US-Wirtschaft als Vorbild

Die „Amerikanisierung“ der europäischen Arbeitsverhältnisse

Die Genese der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Keine Region der Welt ist so eng kapitalistisch verflochten wie die transatlantische. In Westeuropa galt seit dem Ende des Ersten Weltkrieges die US-Wirtschaft als Vorbild – in Unternehmerkreisen bis heute. Trotz aktueller Kritik werden die Arbeitsverhältnisse in der Europäischen Union gegenwärtig sogar verstärkt nach dem US-Job-Muster umgestaltet.

Weltwirtschaftskrisen

Die Vereinigten Staaten expandierten Ende des 19. Jahrhunderts endgültig über das nordamerikanische Territorium hinaus. Sie mischten sich in auswärtige Kriege ein und überfielen Mexiko, die Karibik und die Philippinen, setzten Diktatoren ein – und investierten. Von dem Krieg, der im Jahr 1914 zwischen den europäischen Großmächten ausbrach, waren die USA selbst zwar nicht bedroht, aber die Wall Street finanzierte sofort mit dessen Beginn die Kriegsführung von Großbritannien, Frankreich und Italien. Die US-Wirtschaft organisierte dadurch den bis dato größten Boom ihrer Geschichte. Nach dem Krieg unterstützten die Vereinigten Staaten in Europa sowohl Demokratien als auch Diktaturen – und investierten.

Insbesondere in Deutschland wurden die Investitionen mithilfe großer Kreditpakete der Wall Street (Dawes-Plan 1924, Young-Plan 1929) getätigt. Ford, General Motors, IBM, ITT, General Electric, Standard Oil, Coca-Cola usw. kauften europäische Unternehmen, errichteten Filialen und öffneten die europäischen Märkte für Autos, Datenverarbeitung, Ölprodukte und Hollywood-Filme.

Die von der Wall Street im Jahr 1929 verursachte Weltwirtschaftskrise stürzte die westeuropäische – vor allem die deutsche – Wirtschaft in die Rezession. Durch die Arbeitslosigkeit verarmten große Teile der Bevölkerung. Wall Street und US-Konzerne finanzierten und belieferten auch im Zweiten Weltkrieg die europäischen Alliierten und nach Kriegseintritt der USA dann auch das eigene Militär. Das führte wiederum zum bis dahin größten Wirtschaftsboom der USA.

Mithilfe von Weltbank, Internationalem Währungsfonds, Marshallplan und erweiterten US-Investitionen in Westeuropa wurden der Boom und die US-Dominanz aufrechterhalten. Deshalb wurde – bei allen Vorteilen – die europäische Seite immer wieder, zuletzt 2007, in Wirtschaftskrisen hineingezogen, die unter Führung von US-Akteuren (Regierungen, Banken, Wirtschaftsprüfer, Rating-Agenturen, Starökonomen …) verursacht wurden.

Der europäische Kapitalismus hatte und hat seine eigenen wiederkehrenden Krisen. Doch durch die enge transatlantische Verflechtung gingen sie tiefer und dauerten länger – aufgrund ihrer Abhängigkeit kann die europäische Seite daraus aber keine wesentlichen Konsequenzen ziehen.

 

Förderung des Faschismus

Die US-Akteure sichern und steigern den privatkapitalistischen Gewinn im Ausland seit jeher mithilfe von Regimes, die je nach Situation Spielarten des Parlamentarismus, der Diktatur oder des Faschismus sind.

Nur ein Gesellschaftssystem gilt als feindlich: die demokratisch durchorganisierte oder sozialistische Wirtschaft, selbst in gemäßigt sozialdemokratischer oder selbstbewusst nationaldemokratischer Form.

Deshalb marschierten US-Militärs im Jahr 1919 zusammen mit Großbritannien, Frankreich, Polen und Japan in Russland ein. Man unterstützte zaristische, feudalistische und antisemitische Generäle und ihre Truppen. Die sowjetische Räterepublik sollte vernichtet werden. Zum großen Bedauern auch des US-„Friedens“-Präsidenten Woodrow Wilson gelang dies nicht.

