Kasachstan Wahlen

Konkurrenzlos zum Sieg: Kasachischer Präsident Toqajew lässt sich im Amt bestätigen

Bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen in Kasachstan hat sich Amtsinhaber Qassym-Schomart Toqajew mit über 80 Prozent der Stimmen gegen seine fünf Mitbewerber durchgesetzt. Nach der von Toqajew angestoßenen Änderung im Wahlgesetz wird der Präsident für sieben statt wie bisher für fünf Jahre gewählt, kann jedoch nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren.

Präsident Toqajew bei der Stimmabgabe am 20. November in Astana
Quelle: President of the Republic of Kazakhstan , Mehr Infos

Wirklich überrascht vom Ausgang der vorgezogenen Präsidentenwahlen in Kasachstan war wohl niemand. Amtsinhaber Qassym-Schomart Toqajew war angetreten, um sich im Amt bestätigen zu lassen, seine Mitbewerber kennt kaum jemand beim Namen. Das hat sich auch in den Wahlergebnissen niedergeschlagen. Wie in den jüngsten Prognosen vorhergesagt, sicherte sich Toqajew mit 81,31 Prozent der Stimmen souverän die Mehrheit, seine fünf Gegenkandidaten erreichten zwischen 2,12 und 3,42 Prozent. 5,8 Prozent der Wähler kreuzten auf ihren Wahlzetteln „gegen alle“ an. Seit 2004 gibt es diese Möglichkeit im kasachischen Wahlgesetz. Mit 69,44 Prozent war die Wahlbeteiligung nicht besonders hoch. In der Millionenmetropole Almaty, die von den Ausschreitungen im Januar am schwersten betroffen war, betrug die Wahlbeteiligung gerade einmal 28,72 Prozent, in der Hauptstadt Astana war sie mit 48,67 Prozent ebenfalls unterdurchschnittlich. 1 Wie Beobachter aus verschiedenen Wahllokalen in Almaty berichteten, waren es hauptsächlich Rentner, die ihre Stimmen abgaben. Wähler unter dreißig Jahren seien hingegen kaum in Erscheinung getreten. Dafür hätten kleine Gruppen von jungen Aktivisten am Wahlsonntag in Almaty demonstriert. So berichtet ein Reporter von Azattyq, eine Handvoll Aktivisten der Bewegung „Oyan, Qazaqstan!“ hätten sich gegen Mittag vor dem Monument der Unabhängigkeit im Zentrum von Almaty eingefunden und ein Banner mit der Aufschrift „Werden wir zu unserer Lebzeit noch gerechte Wahlen erleben?“ in die Höhe gehalten. Ihre Münder seien mit Klebeband zugeklebt gewesen, darauf habe gestanden „Schlage nicht, schieße nicht“, „Für unsere Nachfahren“ sowie „Blutiger Januar“. Nach wenigen Minuten seien die Aktivisten von Polizeibeamten abgeführt worden. Insgesamt seien laut Beobachtern am Wahlsonntag dreißig Demonstranten in Gewahrsam genommen worden. 2 Kasachische Menschenrechtler hatten zudem angegeben, dass seit dem 11. November Dutzende Menschen in verschiedenen Teilen des Landes wegen angeblicher Störung der Wahlvorbereitungen festgenommen worden seien und zwischen fünf und achtzehn Tagen Haft bekommen hätten. 3

Toqajew war mit dem Wahlspruch „Ein gerechtes Kasachstan für alle und für jeden einzelnen“ angetreten. Das Prinzip der Gerechtigkeit werde jeder Entscheidung seiner Regierung zugrunde liegen, versprach er. Bei einem Wahlauftritt in Almaty am 16. November rief Toqajew die Menschen auf, zur Wahl zu gehen und so zu wählen, als wählten sie einen Manager. „Für mich ist der Präsident ein Manager, mit dem das Volk einen Vertrag für eine bestimmte Zeit abschließt. Derjenige, der das höchste Amt im Staat als Ergebnis der freien Willensäußerung der Bürger bekleidet, unterzeichnet faktisch einen Vertrag, der von den Stimmen von Millionen seiner Mitbürger zusammengehalten wird.“ 4

