Iran-Atomabkommen

Netanjahu eskaliert die Lage mit angeblichen Beweisen

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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US-Präsident Donald Trump und Israels Premierminister Benjamin Netanyahu auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Symbolbild, Official White House Photo von Shealah Craighead)
Autor: The White House from Washington, DC. Lizenz: Public Domain, Mehr Infos

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt vor einer Aufkündigung des Atomvertrags mit dem Iran durch US-Präsident Donald Trump. Gegenüber der BBC erklärte Guterres am Donnerstag (3. Mai), es drohe die Gefahr eines Krieges, wenn der „Deal“ nicht eingehalten würde. Kurz zuvor, am 30. April, hatte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu zur besten Sendezeit im Hauptquartier der Armee seine angeblichen Beweise für ein geheimes iranisches Atomprogramm präsentiert. Das 2015 geschlossene internationale Atomabkommen nannte Netanjahu einen „schrecklichen Deal“, der nie hätte unterzeichnet werden sollen.

Der israelische Geheimdienst Mossad habe 55.000 Seiten unbekanntes Material und dutzende CDs aus den Archiven des Iran „gesammelt“. Dieses Beweismaterial zeige, dass Teheran ein falsches Spiel spiele. Netanjahu hat nach eigenen Worten „neue und schlüssige Beweise“ zu einem geheimen Atomprogramm vorgelegt, das der Iran angeblich seit Jahren vor der internationalen Gemeinschaft versteckt halten soll.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte hingegen, nach einer ersten Einschätzung habe Netanjahu keine Beweise präsentiert, dass der Iran sich nicht an das Abkommen zum Verzicht auf Atomwaffen hält. Sie verwies darauf, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) schon zehn Berichte veröffentlicht habe, die dem Iran Vertragstreue bescheinigen. Wenn jemand gegenteilige Informationen habe, solle er sich an die IAEA oder die gemeinsame Kommission der Vertragspartner wenden. Die IAEA sei die einzige unabhängige internationale Organisation, die für die technische Überwachung zuständig sei.

Ganz anders die Töne des neuen US-Außenministers Mike Pompeo. Er bezeichnete die von Israel vorgelegten Geheimdiensterkenntnisse als authentisch. Bevor Pompeo Israel besuchte, war er am 28. April zu einem Besuch in Saudi-Arabien. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, dass Pompeo während dieses Besuches Iran scharf kritisiert hatte. Die Regierung des amerikanischen Präsidenten werde, so Pompeo, „die große Bandbreite von Irans Terrorismus nicht vernachlässigen“.

Vor dem geplanten Treffen zwischen dem US-Außenminister und dem israelischen Regierungschef erklärte Netanjahu laut FAZ, er wolle mit Pompeo „über die Entwicklungen in der Region, die wachsende iranische Aggression und natürlich das Atomabkommen mit Iran sprechen, über das es bald eine Entscheidung geben wird“.

Nur einen Tag später fand die Präsentation der „Lügen des Iran“ statt. Der Zeitpunkt unterstreicht die Absicht Netanjahus, auf die Entscheidung des US-Präsidenten bezüglich eines Ausstiegs aus dem Atomabkommen Einfluss nehmen zu wollen. Bis zum 12. Mai muss Donald Trump beschließen, ob er die auf Grundlage des Abkommens ausgesetzten Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft setzt. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Ausscheren aus dem Abkommen.

Der Besuch Pompeos in Israel lässt den Schluss zu, dass die Präsentation Netanjahus zuvor zusammen mit Trump und Pompeo koordiniert worden war. So wundert es nicht, dass Trump betonte, die Präsentation Netanjahus zeige, dass er mit seiner Meinung über den Iran zu „hundert Prozent“ recht gehabt habe. Auch er nannte das Abkommen einen „schrecklichen“ Deal.

In einer Stellungnahme Pompeos heißt es: „Das iranische Regime hat jahrelang gegenüber der Welt behauptet, dass sein Atomprogramm friedlich sei. Die Dokumente, die Israel aus dem Iran erlangt hat, zeigen ohne jeden Zweifel, dass das iranische Regime nicht die Wahrheit gesagt hat.“

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warf Netanjahu ein „Täuschungsmanöver“ vor. Der FAZ gegenüber erklärte er, es würden nur die Tatsachen präsentiert, die bereits der Grund für das Abkommen mit Iran gewesen seien. Der russische Präsident Wladimir Putin und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron bekräftigten ihren Willen, am Atomabkommen festzuhalten. Diese Auffassung teilen auch Deutschland und Großbritannien.

Uzi Eilam, ehemaliger Leiter der israelischen Atomenergiekommission, sagte laut Zeit-online: „Alles, was Netanjahu bei seiner Präsentation gesagt hat, war Geschichte, und kein Beweis dafür, dass die Iraner den Vertrag nicht einhalten.“

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Während Netanjahu seine angeblichen Beweise dem israelischen Fernsehpublikum zur besten Sendezeit präsentierte, fand im israelischen Parlament eine hitzige Debatte bis spät in den Abend statt. Mit einer Mehrheit von 62 gegen 41 Stimmen der Abgeordneten erlaubte das israelische Parlament schließlich dem Regierungschef, „unter extremen Umständen“ Kriegserklärungen abzugeben oder umfangreiche Militäraktionen anzuordnen, ohne sein Kabinett zu fragen. Er benötigt nur die Zustimmung des Verteidigungsministers. Die Knesset-Abgeordnete und Gründerin der Organisation „Women Against Violence Association“, Aida Touma-Sliman, zeigte sich höchst besorgt: „Das Gesetz wird es zwei Menschen ermöglichen, nicht nur den Staat Israel in den Krieg zu führen, sondern alle Länder in der Region.“

http://knesset.gov.il/spokesman/eng/PR_eng.asp?PRID=13851

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