Washington und Wall Street unterstützten ab 1922 die faschistische Regierung Mussolinis unmittelbar nach deren Inthronisierung. US-Konzerne bekämpften damals daheim die erstarkenden Gewerkschaften und sozialistische beziehungsweise kommunistische Parteien. Mussolini zeigte, wie man nicht nur gegen diese vorgeht, sondern sie ganz ausschaltet und vernichtet. Er wurde mit Krediten überhäuft, US-Konzerne und Banken kauften Anteile wichtiger italienischer Unternehmen wie Fiat und Pirelli.

Hitler bewunderte den Autokönig Henry Ford nicht nur wegen dessen Antisemitismus, sondern auch aufgrund der von ihm eingeführten Massenproduktion, verbunden mit einer paternalistischen Haltung gegenüber den Arbeitern und einer Feindschaft gegenüber Gewerkschaften. Ford unterstützte als erster US-Industrieller den Aufstieg der NSDAP. US-Konzerne investierten in Hitler-Deutschland und rüsteten die Wehrmacht zur modernsten Armee der Welt auf.

Ähnlich verfuhren die USA mit der drittwichtigsten Faschismusvariante in Europas Zwischenkriegszeit. In den 1930er Jahren erklärten sie zwar politisch ihre Neutralität bezüglich Europa, US-Konzerne verhalfen aber mit Kriegsfahrzeugen und Ölprodukten dem Franco-Faschismus gegen die demokratische Republik zum Sieg im Spanischen Bürgerkrieg. Die Roosevelt-Regierung gehörte zu den allerersten, die das Franco-Regime diplomatisch anerkannten und dies auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht revidierten.

Die faschistischen Regimes – auch die bürgerlich-adligen Kollaborationsregimes im nazibesetzten Europa wie die Vichy-Regierung in Frankreich – pervertierten, verboten und zerstörten die Organisationen und Kulturen der abhängig Beschäftigten. Politischer Mord gehörte dazu. Kollektivität, Verhandlungsmacht, Selbstbewusstsein der abhängig Beschäftigten wurden nachhaltig geschwächt. Das hat Folgen bis in die Gegenwart.

Anti-Communist Left Policy

Mit dem Plan des Ex-Generalstabschefs George Marshall (Marshallplan) wollten die USA den Kriegsboom ihrer Wirtschaft fortsetzen, Westeuropa weiter mit Krediten und Investitionen durchdringen und es zu einem aufgerüsteten, auch wirtschaftlich starken Aufmarschgebiet gegen den Sozialismus machen.

Eine Bedingung für die Gewährung von Marshallhilfen war die Beseitigung oder Entmachtung der demokratisch-nationalen Kräfte. Im Extremfall, wie in Griechenland, intervenierten die USA zusammen mit den Ex-NS-Kollaborateuren militärisch (Napalmbomben, Sturzkampfjets, Militärberater). Erst als die antifaschistische Bewegung und deren provisorische Regierung militärisch besiegt waren, flossen die Marshallplangelder.

Demokratische und antifaschistische Bewegungen, allen voran Sozialisten und Kommunisten, wurden aufgrund ihres im Widerstand gewonnenen Ansehens kurzzeitig geduldet, dann aber verdrängt und bekämpft, so auch in Italien, Frankreich, den Benelux-Staaten und insbesondere in der von den USA neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland.

Der US-Geheimdienst CIA griff über die Gewerkschaftsdachverbände AFL und CIO nach 1945 in die westeuropäische Gewerkschaftsbildung ein – durch Bestechung, Indoktrination sowie Neugründung von christlichen und Spalter-Gewerkschaften, zum Beispiel der Force Ouvrière in Frankreich. Die Gewerkschaften im Bereich des Marshallplanes mussten in den unter Führung der USA 1949 neu gegründeten Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) eintreten und den Weltgewerkschaftsbund (WGB) verlassen. Die CIA förderte sozialistische Parteien, die zwar sozialistische Rhetorik üben durften, sich aber vom konkreten Ziel des Sozialismus distanzierten („Non-Communist Left Policy“).

Die von den USA dominierten Westalliierten bestanden nach dem Krieg darauf, die im Nationalsozialismus auch auf Kleingewerbetreibende ausgeweitete Zwangsmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern (IHK) beizubehalten. Vorschläge, demokratische Wirtschaftskammern zu bilden, in denen auch die Gewerkschaften vertreten sind, wurden abgelehnt. So sind die staatlich geschützten Zwangsverbände der IHK bis heute Vertreter „der Wirtschaft“. Das bedeutet: Die abhängig Beschäftigten gehören nicht zur Wirtschaft, sie sind keine relevanten Wirtschaftssubjekte.

