Staatsräson

Deutschlands blinde Unterstützung für Israel in Gaza

Deutschland unterstützt Israel angeblich, um für die Sünden seiner Nazi-Vergangenheit zu büßen, doch Berlins Unterstützung des ethnozentrischen, ausgrenzenden Zionismus ist die eigentliche Wurzel des Nazismus.

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Olaf Scholz mit Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog am 17. Oktober 2023 in Tel Aviv.
Foto: Hana Yariv Lizenz: CC BY-SA 3.0, Mehr Infos

Seit die Operation „Al-Aqsa-Sturm“ am 7. Oktober Israels Vorstellung von Sicherheit in Stücke gerissen hat, steht der Westen fest hinter Tel Aviv und bietet unerschütterliche Unterstützung in politischen, militärischen, medialen, geheimdienstlichen und anderen Bereichen.

Inmitten dieser Demonstration westlicher Einigkeit hat sich Deutschland hervorgetan, das als glühender Befürworter Israels und entschiedener Gegner jeder Form von Hilfe für die Palästinenser, selbst für die Kinder unter ihnen, an der Spitze der EU steht. Und das, obwohl die israelische Armee seit Beginn ihrer Luft- und Bodenangriffe vor zwei Monaten über 10.000 Säuglinge und Kinder in Gaza getötet hat.

Weniger als eine Woche nach dem „Al-Aqsa-Sturm“ bot der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz militärische Hilfe für Israels Feldzug im Gazastreifen an und sagte:

„In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz – den Platz an der Seite Israels … Unsere eigene Geschichte, unsere Verantwortung, die aus dem Holocaust erwächst, macht es zu einer immerwährenden Aufgabe für uns, für die Sicherheit des Staates Israel einzutreten.“

Laut Scholz und Konsorten muss sich Deutschland ständig rehabilitieren, indem es die jüdischen Nachfahren des Zweiten Weltkriegs schützt. Aber warum fühlt sich Berlin dann nicht in gleicher Weise verpflichtet, die nichtjüdische slawische Zivilbevölkerung zu schützen, deren Zahl der von Nazi-Deutschland getöteten Menschen der der jüdischen Opfer entspricht?

Deutschlands „Schuldkomplex“

Der deutsche „Schuldkomplex“ hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 in jährlichen Zahlungen von mehr als 1 Milliarde Dollar niedergeschlagen. Diese Reparationszahlungen, die sich zwischen 1945 und 2018 auf insgesamt 86,8 Milliarden Dollar an Israel belaufen, wurden kürzlich bis 2027 verlängert.

Während diese Gelder angeblich dazu dienen, die Juden für die von Nazi-Deutschland verursachten Gräuel zu entschädigen, weckt eine genauere Betrachtung der historischen Zahlen Zweifel an der Kohärenz der deutschen Darstellung.

Die enorme Zahl von 17 Millionen Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von Nazideutschland getötet wurden, umfasst 6 Millionen Juden und 5,7 Millionen sowjetische Zivilisten. Andere Quellen behaupten jedoch, dass die Zahl der slawischen Todesopfer die der Juden bei weitem übersteigt. Schockierenderweise hat Nazideutschland, getrieben von einer radikalen ideologischen Politik, nachweislich 10.547.000 ethnische Slawen getötet, verglichen mit 5.291.000 Juden.

Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest, dass die Mehrheit der getöteten slawischen Zivilisten aus Polen, der Ukraine, Russland und Weißrussland stammte und überwiegend einen orthodoxen christlichen Hintergrund hatte. Warum erhalten sie dann keine Reparationszahlungen aus einem ähnlichen deutschen Schuldgefühl heraus, das auf dem Gewissen der deutschen Führung lastet?

Dies wiederum wirft die Frage nach den wahren Beweggründen für die Unterstützung und finanzielle Förderung Israels auf – ob es sich um eine prinzipielle Haltung handelt, wie sie Berlin nach außen hin vertritt, oder lediglich um ein politisches Manöver.

Hitlers Feindseligkeit gegenüber Nicht-Juden

Historische Aufzeichnungen offenbaren eine weniger erforschte Dimension von Adolf Hitlers Feindseligkeit, nämlich dass sich seine Feindseligkeit gegenüber den Christen im Osten nicht wesentlich von seiner Feindseligkeit gegenüber den Juden unterschied.

Dieser Aspekt seiner Schreckensherrschaft wird oft aus politischer Opportunität übersehen. Die Nazis propagierten eine verzerrte Vision, in der die „überlegene“ deutsche Rasse dazu bestimmt war, über die angeblich „minderwertigen“ slawischen Völker zu herrschen, und stellten dies als einen Kreuzzug zur Rettung der westlichen Zivilisation vor diesen sogenannten östlichen Barbaren dar.

Zahlreiche historische Zeugnisse belegen die Gräueltaten, die die Nazis an orthodoxen Christen verübten, doch wird dieses Leid oft von den allgemein anerkannten Kriegsverbrechen überschattet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gewährten die USA den verbündeten europäischen Streitkräften im Rahmen des Marshallplans, einer umfassenden Initiative, die den Wiederaufbau und das Wiedererstarken des vom Krieg zerrütteten Europas erleichtern sollte, entscheidende materielle Unterstützung. Vor allem das ehemalige Westdeutschland wurde zum drittgrößten Nutznießer dieses Hilfspakets.

