Hungerrevolten

Venezuelas Präsidenten droht die Abwahl

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Im einst reichen, aber nun von Hungerrevolten geprägten Land Südamerikas verbucht die Opposition einen Erfolg

In Venezuela rückt die Abwahl des sozialistischen Präsidenten näher. Die Opposition ist ihrem Ziel, ein Referendum zur Abwahl von Nicolás Maduro durchzuführen, einen Schritt näher gekommen. Eine erste Petition hat die nötige Zahl gültiger Unterschriften zusammen bekommen. Wie die Vorsitzende des nationalen Wahlrats (CNE), Tibisay Lucena, am Montagabend in der Hauptstadt Caracas mitteilte, habe die Prüfung der eingereichten Unterschriften ergeben, dass in allen 24 Bundesstaaten das notwendige Quorum von einem Prozent der Wahlberechtigten erreicht worden sei.

Insgesamt seien 399 412 Unterschriften für gültig befunden wurden, über doppelt so viele als eigentlich nötig. Der CNE hatte im Juni gefordert, dass anhand von Fingerabdrücken und Ausweisen die Echtheit der Unterschriften nachgewiesen werden müsse. Nun muss eine zweite Petition ein 20-Prozent-Quorum der Wahlberechtigten erreichen, das bedeutet knapp vier Millionen Unterschriften.

Sollte auch diese erfolgreich sein, muss laut Verfassung ein Referendum zur Abwahl des Präsidenten stattfinden. Dabei gilt: Maduro, Nachfolger des 2013 verstorben Hugo Chávez, wäre abgewählt, wenn so viele Bürger dafür stimmen, wie er bei der Präsidentschaftswahl selbst Stimmen bekommen hat: 7 587 532. Die Opposition wirft Maduro nun vor, dass er und der von den Sozialisten dominierte CNE das Verfahren verschleppen würden – die Unterschriften waren schon im Mai übergeben worden. Entscheidend für einen Machtwechsel durch Abwahl Maduros und folgende Neuwahlen ist der Referendums-Zeitpunkt.

Maduros reguläre Amtszeit endet am 10. Januar 2019. Die Verfassung besagt folgendes: Wenn der Präsident zwei Jahre oder weniger vor Ende des Mandats per Referendum abgewählt wird, übt der Vizepräsident das Amt bis zum Ende aus. Das wäre Aristóbulo Istúriz, ebenfalls ein Sozialist. Fände das Referendum aber vor dem 10. Januar 2017 statt, und Maduro würde abgewählt, müsste es binnen eines Monats Neuwahlen geben. Nur so könnte es zu dem von der Opposition gewünschten Machtwechsel kommen. Das Land leidet seit Monaten unter einer dramatischen Versorgungskrise und politischer Polarisierung.

Im Land mit den größten Ölreserven der Welt mangelt es an Nahrungsmitteln, den Krankenhäusern gehen die Medikamente aus. Neben den Menschen in Venezuela leiden auch die Zootiere unter der schlechten Versorgung. Im letzten Halbjahr seien 50 Tiere an Hunger gestorben, hieß es kürzlich. Grund sind mangelnde Produktivität der Industrie, Misswirtschaft, die höchste Inflation der Welt und ein akuter Devisenmangel, der den Import von Waren abgewürgt hat.

Repression und Gewalt haben stark zugenommen. Lange Schlangen vor Supermärkten und Apotheken gehören zum Alltagsbild. Maduro versucht, das von der Opposition dominierte Parlament auszubremsen, er regiert mit Notstandsdekreten und hat das Militär sowie Bürgerwehren ermächtigt, notfalls mit Waffengewalt die Lebensmittelversorgung sicherzustellen.

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Zuletzt griff er zu einem besonders drastischen Mittel. Per Dekret vom 22. Juli ordnete er an, dass Beschäftigte von Betrieben zur Arbeit in der Landwirtschaft zwangsverpflichtet werden können. Der Arbeitsminister kann Unternehmen damit zwingen, ihre Arbeiter „auszuleihen“ für Einsätze zur Nahrungsmittelversorgung. Eine solche Aktion kann 60 Tage dauern, aber auch verlängert werden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von „Zwangsarbeit“. Andere Organisationen kritisierten, die Regelung widerspreche dem in der venezolanischen Verfassung garantierten Recht auf freie Arbeitswahl. Allerdings zeigt die Entscheidung, wie verzweifelt die Regierung inzwischen über die Versorgungslage mit Lebensmitteln ist.

(mit dpa)

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