Damit haben die USA gemeinsam mit europäischen Gleichgesinnten die konsequente Demokratisierung der Wirtschaft und der Arbeitsverhältnisse verhindert. Die Gewerkschaften sollten auf die unmittelbare Existenzsicherung der abhängig Beschäftigten reduziert und ihrer darüber hinausreichenden Visionen beraubt werden. Das Ziel wurde grundsätzlich erreicht, wenn auch in den einzelnen westeuropäischen Staaten in unterschiedlicher Ausprägung.

Die USA bauten die BRD zum demonstrativen „Wohlstandsfenster“ gegenüber dem Sozialismus auf. Dafür wurden und werden ihr – im Unterschied zu anderen Akteuren – enorme Schulden erlassen. Die abhängig Beschäftigten wurden durch bescheidenen Wohlstand ruhiggestellt. Das war aber nur ein taktisches Zugeständnis auf Zeit; seit der Sozialismus verschwunden ist, wird dieser Wohlstand abgebaut.

Jobrevolution und Working Poor

Ab den 1960er Jahren lösten Unternehmen und Regierungen in den USA systematisch das Arbeitsverhältnis der Reformzeit auf: Der Acht-Stunden-Tag, unbefristete Arbeitsverträge, Tarifverträge, Kündigungsschutz, Sozialversicherung sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung waren und sind davon betroffen. „Working Poor“ wurde zur flächendeckenden Dauererscheinung: Arbeit leisten und trotzdem arm sein.

Das Arbeitsverhältnis besteht aus Spielarten gehobener Tagelöhnerei: befristet, mit wechselnder Stundenzahl, ohne Kündigungsschutz („Hire and Fire“), ohne (oder mit schwacher) Sozialversicherung. Eine Folge sind auch niedrige Renten und Altersarmut. Gleichzeitig bekämpfen Unternehmer und Staat die gewerkschaftliche Organisierung und die betriebliche Vertretung der Beschäftigten.

Die abhängige Arbeit als „Job“ – also als eine im Gegensatz zum „Beruf“ temporäre, eher kurzfristige Tätigkeit ohne besonderen Qualifikationsnachweis – muss nicht mehr die materielle Existenz sichern; deshalb werden für dieselbe Person und dieselbe Familieneinheit mehrere Jobs nötig. Da auch das nicht unbedingt die materielle Existenz sichern kann und muss, subventioniert der US-Staat seit Mitte der 1970er Jahre – entgegen der offiziellen Doktrin des von staatlichen Regeln befreiten Unternehmertums – die Jobber mit Essensmarken, Steuergutschriften, Beihilfen für Kinderbetreuung und ärztliche Behandlung. Nur deshalb müssen die Hungerlöhner nicht verhungern. Hinzu kommt die statistische Beschönigung: Nach US-Vorbild gilt auch in der EU eine Beschäftigung ab einer Stunde pro Woche statistisch als Arbeitsplatz.

Gleichzeitig werden die Einkommen der Manager schrittweise überproportional angehoben, wobei die Gewinne der dominierenden privatkapitalistischen Eigentümer noch stärker erhöht werden – beides durch direkte, auch verdeckte bis kriminelle Zugriffe (Insidergeschäfte, Finanzoasen) sowie staatliche Maßnahmen (Steuersenkungen/-befreiungen). Dabei werden die Einkommen der Manager öffentlich kritisiert, während die ungleich höheren Einkünfte der Eigentümer verschwiegen werden. Doch was sind die beanstandeten sechs Millionen Euro jährliches Einkommen des BMW-Vorstandsvorsitzenden Harald Krüger gegenüber den nicht kritisierten knapp zwei Milliarden leistungslosen Gewinnentnahmen der beiden BMW-Hauptaktionäre Stefan und Susanne Klatten und den jeweils 180 Millionen Gewinnentnahmen der weiteren BMW-Hauptaktionäre Blackrock, Capital Group und Norges?