Derweil sind die Ereignisse des „tragischen Januar“ immer noch nicht aufgeklärt. Für diejenigen, die weniger schwerer Straftaten wie etwa Sachbeschädigung und Plünderung bezichtigt wurden, hatte Toqajew kürzlich eine Amnestie ausgesprochen. Andere Angeklagte sind mit vergleichsweise milden Strafen – hauptsächlich Geldstrafen oder Bewährung – davon gekommen. Die volle Härte des Gesetzes solle nach Willen des alten und neuen Präsidenten hingegen die Hintermänner der Massenausschreitungen treffen. Vergangenen Freitag wurde das Verfahren gegen den ehemaligen Chef des Nationalen Sicherheitskomitees, Kärim Mässimow, eröffnet. Ihm wird Staatsverrat vorgeworfen. Nach seiner Stimmabgabe in der kasachischen Hauptstadt Astana hatte Toqajew gegenüber Journalisten gesagt, er warte selbst auch darauf, dass das Gericht feststelle, was der Grund für die Januar-Ausschreitungen gewesen sei und wer dahinter steckte. „Es ist sehr schwierig. Mässimow hat lange Jahre mit mir zusammengearbeitet. Aber woher soll man das wissen? Hat Jesus den neben ihm sitzenden Judas erkannt? Wir sind keine Götter, deswegen werden wir das Ende der Verhandlung abwarten und dann die Wahrheit erfahren.“ Die Organisatoren der Ausschreitungen spielten ein gefährliches Spiel, erklärte Toqajew vor wenigen Tagen in Almaty. „Darunter leiden die einfachen Bürger und die Interessen des Staates. Deswegen bin ich überzeugt, dass solche Menschen in Kasachstan keine politische Zukunft haben. Aber wir können nicht ausschließen, dass sie zum Instrument in den Händen verschiedener destruktiver Kräfte werden, die versuchen, unser Land zu destabilisieren.“ Am Tag nach Toqajews Rede in Almaty hatte des Nationale Sicherheitskomitee vermeldet, man habe eine Gruppierung aufgedeckt, die eine „Machtergreifung“ geplant haben soll. Dahinter stehe der ehemalige Bankier Muchtar Abljasow – einer der aktivsten Kritiker der Regierung. Das Sicherheitskomitee veröffentlichte ein Video, auf dem mehrere Menschen in einem kleinen Raum unter anderem darüber reden, Scharfschützen zu installieren und Brandgeschosse herzustellen. 5

Die Ausschreitungen vom Januar hatten Toqajews Macht schwer erschüttert, zahlreiche Gegner des Präsidenten hatten seinen Rücktritt gefordert. Nach übereinstimmender Einschätzung unterschiedlicher Experten im In- und Ausland hatte Toqajew die vorgezogenen Präsidentenwahlen angesetzt, um sich durch den Wähler legitimieren zu lassen. Der Zeitpunkt sei mit dem Kalkül gewählt worden, dass Toqajew momentan keine echte Konkurrenz befürchten muss. In der ersten Jahreshälfte 2023 sollen vorgezogene Parlamentswahlen folgen, anschließend will Toqajew eine neue Regierung aufstellen. In seiner Rede an die Nation hatte Toqajew am 1. September außerdem ein umfangreiches Reformpaket vorgestellt.

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Quellen:

1https://www.election.gov.kz/rus/news/releases/index.php?ID=8012

2https://rus.azattyq.org/a/zaderzhaniya-pensionery-i-nizkaya-yavka-kak-proshel-den-vyborov-v-almaty/32139114.html

3https://www.rbc.ru/politics/20/11/2022/637a08599a7947404f952b2f

4https://www.rbc.ru/politics/20/11/2022/637a08599a7947404f952b2f

5https://www.rbc.ru/politics/20/11/2022/637a08599a7947404f952b2f

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