Wirtschaft Inland

Bertelsmann – die gefährliche Macht eines Bewußtseinskonzerns

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von Elke Groß: 

Die Bertelsmann AG mit ihrem Firmensitz im westfälischen Gütersloh und in New York gehört zu den fünf größten Medienkonzernen der Welt und ist der größte Medienkonzern Europas. Die Bertelsmann-Stiftung, die drei Viertel der Anteile am Konzern hält, ist die reichste Stiftung ihrer Art in Deutschland – und wohl auch die einflußreichste.

Die Einflußnahme von Bertelsmann auf das öffentliche Bewußtsein und auf gesellschaftspolitische Entwicklungen beschränkt sich keineswegs auf die öffentliche Meinungsbeeinflussung durch die zum Konzern gehörenden Medien, wie die RTL Group, Nummer Eins im europäischen Rundfunkgeschäft, oder Gruner + Jahr, den stärksten Zeitschriften Verlag Europas. Insbesondere die Bertelsmann-Stiftung, die – ebenso wie der Konzern – von dem Gründer und Unternehmenspatriarchen Reinhard Mohn und seiner Familie kontrolliert wird, ist auf allen wesentlichen Feldern gesellschaftlichen Lebens tätig: in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales genauso wie in der Außen- und Sicherheitspolitik – und auch auf EU-Ebene. Die Bertelsmann-Stiftung arbeitet dabei nicht selten einflußreich an konkreten Politikvorhaben mit, sei es etwa bei neuen Hochschulgesetzen, bei den geplanten Schulreformen, bei der Hartz-Gesetzgebung, bei der Privatisierung des Gesundheitssystems, bei der Neugliederung der Kommunalverwaltungen oder bei den Versuchen, eine EU-Verfassung zu entwickeln oder bei eine europäischen Armee zu etablieren.

Der Bertelsmann-Konzern und seine Stiftung haben ihre strategische Politikberatung über ein riesiges personelles Netzwerk organisiert: So stehen deren Experten und Mitarbeiter inzwischen in enger Verbindung mit allen Landesregierungen, sie kooperieren mit Kultusministerien und dem Bundeskanzleramt ebenso wie mit Kommunalverwaltungen. Auch wenn man sich bei der Bertelsmann-Stiftung gern parteipolitisch neutral und dem „Gemeinwohl“ gewogen gibt, wird bei den von der Mohn-Familie geförderten Politikvorhaben immer wieder deutlich, daß es um einen eigennützig verfolgten, neoliberalen Umbau der Gesellschaft geht – allerdings nicht nur im Interesse der Bertelsmann AG, sondern auch im Interesse von anderen Konzernen. So rät die Stiftung öffentlichen Kommunen zur Teilprivatisierung ihrer Aufgaben, gleichzeitig steht das zur Bertelsmann AG gehörende Dienstleistungsunternehmen Arvato als möglicher Anbieter zur Verfügung – ein lukratives Geschäft, eingefädelt unter dem Deckmäntelchen der „Gemeinnützigkeit“.

In welchem Umfang eine einzige Familie und der ihr gehörende Konzern an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt ist, und mit welchen Methoden dabei vorgegangen wird, ist – wohl auch angesichts ihres medialen und gesellschaftlichen Einflusses – in der europäischen Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Doch inzwischen sind einige Fachbücher erschienen, die sich kritisch mit dem Bertelsmann-Konzern auseinandersetzen. So auch der kürzlich von Jens Wernicke und Torsten Bultmann herausgegebene Band: „Netzwerk der Macht – Bertelsmann. Der medial-poltische Komplex aus Gütersloh“. Das über 400 Seiten starke Werk kostet nur 15 Euro und ist im Verlag des Bundes demokratischer Wissenschaftler erschienen (BdWi-Verlag http://www.bdwi.de/show/564228.html ). Über 30 Autorinnen und Autoren haben in einer wissenschaftlich fundierten, kritischen Bestandsaufnahme die Politik des Bertelsmann-Konzerns untersucht; dabei bringen sie die privaten Firmeninteressen, die hinter dem angeblichen Gemeinwohlinteresse versteckt werden, ans Tageslicht. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zeigen unter anderem Beispiele für die politische Einflußnahme des Konzerns gerade auch auf konkrete Gesetzesvorhaben, untersuchen die Rolle des Konzerns in der Nazi-Zeit und stellen immer wieder die Frage nach der dringend notwendigen gesellschaftlichen Kontrolle dieses unübersichtlichen Machtkomplexes.

Aber nicht nur aus den Reihen der Wissenschaft, sondern auch aus Parteien, Gewerkschaften und politischen Gruppierungen mehren sich kritische Stimmen gegenüber der Bertelsmann-Stiftung und anderen privaten „Denkfabriken“.

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Mit dem Ziel, solche „demokratiefeindlichen Machtverflechtungen“ aufzuzeigen und den „propagandistischen Unternehmensstrategien wirksame Aufklärung“ entgegenzusetzen, findet am 27. Oktober 2007 in Frankfurt am Main der dritte „Anti-Bertelsmann-Kongress“ statt.

Bleibt zu hoffen, daß es immer stärker gelingt, in Politik und Gesellschaft ein Bewußtsein für die Rolle zu schaffen, die die Bertelsmann-Stiftung machtpolitisch spielt: Sie ist aus demokratischer Sicht „nicht Lösungsgeber, sondern Teil des Problems“, wie Jens Wernicke, einer der Herausgeber des Buches „Netzwerk der Macht“ es ausdrückt.

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