US-Konzerne wie McDonald’s und United Parcel Service (UPS) expandieren seit den 1980er Jahren in Westeuropa. Schlecht bezahlte Teilzeitarbeit, Gewerkschaftsfeindlichkeit und ausgepresste Subunternehmer gehören zum Geschäftsmodell, das auch von anderen Branchen übernommen wurde. Keine westeuropäische Regierung stellte sich gegen diese Entwicklung.

Parteien mit sozialistischer und sozialdemokratischer Bezeichnung und Rhetorik setzten die „Jobrevolution“ politisch durch und fassten sie in Gesetze: in Deutschland die SPD unter Kanzler Schröder mit der „Agenda 2010“, in Frankreich die Sozialisten unter Präsident Hollande mit dem „Loi Travail“, in Italien der „Job Act“ unter der Regierung von Matteo Renzi.

Die „Globalisierung“ des Jobverhältnisses

Seit 1947 können die einzelnen Bundesstaaten der USA in Eigenregie Gewerkschaften abweichend von Bundesgesetzen entmachten. Diese Möglichkeit nutzten zunächst Südstaaten mit Sklaventradition, inzwischen auch industriell geprägte Nordstaaten. Heute machen die 28 sogenannten Right to Work States bereits die Mehrheit der fünfzig US-Staaten aus; das ist die „innere“ Globalisierung des Job-Arbeitsverhältnisses. US-Konzerne bedienen sich dieser Praxis aber auch verstärkt in anderen Staaten, entweder über eigene Niederlassungen oder durch Auftragsvergabe an einheimische Subunternehmer; das ist die „äußere“ Globalisierung des Job-Arbeitsverhältnisses.

Eine rechtliche Grundlage bildet dabei die Nichtratifizierung der allermeisten Abkommen über Arbeitsrechte der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, einer Tochterorganisation der UNO. Die USA stehen mit der Ratifizierung von zwei der acht ILO-Kernnormen und nur zwölf der insgesamt 190 ILO-Normen weltweit einsam an der Spitze der Nichtratifizierung.

Gleichzeitig fördern die Vereinigten Staaten global die einseitige sanktionsbewehrte Bevorteilung der Rechte privatkapitalistischer Eigentümer, etwa durch die private Schiedsgerichtsbarkeit. Diese richtete sich in den 1950er Jahren gegen Einschränkungen, die US-Konzernen in den sich befreienden Nationalstaaten Asiens und Afrikas auferlegt werden sollten. Das New Yorker Abkommen von 1958 bildet dafür bis heute die Grundlage. Diese arbeitnehmerfeindliche Regelung sollte auch in den zuletzt verhandelten Freihandelsabkommen wie TTIP und TPP zum Tragen kommen. Die Aufkündigung der Abkommen durch den neuen US-Präsidenten Trump bedeutet keineswegs das Ende des privatkapitalistischen Privilegs.

Die Macht der US-Berater

Die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) holte für die Privatisierung des ehemaligen betrieblichen Eigentums der DDR vorrangig US-Berater in die Treuhandanstalt. Price Waterhouse Coopers, KPMG und Morgan Stanley machten durch investorenfreundliche Schnellverkäufe aus der DDR-Wirtschaft eine abhängige Sonderwirtschaftszone mit niedrigeren Löhnen und weniger Gewerkschaften.

Mit der Agenda 2010 beauftragte die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder insbesondere US-Berater, um die Arbeitsweise der Arbeitsagentur und der Jobcenter nach dem Jobmuster umzugestalten. Auch die CDU-geführten Bundesregierungen unter Angela Merkel halten an der Dauerbeauftragung von McKinsey und Accenture fest.

US-Investoren üben seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2007 mit ihren Jobmethoden in verschiedenen Bereichen einen verstärkten Einfluss aus: Großinvestoren wie BlackRock bei den börsennotierten Konzernen, die Fusionen wie die von Bayer und Monsanto einfädeln, Private-Equity-Investoren wie Blackstone, die mittelständische Firmen „restrukturieren“ und anschließend gewinnbringend weiterverkaufen, oder die Weltkonzerne der Internetökonomie (Amazon, Google, Facebook, Uber, Airbnb …), die eine neue Welle prekarisierter Arbeitsverhältnisse in Gang gesetzt haben.

