidlich aus. In Werbespots machten sie immer wieder darauf aufmerksam, dass laut dessen eigener Aussage jede Stimme für einen demokratischen Kandidaten einer Zustimmung seiner Politik gleichkäme. (3)

Den Erfolg der Republikaner führt die New York Times nicht nur auf die Schwäche ihres Rivalen zurück.  Um den Senat zu erobern, mussten die Republikaner zunächst „einen Feind zerschlagen: nicht die Demokraten, sondern die Rebellen in den eigenen Reihen”. (4)

Den Republikanern sei es gelungen, ihren extremen Parteiflügel, darunter die Anhänger der Tea-Party-Bewegung, rechtzeitig zu stutzen, so die US-Zeitung. So wurde mit Chris McDaniel ein Tea-Party-Anhänger aus dem Rennen geworfen, der für seine sexistischen Äußerungen bekannt war.

Es sollte nicht noch einmal zu einem PR-Desaster kommen wie beim Präsidentschaftswahlkampf 2012, als die republikanischen Kongressmänner  Todd Akin und Richard Mourdock mit chauvinistischen Äußerungen zu den Themen Vergewaltigung und Schwangerschaft für Negativschlagzeilen sorgten.

Die republikanischen Kandidaten mussten sich daher in „Medien-Schulungseinheiten“ unterweisen lassen, um eine Wiederholung des Debakels zu vermeiden. Zudem wurden sie im Wahlkampf auf Schritt und Tritt von „fingierten Wahlkampfbeobachtern“ („fake campaign trackers“)  verfolgt, die die Partei auf ihre eigenen Kandidaten ansetzte, um deren Äußerungen minutiös zu dokumentieren – und bei Missfallen entsprechend intervenieren zu können.

Auch sonst wurden – von beiden Seiten – keine Kosten und Mühen gescheut, um den Wahlsieg zu erringen. Über die Parteien brach eine wahre Flut an Spendengelder durch sogenannte Super-PACs (Political Action Commitees) herein. Seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2010 ist es diesen Lobbygruppen erlaubt, unbegrenzte Mittel in den Wahlkampf fließen zu lassen. Erst nach der Wahl müssen die Spender und die investierten Summen offen gelegt werden. Viele dieser Super-PACs waren laut einer Untersuchung der New York Times zuvor völlig unbekannt. Einige waren erst im September gegründet worden, um auf den Wahlkampf in letzter Minute Einfluss zu nehmen.

Und so flossen zum Schluss täglich 20 Millionen US-Dollar in das Politspektakel. Im Oktober bezifferte sich das Spendenaufkommen auf insgesamt 200 Millionen US-Dollar, und lag damit deutlich höher als bei allen vorherigen Zwischenwahlen.

Neben der üblichen Werbung auf Plakaten, in TV-und Radiospots, wurden die potentiellen Wähler dieses Mal auch auf ihren Handys durch automatisierte Anrufe belästigt, in denen die Konkurrenz madig gemacht wurde. So konnten die Einwohner Louisianas durch Telefonanrufe  erfahren, dass ihre demokratische Senatorin Mary L. Landrieu „Geld druckt, als gäbe es kein morgen mehr, und für durchschnittliche Leute wie mich alles teurer macht“. (5)

Ob solch primitive Botschaften den Ausschlag für den deutlichen Sieg der Republikaner gegeben haben, sei dahingestellt. Deren Wählerschaft lässt sich jedoch kaum in toto über einen konservativ-rechten Kamm scheren, wie Referenden belegen, die in einigen Bundestaaten gleichzeitig mit den Wahlen abgehalten wurden.

In Oregon stimmten die Menschen für eine Legalisierung des Konsums und Besitzes von Marihuana,  in Arkansas, Nebraska und South Dakota für die Anhebung der Mindestlöhne, und in Colorado und North Dakota gegen schärfere Anti-Abtreibungsmaßnahmen – sämtlich Bundesstaaten mit republikanischer Mehrheit.

Was der Sieg der Republikaner konkret bedeutet, lässt sich schwer einschätzen. Beobachter fürchten jedoch, diese könnten mit ihrer Mehrheit in den beiden Kongresskammern die US-Regierung nun völlig blockieren. Die Nachrichtenagentur dpa malt ein düsteres Szenario, demzufolge „der völlige Stillstand in der US-Politik“ drohe – was angesichts der Hegemonieansprüche der Vereinigten Staaten über den Rest der Welt in den Ohren vieler Erdbewohner allerdings nach einer guten Nachricht klingt.  

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(mit dpa)

Anmerkungen
(1) http://www.gallup.com/poll/178133/economy-government-top-election-issues-parties.aspx
(2) http://www.nytimes.com/2014/10/03/us/politics/in-illinois-speech-obama-trumpets-economic-successes.html
(3) https://www.youtube.com/watch?v=3TDRgcJ0tQA&feature=youtu.be
(4) http://www.nytimes.com/2014/11/05/us/politics/-republicans-first-had-to-wrestle-with-their-own-poor-discipline-.html?_r=0
(5) http://www.nytimes.com/2014/11/03/us/politics/a-flood-of-late-spending-on-midterm-elections-from-murky-sources.html

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