Allerdings ging diese Hilfe mit der stillschweigenden Erwartung Washingtons einher, dass sich Berlin eng an die Interessen der USA anpasst, ein Weg, den Deutschland seither verfolgt hat. Auf diese Weise wurde Deutschland zu einem glühenden Verfechter des Zionismus, einer ethnozentrischen politischen Ideologie, die sowohl Vorherrschaft als auch Exklusivität idealisiert.

Der derzeitige Krieg in der Ukraine macht deutlich, in welchem Ausmaß Deutschland sklavisch die Interessen der USA über seine eigenen gestellt hat. Obwohl die Interessen Deutschlands und Russlands in letzter Zeit häufig übereinstimmten, überschritt diese Annäherung die roten Linien der USA erst, als ihr gemeinsames Nord-Stream-2-Pipelineprojekt Anfang 2022 ans Netz ging. Als die deutsche Loyalität auf die Probe gestellt wurde, wie während des von den USA angeheizten Ukraine-Krieges, erwies sich Berlin als absolut loyal gegenüber Washington – trotz der akuten Rückschläge für die eigene Wirtschaft.

Deutschlands Ausrichtung auf den Zionismus

Deutschland – wie ein Großteil des Westens – behandelt die Weltgemeinschaft mit einer spürbaren Überlegenheit, die sich in der „demokratischen“ Vormachtstellung des Westens über den Rest ausdrückt.

Als die Massen des Globalen Südens, die den größten Teil der „internationalen Gemeinschaft“ ausmachen, ihren Widerstand gegen Israels völkermörderischen Krieg in Gaza zum Ausdruck brachten, beharrte Bundeskanzler Scholz nonchalant darauf, dass „Israel eine Demokratie ist – das muss man ganz klar sagen.“

Nach Ansicht Berlins findet der Kampf heute zwischen den „westlichen Demokratien“, die von Israel repräsentiert werden, und anderen, die „es nicht verdienen zu leben“, statt. Dies ist die Essenz des Nationalsozialismus, der Deutschland offensichtlich nie verlassen hat.

Moderne Anklänge an das nationalsozialistische Gedankengut sind in der Ausnahmestellung Deutschlands noch immer präsent, was sich in einem bemerkenswerten Anstieg der Waffenexporte in den Besatzungsstaat zeigt. Nach Angaben des deutschen Wirtschaftsministeriums genehmigte Berlin seit Beginn des laufenden Jahres bis zum 2. November Ausfuhren im Gesamtwert von rund 303 Millionen Euro (323 Millionen Dollar) nach Israel, was gegenüber den Handelsdaten von 2022 eine atemberaubende Verzehnfachung bedeutet.

Laut einem Bericht des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) stammt zwischen 2018 und 2022 die überwiegende Mehrheit – 99 Prozent – der israelischen Waffenimporte aus den USA (79 Prozent) und Deutschland (20 Prozent).

Darüber hinaus hat das deutsche Bundesland Sachsen-Anhalt vor kurzem bekannt gegeben, dass die Anerkennung der Existenz Israels durch ein schriftliches Bekenntnis zur Voraussetzung für die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft geworden ist.

Berlins Glaube an die westliche Vormachtstellung

In blinder Unterstützung seiner israelfreundlichen Haltung lehnt Deutschland jede Form der Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung rigoros ab. Pro-Palästina-Demonstrationen wurden verboten, und Personen, die sich für die Rechte palästinensischer Kinder einsetzen, wurden verhaftet.

Diese Haltung ist nicht nur eine Reaktion auf den aktuellen Gazakrieg, sondern steht im Einklang mit den dauerhaften Grundsätzen der deutschen Außenpolitik, wie sie in der nationalen Sicherheitsstrategie dargelegt sind, die in den ersten Absätzen ein dauerhaftes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels betont.

Bundeskanzler Scholz bezeichnete die Weltlage nach dem Ukraine-Konflikt als „Wendepunkt“ und betonte gleichzeitig die Verpflichtung Deutschlands, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Seine Äußerungen machen deutlich, dass Berlin sich als Vorhut für die Verteidigung der westlichen Hegemonie in einer Zeit des Umbruchs der Weltordnung sieht.

Das Vorgehen der deutschen Behörden im Gaza-Konflikt sollte durch ihre zunehmend bipolare Weltsicht betrachtet werden. Wie alle Atlantiker sieht Berlin den Gazastreifen als Schlachtfeld zwischen den Befürwortern einer westlichen Hegemonie in Westasien – die ein starkes, handlungsfähiges Israel voraussetzt – und denjenigen, die die westliche Rolle in der entstehenden multipolaren Ordnung aktiv infrage stellen.

Berlins Haltung wird zu einer Manifestation des Glaubens an die Vormachtstellung der westlichen Achse und der vermeintlichen Notwendigkeit, diejenigen auszuschalten, die eine Herausforderung für dieses „Prestige“ darstellen, was das Wesen des Nationalsozialismus ist.

Der Autor

Mohamed Sweidan ist Experte für strategische Studien, schreibt für verschiedene Medienplattformen und ist Autor mehrerer Studien im Bereich der internationalen Beziehungen. Er beschäftigt sich vor allem mit russischer sowie türkischer Politik und der Beziehung zwischen Energiesicherheit und Geopolitik.

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Der Artikel erschien im Original am 12. Dezember 2023 bei The Cradle unter dem Titel „Germany’s blind support for Israel in Gaza“. Übersetzung: Hintergrund. Die in dem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln die Sicht des Autors wider.

 

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