Human Resources und Union Busting

Seit den 1920er Jahren kommen US-Management-Konzepte in Westeuropa zum Einsatz. Sie greifen zusätzlich außer- und auch gegenrechtlich in die Arbeitsverhältnisse ein. Es begann mit dem Taylorismus. Die sekundengenaue Zerlegung der einzelnen Arbeitsschritte wurde zur Automatisierung der Arbeitskraft genutzt, Kommunikation zwischen den Beschäftigten galt als Störfaktor. In Europa wurde der Taylorismus in verschiedenen Ausprägungen übernommen, so 1924 im deutschen Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (REFA).

In der Bundesrepublik waren die Managementkonzepte zunächst noch vom NS-System geprägt. Spätestens seit den 1970er Jahren wurden sie dann durch das Konzept abgelöst, für das der Weltkonzern McKinsey steht. Das Prinzip lautet: mehr Gewinn mit weniger Beschäftigten. Manager werden umso höher entlohnt, je mehr Arbeit sie aus möglichst schlecht bezahlten „Mitarbeitern“ herauspressen.

McKinsey richtete seit Mitte der 1950er Jahre im Gefolge des Marshallplanes Niederlassungen in Westeuropa ein. In westeuropäischen Aktiengesellschaften dominieren auch heute die US-Unternehmensberater. McKinsey steht immer noch an der Spitze, gefolgt von Boston Consulting Group, Accenture und Bain.

Die westeuropäische Wirtschaft übernahm und übernimmt folgsam weitere US-Konzepte: Nach dem Konzept des Human Capital (Humankapital: Qualifikation und Motivation als Gewinnfaktor) folgte das der Human Resources (abhängig Beschäftigte als vereinzelte Ich-Unternehmer, Optimierer und Anbieter ihrer Arbeits- und Lebenskraft) mit den Elementen der Diversität, Flexibilität sowie Vermittlungs- und Führungsfähigkeit.

Unter US-Arbeitsverhältnissen wurde die psychische Zerstörung der Persönlichkeit, die trotz Arbeitswillens nicht mehr arbeitsfähig ist, zum flächendeckenden Dauerphänomen. Gleichzeitig verdeckt die in den 1970er Jahren in den USA entwickelte wissenschaftliche Definition des Burnout die Ursachen in der neoliberalen Arbeitsorganisation; diese Definition wurde auch in der EU vorherrschend.

US-Universitäten haben in der EU mehrere Hundert private Business Schools gegründet, die nach US-Vorbild den Titel Master of Business Administration (MBA) vergeben. Die Studiengebühren pro Jahr liegen in Deutschland zwischen 32 000 und 79 000 Euro.

Nach dem Vorbild der USA wurde während des letzten Jahrzehnts in Westeuropa auch die Praxis des Union Busting etabliert, also der systematischen Bekämpfung gewerkschaftlicher Vertretungen in Unternehmen. Damit werden etwa die Nichtbezahlung von Überstunden und die Zustimmung zu Werkvertragsarbeit erpresst.

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Transatlantische Niedriglöhnerei

Westeuropäische Unternehmen haben eigene Traditionen des Arbeitsverhältnisses nach dem Jobmuster. Insbesondere die deutsche Industrie hat dies mit ihren Geschäftspartnern im besetzten Europa während der Naziherrschaft praktiziert und seitdem nie grundsätzlich infrage gestellt oder bedauert. Vielmehr bildeten die Superprofite eine Grundlage für das „Wirtschaftswunder“ nach 1945, das schon vorher begonnen hatte.

Unternehmen, die in Europa entstanden sind, befinden sich heute ohnehin zunehmend in angloamerikanischem Eigentum. Zugleich haben Zehntausende westeuropäische Unternehmen Niederlassungen in den USA. Sie nutzen die dortigen Jobverhältnisse und versuchen sie auch auf die Standorte in der EU zu übertragen. Die immer noch größere finanzielle Mächtigkeit der USA verschafft solchen Praktiken eine größere Durchschlagskraft, als wenn nur westeuropäische Akteure dies wollten. Auch der neue US-Präsident Donald Trump forciert die Jobpolitik – daran gibt es allerdings vonseiten westeuropäischer Regierungen, Leitmedien und Unternehmer keinerlei Kritik.

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